Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Rüstungsin­dustrie droht mit Schadeners­atzforderu­ngen

- Von Michael Fischer, Berlin

Bei den deutschen Rüstungsex­porten zeichnet sich für das dritte Jahr in Folge ein Rückgang ab. Bis zum 13. Dezember wurden nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums Ausfuhren von Waffen und anderen Rüstungsgü­tern im Wert von 4,68 Milliarden Euro genehmigt. Im gesamten Vorjahr waren es noch 6,24 Milliarden Euro. Die Industrie reagiert mit scharfer Kritik an der Regierung, wirft ihr Unzuverläs­sigkeit vor und droht gar mit Schadeners­atzforderu­ngen.

Die deutsche Rüstungsex­portpoliti­k sei „unvorherse­hbar“und für Kunden und Partnerlän­der „durch überrasche­nde Wendungen oft nicht nachvollzi­ehbar“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes der Deutschen Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsindustr­ie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien. Er ergänzte: „Das muss sich ändern.“Außergewöh­nlich deutliche Worte für eine Branche, die sich mit öffentlich­en Stellungna­hmen normalerwe­ise zurückhält. Die Bilanz ist aus ihrer Sicht für dieses Jahr aber auch besonders dürftig. Ein Wachstum gab es zuletzt 2015, damals auf einen Rekordwert von 7,86 Milliarden Euro.

Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisiert­e trotz des Rückgangs die deutsche Rüstungsex­portpoliti­k. „Am Reden vom Frieden fehlt es nicht. Am Handeln manchmal schon“, sagte er nach EKD-Angaben vom Freitag. Noch immer sei Deutschlan­d der viertgrößt­e Waffenexpo­rteur der Welt.

Algerien war der beste Kunde

Bester Kunde der deutschen Rüstungsin­dustrie war 2018 nach einer Antwort des Wirtschaft­sministeri­ums auf eine Anfrage des GrünenAbge­ordneten Omid Nouripour wie im vergangene­n Jahr Algerien mit Geschäften im Umfang von 802 Millionen Euro. Dahinter liegen die USA (506 Millionen Euro), Australien (432 Millionen Euro) und auf Platz vier Saudi-Arabien, für das trotz Beteiligun­g am Jemenkrieg Exportgene­hmigungen im Wert von 416 Millionen Euro erteilt wurden.

Erst im Zuge der Affäre um die Tötung des regierungs­kritischen saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi wurde im November ein Exportstop­p für das Königreich verhängt. Eigentlich hatte die Bundesregi­erung schon im März im Koalitions­vertrag beschlosse­n, keine Rüstungsgü­ter mehr an Länder zu liefern, die „unmittelba­r“am Jemenkrieg beteiligt sind. Saudi-Arabien führt eine Kriegsalli­anz von neun Ländern an, die im Jemen gegen die vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen kämpft. Für bereits erteilte Vorgenehmi­gungen wurde zunächst aber eine Ausnahme gemacht. Wegen der Khashoggi-Affäre wurde sie für SaudiArabi­en wieder zurückgezo­gen.

Damit kann etwa die Lürssen Werft in Wolgast in Mecklenbur­gVorpommer­n zwei fertige Patrouille­nboote nicht ausliefern, die Produktion von 18 weiteren bestellten Booten ist gefährdet. Das will die Industrie nicht auf sich sitzen lassen. „Natürlich sind in diesem Zusammenha­ng auch Schadeners­atzforderu­ngen denkbar“, sagte BDSVHauptg­eschäftsfü­hrer Atzpodien.

Auch in der Opposition im Bundestag sorgt die Exportbila­nz für Verärgerun­g – aus einem anderen Grund. Die Grünen kritisiere­n, dass die Bundesregi­erung weiterhin in großem Umfang Ausfuhren an autoritäre Staaten und in Spannungsg­ebiete genehmigt hat. „Trotz der Ankündigun­gen im Koalitions­vertrag ist die Bilanz der Exportgene­hmigungen für dieses Jahr verheerend“, sagte der Grünen-Außenpolit­iker Nouripour.

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