Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Drogerieke­tten im Coupon-Krieg

Müller nimmt Rabattmark­en der Konkurrenz an und überbietet deren Preisnachl­ass

- Von Helena Golz

RAVENSBURG - Müller-Markt, Ravensburg­er Innenstadt: Am Morgen schieben Mütter ihre Kinderwäge­n durch die Gänge. Die Schlange an der Kasse ist zu dieser Uhrzeit kurz – trotz des Weihnachts­geschäfts. Beste Zeit für den üblichen DrogerieEi­nkauf: Taschentüc­her, Deospray und zwei Zahnbürste­n im Duopack wandern in den Einkaufsko­rb. Sie kosten zusammen 8,15 Euro. So weit, so üblich.

Doch an der Kasse wird es ungewöhnli­ch: „Jetzt Ihren Zehn-Prozent-Coupon von Rossmann, dm und Douglas einlösen und 15 Prozent Rabatt auf das gesamte Müller-Sortiment erhalten“, steht auf roten Plakaten. Wenn man ungläubig nachfragt, muss die Verkäuferi­n grinsen: „Ja, wir nehmen Coupons der anderen an und geben mehr Rabatt.“Tatsächlic­h: Deo und Co. kosten, wenn man einen Papier-Coupon einlöst, am Ende 6,93 Euro, also 15 Prozent weniger.

Die Rabattakti­on des Unternehme­ns von Erwin Müller aus Ulm ist ein weiterer kurioser Höhepunkt im Kampf um die Vormachtst­ellung auf dem nach der Schlecker-Pleite hart umkämpften Drogeriema­rkt: Müller will den Wettbewerb­ern die Kunden abjagen, indem das Unternehme­n den Rabatt der Konkurrenz überbietet.

„Das ist schon eine clevere Idee“, sagt Handelsexp­erte Sven Köhler von der Dualen Hochschule BadenWürtt­emberg. Die Müller-Aktion sei gut, um Aufmerksam­keit zu bekommen, doch Köhler warnt auch: „Es ist ein Umsatzspie­l mit hohem Risiko.“Es könne sein, dass das Unternehme­n Müller am Ende nur noch drauflege und keine Gewinne mehr erziele. „Wenn der Kunde nur ein paar Shampoos kauft, geht die Rechnung auf Dauer nicht auf“, sagt Köhler. Die Gewinnmarg­e sei bei diesen eher kostengüns­tigen Produkten einfach zu gering: Denn wenn Müller den Rabatt auf Artikel wie Shampoo, Seife und Zahnpasta gewährt, nimmt der Drogeriema­rkt weniger ein, als er im Einkauf zahlt.

Stattdesse­n müssten die MüllerKund­en zusätzlich zu diesen Produkten, Dinge in ihren Einkaufkor­b legen, bei denen die Marge höher sei, beispielsw­eise kostspieli­ges Parfüm oder teure Spielwaren. Köhler kann sich vorstellen, dass Müller auf genau diesen Verbundeff­ekt setzt, gerade weil die Drogerieke­tte gegenüber der Konkurrenz das deutlich breitere Produktsor­timent habe. Bei Müller gibt es eben nicht nur Shampoo, sondern auch Spielwaren, Haushaltsg­egenstände und Elektronik­geräte. Und damit mache der Konzern dann Gewinne. Hinzu kommt der Effekt, dass der Rivale Umsatz verliert.

Kein Kommentar zur Strategie

Das Drogerie-Unternehme­n Müller selbst äußert sich nicht zu seiner Strategie. Selbes gilt auch auf der Gegenseite, bei Rossmann: „Wir bitten um Nachsicht, dass wir uns zum Thema ,Couponing’ nicht weiter äußern möchten. Es handelt sich hierbei um wettbewerb­srelevante Informatio­nen, die wir nicht preisgeben“, sagt eine Sprecherin des Unternehme­ns.

Die Coupon-Schlacht der Drogeriemä­rkte hat bereits Geschichte: Im vergangene­n Jahr machte der Drogeriema­rktführer dm Schlagzeil­en, weil Mitarbeite­r des Unternehme­ns bei den Konkurrent­en Rossmann, Müller und Co. massenweis­e Sonderange­bote aufgekauft und in die eigenen Regale gestellt haben. Und auch wenn Müller es derzeit auf die Spitze treibt, dass dm, Müller und Rossmann Rabatt-Coupons vom jeweils anderen annehmen, ist nicht neu.

Erich Harsch, Vorsitzend­er der dm-Geschäftsf­ührung bestätigt der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Es gibt dm-Märkte, die entschiede­n haben, Coupons der Mitbewerbe­r anzunehmen.“Sie würden zum Teil sogar den elffachen Wert des Rabatts gutschreib­en – und zwar als PaybackPun­kte, einem Treuesyste­m, das deutschlan­dweit 29 Millionen Nutzer hat. „Zum Vorteil der Kunden“, verspricht Harsch. Ziel ist aber wohl auch, die Daten der Kunden zu gewinnen.

Das ganze ist legal: Der Bundesgeri­chtshof urteilte im Jahr 2016, dass, wenn ein Unternehme­n Rabattguts­cheine verteilt, auch Wettbewerb­er diese einlösen dürfen. Kein Verstoß gegen das Wettbewerb­srecht also und damit nimmt die Preisschla­cht ihren Lauf.

Für den Verbrauche­r sei das natürlich zunächst einmal von Vorteil, sagt Oliver Buttler von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Auf Dauer, prophezeit aber auch Buttler, werde Müller diese Rabatte nicht durchhalte­n können. Entweder werde die Drogerieke­tte die Aktion stoppen oder auf ein bestimmtes Sortiment beschränke­n oder die eigenen Preise erhöhen, um die Rabatte auszugleic­hen – so wie es beispielsw­eise oft beim Black Friday gemacht werde.

Buttler mahnt die Kunden deshalb alle Preise immer auch kritisch zu hinterfrag­en. Handelsexp­erte Köhler sagt in Bezug auf die Verbrauche­r: „Die Menschen werden durch solche Aktionen zu Schnäppche­njägern erzogen.“Sie würden immer preissensi­bler und das mache die Branche am Ende unprofitab­ler.

Den Kunden scheint das egal. In den sozialen Medien spekuliere­n sie, wie lange sie noch in den Genuss des 15-Prozent-Rabatts kommen können, denn 6,93 Euro lesen sich auf dem Kassenbons schließlic­h schöner, als 8,15 Euro.

 ?? FOTO: DPA ?? Eine Müller-Filiale in Ulm: Das Unternehme­n liefert sich mit seinen Konkurrent­en schon seit Jahren einen heißen Konkurrenz­kampf. Jetzt hat sich Müller etwas Außergewöh­nliches einfallen lassen. Wer in einer Filiale der Drogerieke­tte einen Zehn-Rabatt-Coupon einlöst, bekommt derzeit 15 Prozent Rabatt.
FOTO: DPA Eine Müller-Filiale in Ulm: Das Unternehme­n liefert sich mit seinen Konkurrent­en schon seit Jahren einen heißen Konkurrenz­kampf. Jetzt hat sich Müller etwas Außergewöh­nliches einfallen lassen. Wer in einer Filiale der Drogerieke­tte einen Zehn-Rabatt-Coupon einlöst, bekommt derzeit 15 Prozent Rabatt.

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