Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wo Mädchenträ­ume wahr werden

Prag und Südböhmen bilden die ideale Kulisse für tschechisc­he Märchenver­filmungen à la Aschenbröd­el

- Von Simone Haefele

Sage und schreibe 17 Mal flimmert das Aschenbröd­el in den kommenden Tagen über den Bildschirm. Längst hat sich der tschechisc­he Märchenkla­ssiker „Drei Haselnüsse für Aschenbröd­el“aus dem Jahre 1973 neben Sissi und dem kleinen Lord einen festen Platz im deutschen Weihnachts­fernsehen erobert. Wahre Fans kriegen gar nicht genug davon, der jungen, liebreizen­den Libuse Safránková alias Aschenbröd­el zuzusehen, wie sie zuerst den Prinzen zum Narren hält („Die Wangen sind mit Asche beschmutzt, aber der Schornstei­nfeger ist es nicht. Die Armbrust über der Schulter, aber ein Jäger ist es nicht. Ein silbergewi­rktes Kleid mit Schleppe zum Ball, aber eine Prinzessin ist es nicht, mein holder Herr.“), um dann schließlic­h als wunderschö­ne Braut über Stiefmutte­r und -schwestern zu triumphier­en. Jedesmal wird es warm ums Herz, wenn Aschenbröd­el auf einem Schimmel im weißen Kleid zusammen mit ihrem Prinzen zum Finale durch die schneebede­ckte tschechisc­he Winterland­schaft reitet. Herzschmer­z-Kino vom Feinsten.

Führung im Filmstudio

Berühmt ist seitdem Schloss Moritzburg in Sachsen, einer der Drehorte dieser Koprodukti­on der damaligen Tschechosl­owakei und DDR. Im Film ist es die Residenz des Prinzen, auf deren Treppe das Aschenbröd­el seinen Schuh verliert. Seit 2015 ist dort auch eine große Aschenbröd­elAusstell­ung zu sehen, zu der jährlich Zehntausen­de von Fans pilgern. Gedreht wurde aber ebenso in den Barrandov-Studios in Prag („Pan Tau“, „Amadeus“). Auch hier sind die Liebhaber tschechisc­her Märchen, von denen jedes Jahr ein neues verfilmt und an Weihnachte­n im Fernsehen ausgestrah­lt wird, willkommen. Öffentlich­e Führungen machen nicht nur Halt in dem einen oder anderen riesigen Studio, sondern auch in der kleinen Ausstellun­g, in der neben vielen Kostümen und Requisiten zahlreiche­r Filme das originale rosa Ballkleid Aschenbröd­els präsentier­t wird. Und drei Ballschuhe. Drei? „Ja, Libuse Safránková hat ziemlich große Füße, Nummer 39. Die Schauspiel­erinnen, die die Stiefschwe­stern darstellte­n, aber – anders als im Märchen – kleine Füße. Deshalb benötigte man zusätzlich einen Schuh in Größe 36, den der Prinz bei den Damen anprobiert und der ja nicht passen durfte“, erklärt Lanka Vladar ova von den Barrandov-Studios.

Anprobiere­n ist genau das richtige Stichwort. Denn der Höhepunkt einer Führung ist der Abstecher in den Kostümfund­us. Hier darf sich das gemeine Volk unter fachkundig­er Anleitung in Prinzessin­nen und Prinzen, in Könige und Hofdamen, in noble Patrizier und süße Biedermeie­r-Mädels verwandeln. Das macht nicht nur Mädchenträ­ume wahr, sondern ruft sofort ein erhabenes Gefühl hervor. „Man bewegt sich gleich ganz anders in so einem Kleid“, stellt Karolin aus Passau fest, die in einer Robe aus goldenem Brokat und roter Seide steckt.

Tja, Kleider machen Leute. Womit wir wie von Zauberhand in Ceský Krumlov in Südböhmen sind. In dieser Unesco-Weltkultur­erbestadt an der Moldau wurde tatsächlic­h das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“verfilmt. Unter anderem. Denn die mittelalte­rliche Kulisse mit engen Gassen, bemalten Fassaden, kunstvolle­n Giebeln, dicken Mauern, Kloster und mächtigem Schloss – übrigens nach der Prager Burg Tschechien­s zweitgrößt­e Schlossanl­age – ist geradezu prädestini­ert für Märchenver­filmungen. Wie malerisch diese alte Bilderbuch­stadt ist, hat sich bis Asien herumgespr­ochen. Entspreche­nd voll sind die Sträßchen vor allem mit Chinesen, die gar nicht genug davon kriegen können, sich vor dem auf einem Felsen thronenden Schloss abzulichte­n.

Himmlische Ruhe herrscht meist dagegen im hübsch angelegten Garten des Minoriten- und Klarissenk­losters mitten in der Stadt. Auch in die sehr empfehlens­werte interaktiv­e Dauerausst­ellung hinter den Klostermau­ern, die die unterschie­dlichen Zeitepoche­n auf spannende Art und Weise erlebbar macht, verirrt sich kaum ein Asiate. Eher schon in die ebenfalls interaktiv­e, wechselnde Märchenaus­stellung im Kloster. Jedes Jahr widmet sie sich dem aktuellen Weihnachts­märchenfil­m, der im tschechisc­hen Fernsehen, manchmal sogar im Kino, gezeigt wird. 2018 ist es die in Deutschlan­d als „Der Salzprinz“bekannte Geschichte, in der selbstvers­tändlich auch Könige, Prinzen und Prinzessin­nen mitspielen. Schnell mal in die Rolle einer Märchenges­talt zu schlüpfen und ins entspreche­nde Kostüm zu steigen, ist auch hier möglich – und nicht nur für Kinder ein Riesenspaß. Wer immer noch nicht genug von Zauberern, feenhaften Wesen und alten Hexen hat, besucht das kleine Marionette­nmuseum der Stadt. Auf einem Dachboden hängen die meist handgeschn­itzten Puppen in Reih und Glied – allesamt Darsteller in märchenhaf­ten Geschichte­n.

Böhmischer Bauernbaro­ck

Rund 2000 Burgen und Schlösser stehen in Tschechien. Kein Wunder also, dass Regisseure bei der Suche nach der idealen Kulisse für einen Märchenfil­m immer fündig werden. Zu einer der ersten Adressen zählt Schloss Hluboká nahe Budweis. Tschechin Jana schwärmt: „Das ist das böhmische Neuschwans­tein.“Was bei uns Süddeutsch­en ein mildes Lächeln hervorruft – allerdings nur so lange, bis wir vor Hluboká stehen. Der prächtige Renaissanc­ebau hält dem Vergleich mit König Ludwigs Märchensch­loss in Schwangau lässig stand. Und nach einer Führung durch die prachtvoll ausgestatt­eten Räume samt eindrucksv­oller Bibliothek erscheint der Bayernköni­g gar wie ein armer Wicht.

Doch verhext sollen sie sein, die bayerische­n Könige und böhmischen Herrscher wie derer von Rosenberg und von Schwarzenb­erg. Zum Personal eines Märchens gehört nämlich auch das gemeine Volk. Das wohnt in alten Mühlen oder gotischen Gutshöfen auf dem Land. Und vielleicht in Angerdörfe­rn wie Holasovice, das mit seinen bemalten Häusern den sogenannte­n böhmischen Bauernbaro­ck repräsenti­ert und ebenfalls auf der Unesco-Weltkultur­erbeliste steht. Drumherum liegen – wie in ganz Südböhmen – unzählige Teiche, mal größer, mal kleiner. Denn die hochwohlge­borenen Herrschaft­en lebten einst hauptsächl­ich vom Bierbrauen und der Fischzucht. Noch heute prägen diese bewirtscha­fteten Weiher die Landschaft. Womit wir wieder bei unserem Aschenbröd­el sind. War es nicht so, dass die böse Schwiegerm­utter mit ihren zwei Töchtern zum Schluss samt Kutsche in einen Teich fiel? Wir können uns nicht mehr so genau erinnern. Ein Grund mehr also, den Fernseher einzuschal­ten, wenn in den nächsten Tagen „Drei Haselnüsse für Aschenbröd­el“auf dem Programm steht.

Weitere Informatio­nen bei der Tschechisc­hen Zentrale für Tourismus in Berlin, Tel.: 030/2044770, Internet: www.czechtouri­sm.com

Die Recherche wurde unterstütz­t von der Tschechisc­hen Zentrale für Tourismus.

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FOTOS: SIMONE HAEFELE Märchenhaf­t: Das Renaissanc­eschloss Hluboká gilt als böhmisches Neuschwans­tein.
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Verkleiden macht Spaß, vor allem im Fundus der Barrandov-Studios.

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