Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bei dieser Auktion kann jeder gewinnen

Zweimal im Jahr wird alles versteiger­t, was keiner im Ulmer Fundbüro abgeholt hat

- Von Sandra Lohrmann

ULM - „Die Rucksäcke sind so hässlich, die klaut Ihnen keiner. Drei Stück für einen Euro, wer bietet einen Euro?“, fragt Bernd Knöfelt und blickt auffordern­d in die Runde. Er ist ganz in seinem Element. Obwohl Knöfelt schon längst im Ruhestand ist, lässt er es sich nicht nehmen, zweimal im Jahr in die Rolle des Auktionato­rs zu schlüpfen.

In dem Keller in der Ulmer Sattlergas­se sind trotz der Kälte fast alle Stühle besetzt. Viele Besucher nutzen die Zeit vor der Versteiger­ung, um die Fundgegens­tände genau unter die Lupe zu nehmen. Einige haben sogar Stift und Block dabei, um sich ihre Entdeckung­en zu notieren.

Besonders großer Andrang herrscht vor dem kleinen Tisch, auf dem es in einer Holzkiste glitzert und funkelt. Ketten, Armbänder und Ohrringe sind mit Nummern gekennzeic­hnet. „Manche haben ihre Waage dabei und wiegen die Schmuckstü­cke ab“, berichtet Knöfelt.

Ein Jahr lang werden Fundgegens­tände aufbewahrt, danach dürfen die vergessene­n Stücke versteiger­t werden. Allerdings ohne Inhalt, die Auktion ist nicht mit einer Koffervers­teigerung am Flughafen zu vergleiche­n. „Aus Datenschut­zgründen gibt es die Sachen bei uns nur leer. Dokumente könnten Namen oder Adressen enthalten“, sagt Edith Fischer.

Platz schaffen

Die Leiterin des Ulmer Fundbüros erklärt, dass es vor allem darum geht, Platz für zukünftige Fundstücke zu schaffen. Oft lagern so viele Mützen, Handschuhe und Schals in den Räumen der Stadt, dass aus zeitlichen Gründen gar nicht alles versteiger­t werden kann.

Schon jetzt werden Rucksäcke und Geldbeutel im Dreier- oder Viererpack angeboten. Manches wird schon vorher an soziale Institutio­nen wie die Tafel oder die Bahnhofsmi­ssion gespendet.

Bernd Knöfelt hat gerade die letzten drei Rucksäcke an den Mann gebracht – beziehungs­weise an die Frau. Für zwei Euro. Auch, wenn ein anderer Herr mehr geboten hat. Aber bei dem Auktionato­r bekommt nicht immer der Meistbiete­nde den Zuschlag. „Die meisten Leute, die hierher kommen, sind nicht reich. Bevor einer den anderen alles wegschnapp­t, greife ich ein“, erklärt er. So werden Geldbeutel, Taschen und Musik-CDs gerecht unter den Bietern aufgeteilt. Bis der Schmuck an der Reihe ist.

Als Knöfelt eine lange Goldkette mit einem breiten, kreisrunde­n Anhänger in die Höhe hält, kippt die Stimmung merklich. Zwei Männer, beide in dunkler Jacke mit Stehkragen, die bisher fast im Publikum untergegan­gen sind, heben die Hand. „300, 310, 320 … ach komm, ihr seid doch verrückt“, sagt Knöfelt und zeigt vom einem zum anderen.

Der Preis schießt scheinbar unaufhörli­ch in die Höhe. Schließlic­h gibt einer der Mann sichtlich genervt klein bei. Der Auktionato­r stoppt bei 435 Euro. Das teuerste Stück an diesem Nachmittag geht an einen Mann mit grauem Wollschal. Aber damit ist noch lange nicht Schluss, am Ende bezahlt er knapp 800 Euro für den Schmuck, den er ersteigert hat.

Offiziell sind die Schätze für Frau und Tochter gedacht. Aber Knöfelt widerspric­ht. „Der Herr kommt schon seit Jahren hierher, immer extra zur Auktion. Ich denke, er ist ein profession­eller Händler“, sagt der Hobby-Auktionato­r.

Was übrig bleibt, wird an Besucher verschenkt. Diesmal sind es vor allem Regenschir­me. Manchmal sind aber auch verrückte Sachen dabei. Ein Gebiss zum Beispiel. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Fundbüro-Chefin Edith Fischer schmunzeln­d.

Wunderheil­ungen im Bus?

Mitarbeite­r des öffentlich­en Nahverkehr­s haben ihr schon Rollatoren, Krücken und andere Gehhilfen ins Büro gebracht. „In der Bahn scheinen oft wundersame Heilungen stattzufin­den. Die Leute steigen krank bei der einen Haltestell­e ein und gesund an der nächsten wieder aus“, sagt sie lachend.

 ?? OTO: ANDREAS BRÜCKEN ?? Seit 40 Jahren versteiger­t Hobby-Auktionato­r Bernd Knöfelt Fundsachen in Ulm. Gerechtigk­eit ist ihm wichtig: Es soll nicht ein Bieter alles ersteigern. Im Zweifel greift Knöfelt ein und gibt jemand anderem den Zuschlag.
OTO: ANDREAS BRÜCKEN Seit 40 Jahren versteiger­t Hobby-Auktionato­r Bernd Knöfelt Fundsachen in Ulm. Gerechtigk­eit ist ihm wichtig: Es soll nicht ein Bieter alles ersteigern. Im Zweifel greift Knöfelt ein und gibt jemand anderem den Zuschlag.

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