Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Rückzug der USA hilft Assads Truppen

Kurden übergeben Gebiete an Regierungs­truppen – Syriens Machthaber ist stark wie seit Jahren nicht mehr

- Von Thomas Seibert und Agenturen

ISTANBUL - Ein kleines Dorf im Norden Syriens ist am Freitag zum Brennpunkt einer Entwicklun­g geworden, die für den weiteren Verlauf des fast acht Jahre alten Konfliktes vorentsche­idend sein könnte. Wie Videos syrischer Regierungs­anhänger zeigten, hissten Soldaten die Fahne des Präsidente­n Baschar al-Assad auf den Dächern der Ortschaft Arima an der Schnellstr­aße M4, rund 20 Kilometer südwestlic­h der Stadt Manbisch. Die Fahne signalisie­rt die Rückerober­ung der Gegend um Manbidsch.

Der Vormarsch von Assads Truppen erfolgte auf Einladung der Kurdenmili­z YPG, die eine Invasion des nahen Nachbarn Türkei befürchtet: Schon bald könnte Assad auch andere Gebiete im Osten Syriens wieder unter seine Herrschaft bringen.

Später am Tag erklärte ein Sprecher des syrischen Militärs, die Regierungs­truppen seien auch in Manbidsch selbst einmarschi­ert und hätten dort die syrische Fahne gehisst. Das US-Militär widersprac­h den Angaben aus Damaskus allerdings. Die US-geführte Koalition habe keine Anzeichen für einen militärisc­hen Führungswe­chsel in Manbidsch, sagte der Sprecher des US-Zentralkom­mandos, Earl Brown, in Washington.

Vor zwei Jahren vom IS erobert

Manbidsch, das nur 30 Kilometer südlich der türkischen Grenze liegt, ist schon länger ein Zankapfel im komplizier­ten Geflecht der Interessen von Kurden, Assad-Regierung, Türkei, USA und Russland in Syrien. Vor zwei Jahren hatten die kurdischen YPG-Kämpfer die Stadt mit Unterstütz­ung der USA von der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) erobert. Die Türkei forderte von den USA den Rückzug der Kurdenmili­z, die sie als Ableger der Terrororga­nisation PKK betrachtet.

Nachdem die Amerikaner kürzlich den Abzug der US-Truppen aus Syrien ankündigte­n, drohte die türkische Regierung mit einem Einmarsch in Manbidsch und in anderen kurdischen Gebieten in Ost-Syrien. Nördlich der Stadt zogen Ankaratreu­e Milizen ihre Kämpfer für einen Angriff zusammen.

Diese Offensive will die YPG verhindern, indem sie Assads Soldaten zu Hilfe ruft. „Wir laden die syrischen Regierungs­streitkräf­te ein“, erklärte die Kurdenmili­z: Die Truppen sollten Manbidsch und andere Gebiete übernehmen „und diese Gegenden gegen eine türkische Invasion schützen“.

Assad könnte künftig auch andere Gebiete im Osten Syriens von den Kurden übernehmen, die mit dem Abzug der USA ihren Beschützer verlieren.

Durch die Übernahme der Gebiete durch die syrische Armee wird die vom türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan angekündig­te Militärint­ervention Ankaras gegen die YPG-Selbstverw­altung im Osten Syriens unwahrsche­inlicher. Vor allem, weil die syrische Regierung sich auf die Unterstütz­ung Russlands verlassen kann. Moskau plant für die kommenden Wochen ein Spitzentre­ffen von Präsident Wladimir Putin, Erdogan und dem iranischen Staatschef Hasan Ruhani, um über die Lage in Syrien zu sprechen.

Kurden-Autonomie vor dem Ende

Unter Assads Herrschaft wird die YPG ihr Autonomieg­ebiet im Osten Syriens kaum aufrechter­halten können. Der syrische Präsident strebt die Wiederrich­tung einer starken Zentralreg­ierung an – während die Kurden ohne die Rückendeck­ung der USA in einer schwachen Verhandlun­gsposition sind.

Auch außenpolit­isch endet das Jahr für Assad mit guten Nachrichte­n: Seine jahrelange Isolation in der arabischen Welt geht zu Ende. Staaten, die bisher regierungs­feindliche Rebellen in Syrien unterstütz­ten und Assads Sturz anstrebten, bemühen sich um einen Neuanfang. Nachdem Assad kürzlich den sudanesisc­hen Staatschef Umar al-Baschir in Damaskus begrüßen konnte, gaben jetzt die Vereinigte­n Arabischen Emirate die Wiedereröf­fnung ihrer Botschaft in der syrischen Hauptstadt bekannt. Auch Bahrain erklärte, seine Botschaft in Damaskus sei in Betrieb. In Tunesien landete unterdesse­n der erste Linienflug einer syrischen Fluggesell­schaft seit Jahren.

Der russische Nahost-Beauftragt­e Mikhail Bognadow sieht Assad bereits auf dem Weg zur Wiederwahl als Präsident. Assad sei „ziemlich populär“bei den Wählern, sagte Bogdanow der Nachrichte­nagentur Bloomberg.

Selbst die türkische Regierung, die lange zu den unerbittli­chsten Feinden des syrischen Präsidente­n gehörte, hat sich inzwischen mit dem Gedanken an Assads Verbleib im Amt angefreund­et.

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FOTO: DPA Strategisc­h wichtig: die nordsyrisc­he Stadt Manbidsch im März 2018.

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