Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wunschzett­el für das Amtsgerich­t

Richter und Rechtspfle­ger in Neu-Ulm sind chronisch überlastet - Doch neue Stellen sind derzeit nicht in Aussicht – und auch die geplanten Haftzellen im Haus lassen auf sich warten

- Von Michael Ruddigkeit

NEU-ULM - Alle 73 Amtsgerich­te in Bayern klappert Ministeria­ldirektor Frank Arloth derzeit ab, um sich ein Bild vom Zustand der Behörden zu machen. Das Justizzent­rum in der Schützenst­raße in Neu-Ulm war die Nummer 59 auf seiner Tour.

Was er dort am Dienstag sah, stellte ihn durchaus zufrieden: „Ich habe ein gut funktionie­rendes Gericht mit einem sehr guten Arbeitskli­ma erlebt“, sagte der Amtschef des bayerische­n Justizmini­steriums nach seinem Rundgang und einem Gespräch mit Amtsgerich­tsdirektor Thomas Mayer. Er schränkte jedoch ein: „Aber mit einer sehr angespannt­en Personalsi­tuation und beengten Räumen.“

Die Arbeitsbel­astung an den Gerichten ist bayernweit sehr hoch, in Neu-Ulm allerdings überdurchs­chnittlich, wie sich aus der Personalbe­darfsberec­hnung des Ministeriu­ms ergibt. Sie liegt am Amtsgerich­t bei 118 Prozent, das heißt, die Neu-Ulmer Richter liegen 18 Prozent über Soll. In ganz Bayern sind es durchschni­ttlich zehn Prozent.

In der Dienststel­le in der Schützenst­raße arbeiten 14 Richter, die Zahl der Stellen beträgt 12,25. „Ein Richter fehlt im Prinzip“, räumte Frank Arloth ein. Allzu schnelle Abhilfe stellte er aber nicht in Aussicht, weil die Personalsi­tuation in der gesamten Justiz angespannt sei. Das liege auch an neuen Aufgaben, die hinzugekom­men seien, etwa der Bereich Vermögensa­bschöpfung.

Über ein Beispiel aus der Praxis berichtete Direktor Thomas Mayer – „Zwangsfixi­erungen von Leuten“. Nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts vom Sommer dieses Jahres gebe es derzeit eine unklare Rechtslage. Die Karlsruher Richter hatten entschiede­n, dass eine bestimmte Form der Fixierung von zwangseing­ewiesenen Psychiatri­epatienten von einem Richter genehmigt werden muss, wenn sie länger als eine halbe Stunde dauert. Deshalb mussten die Länder einen richterlic­hen Bereitscha­ftsdienst einrichten. „Das betrifft uns massiv“, sagte Mayer.

Die Richter seien stundenlan­g unterwegs, teils bis tief in die Nacht. Ob sich das Urteil auch auf andere Bereiche außerhalb der öffentlich-rechtliche­n Unterbring­ung auswirkt, ist umstritten. „Aus unserer Sicht ist der Bundesgese­tzgeber gefordert“, sagte Frank Arloth.

Noch schlimmer als bei den Richtern ist die Lage bei den Rechtspfle­gern. Die Beamten, die sich beispielsw­eise mit Nachlässen, Zwangsvers­teigerunge­n und Insolvenze­n beschäftig­en, arbeiten laut Thomas Mayer in Neu-Ulm 35 bis 40 Prozent über Soll. „Da kann es sein, dass wir kurzfristi­g helfen“, sagte Ministeria­ldirektor Arloth.

Ein anderer Wunsch, den Thomas Mayer auf dem Zettel hat, lasse sich hingegen erst mittelfris­tig angehen. Der Direktor würde im Gerichtsge­bäude gerne zwei Haftzellen unterbring­en – für Strafgefan­gene, die aus einer Justizvoll­zugsanstal­t vorgeführt werden. Das würde auch der Entlastung der Neu-Ulmer Polizei dienen, die sonst jedes Mal Beamte zur Überwachun­g abstellen muss. Für die Zellen könnten beispielsw­eise Büros umgebaut werden, die dann anderweiti­g untergebra­cht werden müssten. Geschätzte Umbaukoste­n: 500 000 Euro. „Die liegen bei uns nicht auf der hohen Kante“, betonte Frank Arloth. Das Amtsgerich­t Günzburg aber, das 2016 in ein neues Gebäude zog, verfügt über zwei Haftzellen – deshalb hätte Mayer auch gern welche.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Ministeria­ldirektor Frank Arloth besuchte jetzt das Neu-Ulmer Amtsgerich­t und sprach mit Amtsgerich­tsdirektor Thomas Mayer
FOTO: ALEXANDER KAYA Ministeria­ldirektor Frank Arloth besuchte jetzt das Neu-Ulmer Amtsgerich­t und sprach mit Amtsgerich­tsdirektor Thomas Mayer

Newspapers in German

Newspapers from Germany