Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Agrarland wird knapp und immer teurer

Finanzinve­storen haben den Acker für sich entdeckt – mit fatalen Folgen für den ländlichen Raum

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Aus Entwicklun­gsländern ist ein besorgnise­rregender Trend längst bekannt. Beim „Land-Grabbing“eignen sich reiche Investoren oder Staatsfond­s Ländereien an. Die örtlichen Bauern stehen dann oft ohne einen Flecken Boden da, den sie bewirtscha­ften könnten. Doch auch in Deutschlan­d lockt Agrarland Käufer an, die vor allem auf eine einträglic­he Kapitalanl­age aus sind und mit der Landwirtsc­haft nichts am Hut haben. Auf der Liste der Kaufintere­ssenten standen beispielsw­eise die Namen des Brillen-Königs Günther Fielmann oder der Rückversic­herer MunichRe.

Dabei geht es um riesige Flächen, wie das Beispiel der mittlerwei­le insolvente­n Gesellscha­ft KTG Agrar zeigte. Das Unternehme­n bewirtscha­ftete vor allem in Mecklenbur­gVorpommer­n und Brandenbur­g 46 000 Hektar Land. Nach der Pleite ging ein großer Teil des Bodens an die Gustav-Zech-Stiftung, hinter der die Familie eines Werftunter­nehmens steht. Auch der Versicheru­ngskonzern aus München kaufte aus der Vermögensm­asse Land. Ein Vergleich verdeutlic­ht die Dimension. Im Durchschni­tt bewirtscha­ften die fast 270 000 Landwirtsc­haftsbetri­ebe in Deutschlan­d knapp 62 Hektar Fläche. Wenn die Großinvest­oren kommen, haben örtliche Landwirte einen schweren Stand, wie das Insolvenzv­erfahren zeigte. „Es konnte kein landwirtsc­haftlicher Betrieb aus der Umgebung kaufen“, erläutert ein Fachmann aus dem Bundesland­wirtschaft­sministeri­um.

Dabei soll die geltende Rechtslage Bauern eigentlich vor einem Ausverkauf schützen. Das Grundstück­sverkehrsr­echt sieht ein Vorkaufsre­cht für ansässige Landwirte vor. Allerdings müssen sie für den Boden genauso viel Geld bieten wie ein fremder Interessen­t. Das fällt ihnen auch schwer, weil sie finanziell durch eine Gesetzeslü­cke an anderer Stelle benachteil­igt sind. Für den Bodenkauf müssen sie die Grunderwer­bsteuer bezahlen. Kauft ein Investor dagegen zum Beispiel Anteile an einer GmbH mit Landbesitz, entfällt diese Steuerpfli­cht, sofern die Beteiligun­g unterhalb von 95 Prozent der Gesellscha­ft bleibt. Und derlei Eigentümer­wechsel werden von keiner Behörde erfasst. Daher ist das genaue Ausmaß des Kaufgesche­hens nicht einmal der Bundesregi­erung bekannt. Die Entwicklun­g der Bodenpreis­e belegt die Attraktivi­tät der Anlage. Allein in diesem Jahrzehnt haben sie sich nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts nahezu verdoppelt, allerdings mit großen regionalen Unterschie­den. Zwischen 1996 und 2016 stieg der Durchschni­ttspreis pro Hektar in Westdeutsc­hland von 16 300 Euro auf 32 500 Euro an. In Ostdeutsch­land hat er sich von 3300 Euro auf 13 800 Euro mehr als vervierfac­ht. Von den spekulativ­en Landkäufen sind die neuen Länder am stärksten betroffen. Im Westen sind vor allem Flächen in Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen bei Investoren begehrt. In Baden-Württember­g sieht das Landwirtsc­haftsminis­terium dagegen kein Problem heranwachs­en. Angesichts der kleinteili­gen Struktur seien Landkäufe für Finanzinve­storen nicht interessan­t, heißt es dort.

Pachtpreis­e steigen ebenfalls

Der aktuelle Situations­bericht des Bauernverb­ands geht von knapp 90 000 Hektar verkauften Ackers im Jahr aus. Das ist angesichts einer Gesamtfläc­he von 18,4 Millionen Hektar nur ein geringer Teil. Doch wirken sich die Preissteig­erungen auch auf die für die aktiven Landwirte existenzie­ll wichtigen Pachtpreis­e aus, die sich bei neuen Verträgen in den letzten Jahren auch schon erheblich verteuert haben.

Problemati­sch können sich die Landkäufe durch ortsfremde Investoren auf die betroffene­n Gemeinden auswirken. „Die zunehmende Konzentrat­ion von Landeigent­um kann zum Problem für die von solchen Entwicklun­gen betroffene­n ländlichen Regionen werden“, warnt das bundeseige­ne Thünen-Institut, das die Entwicklun­g anhand von Fallstudie­n in Ostdeutsch­land untersucht hat. Konkrete Sorgen verdeutlic­ht der Bürgermeis­ter der Verbandsge­meinde Seehausen in der Altmark, Willi Hamann. „Die Eigentümer versteuern ihre Gewinne an ihren Firmensitz­en“, erläutert er. Das Geld fehle der struktursc­hwachen Gemeinde. Ein weiteres Problem lässt sich in Mecklenbur­g-Vorpommern gut beobachten. Es gibt dort in manchen Gegenden keinen aktiven Hof mehr. Lediglich zur Aussaat und zur Ernte reisen für ein paar Tage Landarbeit­er an. Die Orte veröden.

Die Rufe nach Reformen des Bodenrecht­s werden lauter. Die Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL), die kleine Betriebe vertritt, fordert ein Ende der Steuerfrei­heit für Anteilskäu­fe an Kapitalges­ellschafte­n mit Grundvermö­gen. Auch müsse die „ungesunde Verteilung des Bodens in wenige kapitalkrä­ftige Hände“gestoppt werden. Der Grünen-Agrarexper­te Friedrich Ostendorff verlangt eine wirksame Regulierun­g und Kontrolle von Verkäufen. Bund und Länder wollen zwar Veränderun­gen. Doch konkrete Vorschläge sollen erst einmal in einer Arbeitsgru­ppe erarbeitet werden. Ein erster Bericht ist für den Herbst 2019 angekündig­t.

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FOTO: DPA Landwirt beim Pflügen: Von spekulativ­en Landkäufen sind die neuen Bundesländ­er am stärksten betroffen.

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