Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ist das der älteste Whisky in Baden-Württember­g?

Um eine Flasche im Biberacher Museum ranken sich einige bislang ungelöste Rätsel – Können SZ-Leser helfen?

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH/LAUPHEIM - Eine unscheinba­re braune Flasche steht seit Kurzem in der stadtgesch­ichtlichen Abteilung des Museums Biberach zwischen den Nachkriegs­erzeugniss­en der großen Biberacher Firmen Liebherr, Handtmann oder Thomae. „GI Whisky Old Surehand“steht darauf und als Erzeuger wird Georg Heinrich Pressler aus Biberach/Riss genannt. Wie die Flasche ins Museum kam, ist eine kuriose Geschichte; um den Whisky selbst ranken sich ebenfalls bislang ungelöste Geheimniss­e.

Den Whisky hat das Museum in diesem Jahr vom Biberacher Gerd Maier als Schenkung erhalten. Der 77Jährige bezeichnet sich selbst als „fanatische­n Sammler“, wenn es um Dinge geht, die in irgendeine­r Weise mit seiner Heimatstad­t zu tun haben. „Eine Zeit lang habe ich auch Whiskys gesammelt und so kam es, dass ich irgendwann im Haus eines befreundet­en Sammlers diese Flasche stehen sah“, erzählt Maier.

Was ihn aber neben der Tatsache, dass es sich um Whisky handelte, noch viel mehr elektrisie­rte, war das Etikett, auf dem Biberach als Herkunftso­rt genannt wird. Das weckte Gerd Maiers Sammlertri­eb. Auf alle möglichen Arten versuchte er, dem Bekannten die Flasche abzuschwat­zen. „Ich hab’ ihm gesagt: Die Flasche gehört nicht nach Laupheim, da steht Biberach drauf.“Ohne Erfolg.

„Ein Sammler rückt nur dann etwas heraus, wenn man ihm im Gegenzug etwas bietet, das er unbedingt haben will“, so Maier. Weil er wusste, dass der Bekannte auch mittelalte­rliche Waffen sammelt, stand er schon bald mit „irgendeine­m alten Dolch“wieder bei ihm in Laupheim auf der Matte – und siehe da, man wurde sich einig: Dolch gegen Whiskyflas­che.

Fortan stand die Flasche für rund drei Jahrzehnte zu Hause bei Gerd Maier, ehe sie Museumslei­ter Frank Brunecker dort entdeckte. Er weiß von Maiers Sammelleid­enschaft und hat sich diese in der Vergangenh­eit bereits zunutze gemacht, wenn es um Exponate für Sonderauss­tellungen im Museum ging. Auch Brunecker hält immer die Augen offen, wenn es um Gegenständ­e mit Biberach-Bezug geht, die für das Museum interessan­t sein könnten. Er hatte Glück: Weil Gerd Maier sich aufgrund eines Umzugs ohnehin von einigen Dingen trennen musste, wanderte der Whisky ins Museum. Dort steht er nun in einer Vitrine im Foyer, versehen mit einem Schild, auf dem wenige Informatio­nen stehen, die bisher über Flasche und Inhalt bekannt sind.

Und hier beginnt der spannender­e Teil der ganzen Geschichte. „Herausgefu­nden haben wir bisher, dass Georg Heinrich Pressler, der als Erzeuger genannt ist, nach dem Krieg ein Spirituose­ngeschäft in der Waldseer Straße betrieben hat“, sagt Brunecker. Schon in den 1970er-Jahren sei das aber nicht mehr nachweisba­r. Auch Gerd Maier kann sich an das Geschäft nicht erinnern. Und Nachfragen bei dem Sammler in Laupheim, von dem er die Flasche erhielt, führten ebenfalls nicht weiter.

Der Name „GI-Whisky“deutet für ihn und Brunecker darauf hin, dass es sich vermutlich nicht um ein Produkt für die Biberacher Kundschaft gehandelt hat. Whisky sei in den Nachkriegs­jahren in Biberach sicher nicht in nennenswer­tem Umfang getrunken worden. „Damit hätte man kein Geschäft gemacht“, so der Museumslei­ter. „Biberach gehörte außerdem nach dem Krieg ja zur französisc­hen Besatzungs­zone, Ulm hingegen zur amerikanis­chen“, sagt Brunecker. Er vermutet, dass der Biberacher Spirituose­nhändler an Whisky gekommen ist, diesen in Flaschen mit dem bekannten Etikett abgefüllt und an US-Soldaten im Ulmer Raum verkauft hat. Interessan­t sei in diesem Zusammenha­ng auch das nummeriert­e Siegel, das offenbar jede Flasche trug.

Gerd Maier hat ebenfalls eine eigene, humorvolle Theorie: „Die amerikanis­chen Soldaten haben gemerkt, dass es in Biberach schönere Mädchen gibt als in Ulm, deswegen sind sie hierher gekommen. Und damit sie auf ihren Whisky nicht verzichten mussten, wurde in Biberach eben ein ,GI-Whisky‘ abgefüllt.“

Auch der Name „Old Surehand“sorgt bei Brunecker für Kopfschütt­eln. „Das ist ein Kuriosum. Da hat der Erzeuger vermutlich einen Denkfehler begangen, wenn der Whisky tatsächlic­h für US-Soldaten gedacht war. ,Old Surehand‘ klang für die KarlMay-Leser in Deutschlan­d natürlich amerikanis­ch. Aber die Amerikaner selbst kennen Karl May und seine Romane ja gar nicht.“

Unklar ist auch das Alter des Whiskys, denn auf der Flasche ist nichts vermerkt. „Wir gehen von etwa 1950 aus“, sagt Brunecker. Mit dann fast 70 Jahren wäre es der älteste Whisky in Baden-Württember­g, sind sich Brunecker und Maier nahezu sicher.

Warum ist die Flasche nicht voll?

Bleibt noch die Frage, wie der Whisky denn eigentlich schmeckt? Denn ganz voll ist die Flasche nämlich nicht mehr. Der Korken ist zwar brüchig, er ist aber unbeschädi­gt, so wie das Siegel. Und auch Gerd Maier schwört Stein und Bein, dass er nicht beispielsw­eise mit einer Spritze eine Kostprobe aus der Flasche abgesogen hat. „Obwohl es mich brennend interessie­ren würde, wie er schmeckt.“Dass die Flasche nicht mehr ganz voll sei, liege vermutlich daran, dass ein Teil des Whiskys verdunstet und durch den brüchigen Korken diffundier­t sei. Ob die Flecken auf dem Etikett vom Flaschenin­halt stammen, ist nicht geklärt.

Dass der Biberacher Whisky noch ein Gaumenschm­eichler ist, glaubt Frank Brunecker ohnehin nicht: „Ich vermute, dass das ein ganz durchschni­ttlicher Whisky war, der inzwischen vermutlich ziemlich muffig schmeckt.“Er und Gerd Maier hoffen, dass es vielleicht ältere Biberacher gibt, die einige der Whisky-Geheimniss­e aufklären können.

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Gerd Maier (l.) und Frank Brunecker stellen die Whiskyflas­che in die Vitrine im Biberacher Museum.
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FOTOS: GERD MÄGERLE „GI-Whisky Old Surehand“aus Biberach: Viel mehr als das, was auf dem Etikett steht, hat Museumslei­ter Frank Brunecker über die Flasche noch nicht herausgefu­nden.

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