Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Agrarland wird knapp und immer teurer
Finanzinvestoren haben den Acker für sich entdeckt – mit fatalen Folgen für den ländlichen Raum
BERLIN - Aus Entwicklungsländern ist ein besorgniserregender Trend längst bekannt. Beim „Land-Grabbing“eignen sich reiche Investoren oder Staatsfonds Ländereien an. Die örtlichen Bauern stehen dann oft ohne einen Flecken Boden da, den sie bewirtschaften könnten. Doch auch in Deutschland lockt Agrarland Käufer an, die vor allem auf eine einträgliche Kapitalanlage aus sind und mit der Landwirtschaft nichts am Hut haben. Auf der Liste der Kaufinteressenten standen beispielsweise die Namen des Brillen-Königs Günther Fielmann oder der Rückversicherer MunichRe.
Dabei geht es um riesige Flächen, wie das Beispiel der mittlerweile insolventen Gesellschaft KTG Agrar zeigte. Das Unternehmen bewirtschaftete vor allem in MecklenburgVorpommern und Brandenburg 46 000 Hektar Land. Nach der Pleite ging ein großer Teil des Bodens an die Gustav-Zech-Stiftung, hinter der die Familie eines Werftunternehmens steht. Auch der Versicherungskonzern aus München kaufte aus der Vermögensmasse Land. Ein Vergleich verdeutlicht die Dimension. Im Durchschnitt bewirtschaften die fast 270 000 Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland knapp 62 Hektar Fläche. Wenn die Großinvestoren kommen, haben örtliche Landwirte einen schweren Stand, wie das Insolvenzverfahren zeigte. „Es konnte kein landwirtschaftlicher Betrieb aus der Umgebung kaufen“, erläutert ein Fachmann aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium.
Dabei soll die geltende Rechtslage Bauern eigentlich vor einem Ausverkauf schützen. Das Grundstücksverkehrsrecht sieht ein Vorkaufsrecht für ansässige Landwirte vor. Allerdings müssen sie für den Boden genauso viel Geld bieten wie ein fremder Interessent. Das fällt ihnen auch schwer, weil sie finanziell durch eine Gesetzeslücke an anderer Stelle benachteiligt sind. Für den Bodenkauf müssen sie die Grunderwerbsteuer bezahlen. Kauft ein Investor dagegen zum Beispiel Anteile an einer GmbH mit Landbesitz, entfällt diese Steuerpflicht, sofern die Beteiligung unterhalb von 95 Prozent der Gesellschaft bleibt. Und derlei Eigentümerwechsel werden von keiner Behörde erfasst. Daher ist das genaue Ausmaß des Kaufgeschehens nicht einmal der Bundesregierung bekannt. Die Entwicklung der Bodenpreise belegt die Attraktivität der Anlage. Allein in diesem Jahrzehnt haben sie sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts nahezu verdoppelt, allerdings mit großen regionalen Unterschieden. Zwischen 1996 und 2016 stieg der Durchschnittspreis pro Hektar in Westdeutschland von 16 300 Euro auf 32 500 Euro an. In Ostdeutschland hat er sich von 3300 Euro auf 13 800 Euro mehr als vervierfacht. Von den spekulativen Landkäufen sind die neuen Länder am stärksten betroffen. Im Westen sind vor allem Flächen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bei Investoren begehrt. In Baden-Württemberg sieht das Landwirtschaftsministerium dagegen kein Problem heranwachsen. Angesichts der kleinteiligen Struktur seien Landkäufe für Finanzinvestoren nicht interessant, heißt es dort.
Pachtpreise steigen ebenfalls
Der aktuelle Situationsbericht des Bauernverbands geht von knapp 90 000 Hektar verkauften Ackers im Jahr aus. Das ist angesichts einer Gesamtfläche von 18,4 Millionen Hektar nur ein geringer Teil. Doch wirken sich die Preissteigerungen auch auf die für die aktiven Landwirte existenziell wichtigen Pachtpreise aus, die sich bei neuen Verträgen in den letzten Jahren auch schon erheblich verteuert haben.
Problematisch können sich die Landkäufe durch ortsfremde Investoren auf die betroffenen Gemeinden auswirken. „Die zunehmende Konzentration von Landeigentum kann zum Problem für die von solchen Entwicklungen betroffenen ländlichen Regionen werden“, warnt das bundeseigene Thünen-Institut, das die Entwicklung anhand von Fallstudien in Ostdeutschland untersucht hat. Konkrete Sorgen verdeutlicht der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen in der Altmark, Willi Hamann. „Die Eigentümer versteuern ihre Gewinne an ihren Firmensitzen“, erläutert er. Das Geld fehle der strukturschwachen Gemeinde. Ein weiteres Problem lässt sich in Mecklenburg-Vorpommern gut beobachten. Es gibt dort in manchen Gegenden keinen aktiven Hof mehr. Lediglich zur Aussaat und zur Ernte reisen für ein paar Tage Landarbeiter an. Die Orte veröden.
Die Rufe nach Reformen des Bodenrechts werden lauter. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die kleine Betriebe vertritt, fordert ein Ende der Steuerfreiheit für Anteilskäufe an Kapitalgesellschaften mit Grundvermögen. Auch müsse die „ungesunde Verteilung des Bodens in wenige kapitalkräftige Hände“gestoppt werden. Der Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff verlangt eine wirksame Regulierung und Kontrolle von Verkäufen. Bund und Länder wollen zwar Veränderungen. Doch konkrete Vorschläge sollen erst einmal in einer Arbeitsgruppe erarbeitet werden. Ein erster Bericht ist für den Herbst 2019 angekündigt.