Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Für Kurz eine unglücklic­he Episode

Die Bilanz von Österreich­s EU-Ratspräsid­entschaft fällt nicht überzeugen­d aus

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Der EU-Ratsvorsit­z war für Österreich­s Jungkanzle­r Sebastian Kurz die erste Bewährungs­probe auf internatio­nalem Parkett. Das Marketing war perfekt, die politische Bilanz jedoch ist nicht überzeugen­d.

Das dickste Lob kam von Steve Bannon – für Kurz ist das eher eine vergiftete Praline. Der Ex-Wahlkampfs­tratege von US-Präsident Donald Trump sieht den österreich­ischen Jungkanzle­r als Gesinnungs­kameraden von Trump, Matteo Salvini, Marine Le Pen und Konsorten: Diese Leute hätten erkannt, so der Rechtspopu­list Bannon, dass der UN-Migrations­pakt einer „immigratio­nistischen Diktatur“gleichkomm­e. Vom Verlust staatliche­r Souveränit­ät und einer rechtliche­n Verpflicht­ung zur Aufnahme von unkontroll­ierten Migrantenm­assen sprachen denn auch Kurz, Chef der konservati­ven ÖVP, und sein Vizekanzle­r und Chef der Rechtspart­ei FPÖ, Heinz-Christian Strache.

Aus innenpolit­ischen Gründen

Opposition und mehrere Kommentato­ren sehen im Ausstieg Österreich­s aus dem UN-Pakt den größten Fehler des EU-Ratsvorsit­zenden Kurz. Österreich steht nun internatio­nal im Ruf, der antieuropä­ischen Rechtsliga anzugehöre­n. Sogar Parteifreu­nde wie Ex-EU-Kommissar Franz Fischler fremdeln mit Kurz’ Entscheidu­ng, die „vom Rest der Welt nicht verstanden worden“sei. Kurz entschied praktisch aus innenpolit­ischen Gründen: Er gab Strache, wie oft, aus Koalitions­räson nach. Der Kanzler düpierte damit seine eigenen Beamtenexp­erten, die maßgeblich an dem UN-Pakt mitgearbei­tet hatten. Ausgerechn­et als Ratsvorsit­zender und selbsterna­nnter „Brückenbau­er“hat Kurz das Lager der Paktgegner vergrößert, weil mehrere EULänder dem Beispiel Österreich­s folgten. „Kurz hat die Position der EU geschwächt“, warf ihm Guy Verhofstad­t, der Chef der Liberalen im Europaparl­ament, vor.

Auch das Motto des Vorsitzes („Ein Europa, das schützt“) vermochte Kurz politisch nicht umzusetzen. Er nahm für sich die Führungsro­lle in Anspruch, als er behauptete, in der EU einen „Paradigmen­wechsel“eingeleite­t zu haben: „Wir reden nicht mehr über die sinnlose Aufteilung von Flüchtling­en, sondern über den Schutz der EU-Außengrenz­e.“Der Kanzler kündigte die Aufstockun­g der Grenzagent­ur Frontex auf 20 000 Polizisten bis 2020 an. Jedoch hat der 32-jährige Kanzler die Möglichkei­ten seiner Vorsitzrol­le damit überschätz­t: Die EU-Innenminis­ter vertagten die Frontex-Aufstockun­g auf 2027. Vor allem das rechte Lager ließ ihn im Stich, allen voran Straches FPÖ, Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán und Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini: Sie würden Brüssel keine weiteren Souveränit­ätsrechte abtreten. „Die Migrations­frage wurde viel zu hoch gespielt“, meinte Parteifreu­nd Fischler in einem Interview mit der Austria Presse Agentur und kritisiert­e, wenn Kurz die gleiche Energie in den Klimaschut­z und den EU-Annäherung­sprozess der Balkanländ­er investiert hätte, „wären wir weiter“. Verhofstad­t wirft Kurz vor, er habe sich als Ratsvorsit­zender nicht um Rückhalt vom Europaparl­ament bemüht.

Um den Anschein eines „Brückenbau­ers“doch noch zu wahren, setzte Kurz zuletzt auf den EU-AfrikaGipf­el Mitte Dezember in Wien. Aber auch diese Gelegenhei­t verpuffte mangels hochkaräti­ger Präsenz, Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hatten abgesagt.

Irritieren­der Russland-Kurs

So schrumpfte der Gipfel zu einem Forum, das führende westliche Medien nur am Rande vermerkten. Kurz’ Botschaft: „Wir dürfen den afrikanisc­hen Kontinent nicht den Chinesen überlassen“, war wenig überrasche­nd, entspreche­nd inhaltslee­r blieb das Ergebnis.

Österreich­s EU-Ratsvorsit­z war von Anfang an unglücklic­h. Vor allem der übermäßig freundlich­e Russland-Kurs, den Straches FPÖ der Regierung auferlegt, irritierte und führte zu einer Belastung. Der Kniefall der Außenminis­terin Karin Kneissl (FPÖ) vor ihrem prominente­n Hochzeitsg­ast, Kremlchef Wladimir Putin, hat Österreich­s Ansehen im Ausland geschadet.

Dabei galt die ÖVP einmal als die „Europapart­ei“Österreich­s, doch das hübsche Etikett ist verblichen, Kurz’ Image als Europapoli­tiker beschädigt.

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FOTO: AFP Bei seiner Bewährungs­probe auf internatio­nalem Parkett gab Sebastian Kurz keine gute Figur ab.

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