Schwäbische Zeitung (Laupheim)
So sehen die Notfallpläne für den Chaos-Brexit aus
Was müssen Briten in Europa bei einem EU-Austritt ohne Abkommen beachten? Was passiert im Flugverkehr? Wichtige Punkte im Überblick
BRÜSSEL - In Brüssel holt man die Notfallpläne aus der Schublade. Angesichts der unübersichtlichen Lage in der britischen Regierung und der drohenden Abstimmungspleite beim Austrittsabkommen sollen die härtesten Folgen eines ungeregelten Brexits durch Übergangsvereinbarungen gemildert werden. „Das ersetzt natürlich keinen Austrittsvertrag“, betonte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Mittwoch. „Die beste Lösung für die Wirtschaft wäre es, in der EU zu bleiben.“
Großzügig zeigt sich Brüssel überall dort, wo eigene Interessen durch einen harten Brexit stark beeinträchtigt wären. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, die auf ihrem Staatsgebiet lebenden Briten nach dem 29. März 2019 möglichst großzügig und unbürokratisch mit Aufenthaltstiteln zu versorgen – aber nur dann, wenn die Regierung in London mit Zugewanderten vom Kontinent ebenso verfährt. Einen Antrag auf unbefristete Staatsbürgerschaft sollen die Betroffenen schon jetzt prophylaktisch stellen können, damit sie nach dem Stichtag nicht mit leeren Händen dastehen. Wer mit einem EU-Bürger verheiratet ist, soll auf dieser Grundlage ein Aufenthaltspapier erhalten. Für die nötige fünfjährige Anwartschaft auf ein unbefristetes Bleiberecht sollen auch in anderen EU-Staaten verbrachte Zeiten angerechnet werden.
Lange Staus in Sicht
Beim Güter- und Individualverkehr auf Straße und Schiene wird schon wegen der ab kommenden April nötigen Zollkontrollen mit langen Staus und Lieferproblemen gerechnet. Laut EU-Kommission können die Folgen gemildert werden, wenn Britannien rechtzeitig erneut den entsprechenden internationalen Abkommen beitritt, denen es bislang durch seine EU-Mitgliedschaft automatisch angehörte. Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.
Britische Zugführer müssen allerdings eine EU-Lizenz erwerben, wenn sie nach dem 29. März auf dem kontinentalen Schienennetz unterwegs sein wollen. Beinhart zeigt sich die Kommission beim Thema Frachtverkehr. Britische Spediteure erhalten keine Zulassung in der EU. Dahinter steckt wohl die Überlegung, dass die britische Regierung diese Unfreundlichkeit nicht mit gleicher Münze heimzahlen kann, wenn sie verhindern will, dass ihre Bürger verhungern oder Engpässe bei Autoteilen oder Medikamenten entstehen.
Ähnlich kompromisslos zeigt man sich beim Flugverkehr. Britische Fluggesellschaften erhalten ein Jahr Galgenfrist, in dem sie europäische Flughäfen ansteuern dürfen – aber nur für den Direktverkehr zwischen Großbritannien und dem Kontinent. Flüge in andere Länder mit Zwischenstopp Madrid oder Frankfurt sind nicht länger zulässig. Piloten, Mechanikern und anderem Flugpersonal rät die EU-Kommission, sich rasch um eine EU-Lizenz zu bemühen, da britische Papiere mit dem Austritt ihre Gültigkeit verlieren.
Während es für einige Finanzprodukte wie Derivate großzügige Übergangsfristen gibt, damit der Handel nicht zusammenbricht, dürfen in Britannien angesiedelte Finanzdienstleister und Versicherungen ab 30. März ihre Produkte nicht mehr in der EU anbieten – außer, sie legen sich eine Filiale auf dem Kontinent zu. Der bargeldlose Zahlungsverkehr wird teurer werden, da höhere Transaktionsgebühren anfallen. Tier- und Lebensmittelimporte bleiben erlaubt, wenn die Hersteller EUStandards erfüllen. Beim gesamten Warenverkehr wird es wegen der neuen Kontrollen zu langen Wartezeiten kommen.