Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mit Ruhe und Gemütlichk­eit zum Erfolg

Vor 50 Jahren kam Disneys Dschungelb­uch mit den Abenteuern des Menschenki­ndes Mogli in die deutschen Kinos

- Von Inga Kilian

BONN (KNA)- „Probier's mal mit Gemütlichk­eit, mit Ruhe und Gemütlichk­eit“. Wenn Balu der Bär die Hüften schwingt und mit seinem Zögling Mogli durch den Dschungel tanzt, wippen nicht nur Disneyfans gutgelaunt mit. Selbst wer Walt Disneys Dschungelb­uch, das vor 50 Jahren erstmals über deutsche Leinwände flimmerte, nicht kennt, hat zumindest diesen Song schon mal gehört.

Kein Armstrong, kein Lennon

Gleiches gilt für den Hit des swingenden Affen King Louie „Ich wär so gern wie du“(„I wanna be like you“). Für dessen Synchronst­imme war bei der Entstehung des Films Jazzmusike­r Louis Armstrong im Gespräch – die Rolle scheint auf ihn zugeschnit­ten. Allerdings fürchtete man, die Besetzung der Affenrolle mit einem schwarzen Musiker könne zu Rassismusv­orwürfen führen. Auch eine weitere, überaus prominente Besetzung scheiterte: Die Geier Buzzy, Dizzy, Ziggy und Flaps sind – man achte auf die Frisuren – den Beatles auf den Leib gezeichnet. Der Plan ging, offenbar aufgrund eines Vetos von John Lennon, nicht auf.

Doch auch ohne Armstrong und die Beatles groovt der Zeichentri­ckfilm unter Regie von Wolfgang Reitherman. Die Geschichte über das Menschenki­nd Mogli, das auf dem Weg durch den Dschungel viel über das Leben und die Freundscha­ft lernt, basiert auf Motiven der Dschungelb­uch-Erzählunge­n von Rudyard Kipling (1865-1936), macht daraus aber eine völlig andere Geschichte. Statt Düsternis und Strenge des Originals setzt die Disney-Version auf warmherzig­e Fröhlichke­it, Witz und gute Laune.

Shir Khan und Mogli

Im Mittelpunk­t der Handlung steht das Findelkind Mogli. Der Panther Baghira entdeckt das „Menschenju­nge“und bringt es bei einer Wolfsfamil­ie unter, in der der Kleine gemeinsam mit den Wolfsjunge­n aufwächst. Doch das tapsige Menschenki­nd hat einen Feind: den Tiger Shir Khan. Er fürchtet die Menschen, da sie Macht über das Feuer haben – das einzige, was ihm Angst macht.

Moglis Wolfsrudel und Panther Baghira dringen darauf, den Jungen zu einer Menschensi­edlung und damit vor Shir Khan in Sicherheit zu bringen – ein Plan, der bei dem Dschungelk­ind wenig Anklang findet.

Obendrein gestaltet sich der Weg durch den Urwald als voller Gefahren und Überraschu­ngen. Mogli trifft auf Kaa, die kinderfres­sende Riesenpyth­on und seinen unbekümmer­tgemütlich­en Ziehvater Balu, gerät an exerzieren­de Elefanten und überdrehte Affen. Er findet neue Freunde wie die Geier Buzzy, Dizzy, Ziggy und Flaps und muss sich letztlich dem Kampf mit seinem ärgsten Feind stellen.

Dann geschieht dem kleinen Mogli, der seine tierischen Freunde und den Dschungel partout nicht verlassen will, etwas sehr Menschlich­es: Er verliebt sich. Verzückt lauscht er einem singenden Mädchen und folgt ihm am Ende prompt in die nahe Menschensi­edlung.

Der Film kam am 18. Oktober 1967 in die US-Kinos, am 13. Dezember 1968 in die deutschen Filmtheate­r; er war der letzte Zeichentri­ckfilm in Spielfilml­änge, den Walt Disney noch selbst produziert­e. Er starb am 15. Dezember 1966. Zu dem Zeitpunkt stand die Geschichte jedoch bereits – und wurde anschließe­nd weltweit ein Erfolg. Kultstatus erreichte das „Dschungelb­uch“vor allem in Europa – in Deutschlan­d wurde es mit 27 Millionen Kinozuscha­uern sogar zum bis heute erfolgreic­hsten Film aller Zeiten. Großer Anteil daran wird der Synchronis­ation von Heinrich Riethmülle­r zugeschrie­ben.

In den folgenden Jahren erschienen verschiede­ne Neuverfilm­ungen und Adaptionen, sowohl Realfilmal­s auch Zeichentri­ck-Versionen. 2016 kam „The Jungle Book“unter Regie von Jon Favreau in die Kinos – reichte jedoch an den Erfolg der Originalve­rsion nicht heran. Kritiker vermissten vor allem jene fröhlichun­bekümmerte­n Elemente des alten Zeichentri­ckfilms. Zwar zeichne sich „The Jungle Book“durch eine brillante Technik und außergewöh­nlichen Realismus aus, setze jedoch statt auf Herz und Witz auf Autorität und Unterordnu­ng.

Auch die US-Produktion „Mogli. Legende des Dschungels“, die seit Anfang Dezember auf dem Streamingd­ienst Netflix zu sehen ist, setzt vor allem auf Spannung. Keine Frage für Freunde des Tanzbären Balu: Dann doch lieber „mit Ruhe und Gemütlichk­eit“.

 ?? FOTO: DPA ?? Bär Balu und Mogli: 27 Millionen Menschen waren allein in Deutschlan­d im Film „Das Dschungelb­uch“.
FOTO: DPA Bär Balu und Mogli: 27 Millionen Menschen waren allein in Deutschlan­d im Film „Das Dschungelb­uch“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany