Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Einwohnerschaft entscheidet: Wohin soll es gehen?
Wains Bürgermeister über Feiern, Bürgerbeteiligung und Entwicklungen sowie Herausforderungen der Zukunft
Wie war das Jahr 2018 in Wain, was bewegt die Gemeinde, was kommt auf die Einwohner zu? Darüber hat SZ-Redakteur Axel Pries mit Bürgermeister Stephan Mantz gesprochen.
Frage: Wain ist eine der kleinen Gemeinden in der Region. Worin liegen eigentlich Vor- und Nachteile, in so einer kleinen Gemeinde zu leben?
Mantz: Ein Vorteil ist das wahnsinnig gut funktionierende Vereinsleben. Man kennt sich, man hilft sich untereinander. Das Zwischenmenschliche hier ist sehr gut, und das macht die Gemeinde so lebenswert. Man lebt ruhig hier, idyllisch in der Nähe der Natur, und die Arbeitsplätze sind gut erreichbar. Die dünne ÖPNV-Anbindung ist ein Nachteil. Wir sind hier abends abgeschnitten. Das Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene ist abends und nachts eher gering.
Was waren für Sie die bemerkenswertesten Ereignisse und Entwicklungen in Wain 2018?
Zum einen das Feuerwehrfest, an dem der ganze Ort wieder mitgewirkt hat. Die Partner aus Arriach waren da, das war toll. Wir haben auch mehrere wichtige Dinge entschieden. Ein ganz großes Thema war etwa die Schulsanierung. Wichtig ist auch das Gemeindeentwicklungskonzept. Da wird einfach mal alles auf Null gesetzt, und wir fragen die Bevölkerung: Wo wollen wir denn hin mit der Gemeinde? Wie soll die Gemeinde in 15, 20 Jahren aussehen? Wir haben Fragebögen für jeden Haushalt verteilt.
Haben Sie da auch Rückläufe bekommen?
Nicht bei mir. Wir haben ein FachbüIP-Telefonie ro damit beauftragt, da ist man gerade bei der Auswertung. Wir hatten einen Rücklauf von 46 Prozent. Das ist ein super Wert! Das Büro hat auch gesagt: So einen hohen Wert hatten sie noch nie. Ich freue mich wahnsinnig auf die Auswertung. Im Februar gibt es dazu eine Klausurtagung im Gemeinderat und dann eine öffentliche Veranstaltung für die Bürger. Das ist ein Meilenstein für Wain, auf den ich mich schon freue – auch auf die Umsetzung. Es können natürlich keine Wolkenschlösser gebaut werden, wir müssen an den finanziellen Rahmen denken.
Fürchten Sie Überraschungen?
Nein, das glaube ich nicht. Ich bin jetzt dreieinhalb Jahre da, habe viele, viele Gespräche geführt, und ich glaube schon zu spüren, wo es die Bürger drückt. Aber dann ist breiter aufgestellt, was wir machen. Das ist der Zeitgeist: Die Bevölkerung muss mit einbezogen werden.
Ich wette, ein Schlüsselwort in den Antworten ist ’Digitalisierung’, sprich die Breitbandversorgung. Wie weit ist Wain da?
Ich denke, wir sind heute gut aufgestellt und weiter als viele Gemeinden. Wir haben das FTTC-Netz flächendeckend, und wir sind am Planen, wie wir das FTTB-Netz ausbauen. In der Schublade haben wir einen fertigen Plan, wie der FTTB-Ausbau in Wain aussieht, und überall, wo dann der Bagger mal gräbt, werden wir das FTTB-Netz mit verlegen.
Wie profitiert die Gemeinde von der guten Breitbandanbindung? Bürger, Gemeinschaft, Unternehmen?
Das Glasfasernetz ist das Medium der Zukunft. Mal abgesehen von den Streamingdiensten sowie IP-TV und wird das Glasfaserkabel vor allem den Gesundheitsbereich und die Mobilität revolutionieren. Es gibt medizinische Geschichten, die über das Breitbandnetz funktionieren. Das gibt es in anderen Kommunen schon so, wo man nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt geht, sondern wichtige Körperwerte über moderne Sensorik digital zum Arzt übersendet. Auch die Vision vom autonomen fahren ist ohne ein Glasfaserkabel nicht umsetzbar. Letztendlich snd auch die Firmen darauf angewiesen, um immer größer werdende Datenmengen zu senden.
Könnten Sie sich dabei vorstellen, dass Wain auch ein günstiger Standort für IT-affine Unternehmen werden könnte?
Ja! Das ist der Fall! Wir haben Glasfaser im Ort, und jeder Unternehmer, der Glasfaser möchte, kann das bekommen.
Anderes Thema für eine ländliche Gemeinde: die ÖPNV-Anbindung. Sind Sie zufrieden mit dem ÖPNVAngebot in Wain?
Man hat Wünsche und Anforderungen, nach denen es besser sein könnte. Natürlich: Das ÖPNV-Netz könnte hier besser sein. Aber irgendjemand muss das ja auch bezahlen. Da hat der Kreis eine Vorgabe: Wenn ein Bus von mehr als elf Personen abgerufen werden würde, dann richtet man eine Linie ein. Aber die elf Leute haben wir hier nicht. Deshalb verstehe ich den Landkreis, dass er wegen einer oder zwei Personen keinen Bus fahren lässt. Sie fragen nach Zufriedenheit: Ich muss zufrieden sein unter den finanziellen Voraussetzungen. Vielleicht muss man in Zukunft an andere Konzepte denken. Statt eines großen Busses fährt ein kleiner, der über eine Rufbereitschaft angefordert wird.
Sie probieren ja auch gerade etwas anderes: das Carsharing, genauer, das e-Carsharing. Welchen Stellenwert hat das für Sie? Wird das der ÖPNV der Zukunft? Wird das Modell das Privatauto ersetzen?
Ich glaube, das Erstauto wird es nicht ersetzen, aber das Zweitauto. Fast jede Familie hat ja ein Zweitauto, und ich denke, über das Carsharing kann man auf das zweite Auto verzichten. Und wenn das Ganze dann noch ökologisch ist wie mit dem E-Auto, dann ist das eine gute Geschichte. Wir haben Wert darauf gelegt, dass der Strom aus regenerativer Energie kommt. Dieses Konzept ist durchaus eine Alternative für die Bevölkerung.
Die Gemeinde hat jetzt zwei Jahre gute Haushalte gehabt, und nun kommt die Doppik. Dann können Sie wieder froh sein über eine schwarze Null.
Wahrscheinlich, ja.
Finden Sie die doppische Haushaltsführung sinnvoll? Worauf wird das hinauslaufen? Wie wird sich das für die Bürger auswirken?
Das Thema ist schwer zu beantworten und wird in Fachkreisen heiß diskutiert. Man stellt uns Kommunen immer so dar, als hätten wir ein paar Hundert Jahre lang simpel gehaushaltet, als hätten wir nur auf Pump gelebt, und erst die Doppik berücksichtigt Wertverluste. Man stellt hier die Kommunen in ein schlechtes Licht. Wir haben sehr wohl Dinge abgeschrieben und bewertet – da wo es notwendig war. Die Turnhalle zum Beispiel oder unsere Kläranlage: Wo wir Gebühren erheben, haben wir das eh gemacht. In anderen Bereichen nicht, weil das keine Rolle spielt. Wir haben aus meiner Sicht sehr effizient gearbeitet. Nun müssen wir die doppische Haushaltsführung einführen, und das ist ein wahnsinniger Aufwand für uns. Für die Bürger kann ich dadurch keinen Mehrwert erkennen.
Kommen denn vielleicht neue Gebühren auf die Bürger zu, weil die Haushalte betriebswirtschaftlich kalkuliert werden?
Das machen wir ja eh schon in den Bereichen wo es Sinn macht. Wir haben den Friedhof durchkalkuliert, die Kläranlage kalkuliert, den Wasserbereich: Da haben wir auch Abschreibungen drin. Da zeichnen sich keine Veränderungen ab. Was sein kann: Wenn wir früher dachten, wir haben 100 000 oder 200 000 Euro freie Mittel zur Verfügung, dann werden davon durch die Doppik vielleicht 60 000 Euro durch Abschreibungen weggevespert.
Das heißt auf Deutsch: Die Gemeinde kann weniger investieren.
Ganz so dramatisch sehe ich das derzeit noch nicht. Die Abschreibungen welche unsere freien Mittel reduzieren, stehen ja für künftige Ersatzbeschaffungen zur Verfügung oder können dafür verwendet werden um dem Werteverzehr entgegen zu wirken.
Was haben Sie sich für 2019 besonders vorgenommen?
Wir sind jetzt endlich dabei, das Baugebiet Brühl II aufzusetzen. Da waren in den letzten beiden Jahren viele Dinge abzuarbeiten. Ein weiteres Großprojekt wird sein, dass wir die komplette Hörenhauser Straße ausbauen, sofern die Zuschüsse kommen. Mit Erneuerung der Wasserleitung, mit Gehweg, weil die Straße verkehrstechnisch schwierig ist. Da sind die Anträge gestellt. Das ist ein tolles Projekt, ein Großprojekt. Und das Gemeindeentwicklungsprojekt muss natürlich umgesetzt werden. Das ist denn das dritte Großprojekt für 2019, auf das ich mich sehr freue.