Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bei dieser Auktion kann jeder gewinnen
Zweimal im Jahr wird alles versteigert, was keiner im Ulmer Fundbüro abgeholt hat
ULM - „Die Rucksäcke sind so hässlich, die klaut Ihnen keiner. Drei Stück für einen Euro, wer bietet einen Euro?“, fragt Bernd Knöfelt und blickt auffordernd in die Runde. Er ist ganz in seinem Element. Obwohl Knöfelt schon längst im Ruhestand ist, lässt er es sich nicht nehmen, zweimal im Jahr in die Rolle des Auktionators zu schlüpfen.
In dem Keller in der Ulmer Sattlergasse sind trotz der Kälte fast alle Stühle besetzt. Viele Besucher nutzen die Zeit vor der Versteigerung, um die Fundgegenstände genau unter die Lupe zu nehmen. Einige haben sogar Stift und Block dabei, um sich ihre Entdeckungen zu notieren.
Besonders großer Andrang herrscht vor dem kleinen Tisch, auf dem es in einer Holzkiste glitzert und funkelt. Ketten, Armbänder und Ohrringe sind mit Nummern gekennzeichnet. „Manche haben ihre Waage dabei und wiegen die Schmuckstücke ab“, berichtet Knöfelt.
Ein Jahr lang werden Fundgegenstände aufbewahrt, danach dürfen die vergessenen Stücke versteigert werden. Allerdings ohne Inhalt, die Auktion ist nicht mit einer Kofferversteigerung am Flughafen zu vergleichen. „Aus Datenschutzgründen gibt es die Sachen bei uns nur leer. Dokumente könnten Namen oder Adressen enthalten“, sagt Edith Fischer.
Platz schaffen
Die Leiterin des Ulmer Fundbüros erklärt, dass es vor allem darum geht, Platz für zukünftige Fundstücke zu schaffen. Oft lagern so viele Mützen, Handschuhe und Schals in den Räumen der Stadt, dass aus zeitlichen Gründen gar nicht alles versteigert werden kann.
Schon jetzt werden Rucksäcke und Geldbeutel im Dreier- oder Viererpack angeboten. Manches wird schon vorher an soziale Institutionen wie die Tafel oder die Bahnhofsmission gespendet.
Bernd Knöfelt hat gerade die letzten drei Rucksäcke an den Mann gebracht – beziehungsweise an die Frau. Für zwei Euro. Auch, wenn ein anderer Herr mehr geboten hat. Aber bei dem Auktionator bekommt nicht immer der Meistbietende den Zuschlag. „Die meisten Leute, die hierher kommen, sind nicht reich. Bevor einer den anderen alles wegschnappt, greife ich ein“, erklärt er. So werden Geldbeutel, Taschen und Musik-CDs gerecht unter den Bietern aufgeteilt. Bis der Schmuck an der Reihe ist.
Als Knöfelt eine lange Goldkette mit einem breiten, kreisrunden Anhänger in die Höhe hält, kippt die Stimmung merklich. Zwei Männer, beide in dunkler Jacke mit Stehkragen, die bisher fast im Publikum untergegangen sind, heben die Hand. „300, 310, 320 … ach komm, ihr seid doch verrückt“, sagt Knöfelt und zeigt vom einem zum anderen.
Der Preis schießt scheinbar unaufhörlich in die Höhe. Schließlich gibt einer der Mann sichtlich genervt klein bei. Der Auktionator stoppt bei 435 Euro. Das teuerste Stück an diesem Nachmittag geht an einen Mann mit grauem Wollschal. Aber damit ist noch lange nicht Schluss, am Ende bezahlt er knapp 800 Euro für den Schmuck, den er ersteigert hat.
Offiziell sind die Schätze für Frau und Tochter gedacht. Aber Knöfelt widerspricht. „Der Herr kommt schon seit Jahren hierher, immer extra zur Auktion. Ich denke, er ist ein professioneller Händler“, sagt der Hobby-Auktionator.
Was übrig bleibt, wird an Besucher verschenkt. Diesmal sind es vor allem Regenschirme. Manchmal sind aber auch verrückte Sachen dabei. Ein Gebiss zum Beispiel. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Fundbüro-Chefin Edith Fischer schmunzelnd.
Wunderheilungen im Bus?
Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs haben ihr schon Rollatoren, Krücken und andere Gehhilfen ins Büro gebracht. „In der Bahn scheinen oft wundersame Heilungen stattzufinden. Die Leute steigen krank bei der einen Haltestelle ein und gesund an der nächsten wieder aus“, sagt sie lachend.