Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wunschzettel für das Amtsgericht
Richter und Rechtspfleger in Neu-Ulm sind chronisch überlastet - Doch neue Stellen sind derzeit nicht in Aussicht – und auch die geplanten Haftzellen im Haus lassen auf sich warten
NEU-ULM - Alle 73 Amtsgerichte in Bayern klappert Ministerialdirektor Frank Arloth derzeit ab, um sich ein Bild vom Zustand der Behörden zu machen. Das Justizzentrum in der Schützenstraße in Neu-Ulm war die Nummer 59 auf seiner Tour.
Was er dort am Dienstag sah, stellte ihn durchaus zufrieden: „Ich habe ein gut funktionierendes Gericht mit einem sehr guten Arbeitsklima erlebt“, sagte der Amtschef des bayerischen Justizministeriums nach seinem Rundgang und einem Gespräch mit Amtsgerichtsdirektor Thomas Mayer. Er schränkte jedoch ein: „Aber mit einer sehr angespannten Personalsituation und beengten Räumen.“
Die Arbeitsbelastung an den Gerichten ist bayernweit sehr hoch, in Neu-Ulm allerdings überdurchschnittlich, wie sich aus der Personalbedarfsberechnung des Ministeriums ergibt. Sie liegt am Amtsgericht bei 118 Prozent, das heißt, die Neu-Ulmer Richter liegen 18 Prozent über Soll. In ganz Bayern sind es durchschnittlich zehn Prozent.
In der Dienststelle in der Schützenstraße arbeiten 14 Richter, die Zahl der Stellen beträgt 12,25. „Ein Richter fehlt im Prinzip“, räumte Frank Arloth ein. Allzu schnelle Abhilfe stellte er aber nicht in Aussicht, weil die Personalsituation in der gesamten Justiz angespannt sei. Das liege auch an neuen Aufgaben, die hinzugekommen seien, etwa der Bereich Vermögensabschöpfung.
Über ein Beispiel aus der Praxis berichtete Direktor Thomas Mayer – „Zwangsfixierungen von Leuten“. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Sommer dieses Jahres gebe es derzeit eine unklare Rechtslage. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass eine bestimmte Form der Fixierung von zwangseingewiesenen Psychiatriepatienten von einem Richter genehmigt werden muss, wenn sie länger als eine halbe Stunde dauert. Deshalb mussten die Länder einen richterlichen Bereitschaftsdienst einrichten. „Das betrifft uns massiv“, sagte Mayer.
Die Richter seien stundenlang unterwegs, teils bis tief in die Nacht. Ob sich das Urteil auch auf andere Bereiche außerhalb der öffentlich-rechtlichen Unterbringung auswirkt, ist umstritten. „Aus unserer Sicht ist der Bundesgesetzgeber gefordert“, sagte Frank Arloth.
Noch schlimmer als bei den Richtern ist die Lage bei den Rechtspflegern. Die Beamten, die sich beispielsweise mit Nachlässen, Zwangsversteigerungen und Insolvenzen beschäftigen, arbeiten laut Thomas Mayer in Neu-Ulm 35 bis 40 Prozent über Soll. „Da kann es sein, dass wir kurzfristig helfen“, sagte Ministerialdirektor Arloth.
Ein anderer Wunsch, den Thomas Mayer auf dem Zettel hat, lasse sich hingegen erst mittelfristig angehen. Der Direktor würde im Gerichtsgebäude gerne zwei Haftzellen unterbringen – für Strafgefangene, die aus einer Justizvollzugsanstalt vorgeführt werden. Das würde auch der Entlastung der Neu-Ulmer Polizei dienen, die sonst jedes Mal Beamte zur Überwachung abstellen muss. Für die Zellen könnten beispielsweise Büros umgebaut werden, die dann anderweitig untergebracht werden müssten. Geschätzte Umbaukosten: 500 000 Euro. „Die liegen bei uns nicht auf der hohen Kante“, betonte Frank Arloth. Das Amtsgericht Günzburg aber, das 2016 in ein neues Gebäude zog, verfügt über zwei Haftzellen – deshalb hätte Mayer auch gern welche.