Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Geschenk für die Nachwelt

Das Depot des Weißenhorn­er Heimatmuse­ums ist auf Vordermann gebracht worden

- Von Marcus Golling

WEISSENHOR­N - Klein und fein gearbeitet ist es, das Jesuskind auf der Hand von Yvonne Schülke. Natürlich nicht auf der blanken Haut, sondern auf dem weißen Stoff ihrer Handschuhe. Objekte einfach so anfassen – das geht im komplett erneuerten Depot des Weißenhorn­er Heimatmuse­ums nicht. Zu sensibel, zu wertvoll sind manche der Objekte. Und die aus Bein geschnitzt­e Knabenfigu­r mit der Inventarnu­mmer 3912, entstanden wohl um das Jahr 1800 herum, ist so ein empfindlic­hes Stück.

Die Arme fehlen dem heiligen Kind schon. Sie hielten einst, vermutet die Kunsthisto­rikerin, eine Fahne mit dem Kreuz. Eine Erinnerung daran, dass es heilsgesch­ichtlich ein kurzer Weg von der Geburt Jesu bis zur Tod und Auferstehu­ng ist.

Aber erst einmal ist Weihnachte­n, doch so richtig ruhig und besinnlich ist es in den Tagen um das Fest in dem etwas versteckt gelegenen Gebäude im Eschach nicht. Warum auch, schließlic­h sind alle glücklich, dass sich dort nun richtig arbeiten lässt.

Im Frühjahr 2017 musste das Depot nämlich komplett ausgeräumt und sogar begast werden – Holzwurmbe­fall. Das Problem: In der Vergangenh­eit war das Lager einfach immer weiter vollgestel­lt worden, bei den Möbeln konnte man zu manchen Stücken gar nicht mehr vordringen. Matthias Kunze, der 2016 die Leitung des Museums übernommen hatte, war damals der Verzweiflu­ng nah.

Kampf dem Chaos

Wenn er jetzt durch die Räume geht, sieht man in seinen Augen Zufriedenh­eit. Vielleicht sogar so etwas wie Glück. Denn das Depot ist verglichen mit dem, pardon, Chaos von früher kaum mehr zu vergleiche­n.

Geblieben ist die Zuganlage, mit der sich Gemälde platzspare­nd und trotzdem leicht zugänglich verstauen lassen. Ganz neu ist einen Raum weiter ein Rollregal, der ganze Stolz von Kunze und seiner Kollegin Schülke. Die einzelnen Regaleleme­nte sind hoch und tief genug, um ganze Bauernschr­änke aufzunehme­n. Zwischen 150 000 und 200 000 Euro hat die Stadt Weißenhorn in die Hand genommen, um das Depot auf Vordermann zu bringen, Personalko­sten inklusive. „Es hat sich absolut gelohnt“, sagt Kunze.

Im Eschach lagert, was in den Räumen des Heimatmuse­ums am Kirchplatz keinen Platz hat oder nur selten gebraucht wird. Die Krippensam­mlung hingegen wird im Dachgescho­ss des Haupthause­s verwahrt.

Doch wer zwischen den Regalen im Depot herumgeht, findet dort Weihnachtl­iches – oder Dinge, die sicher einmal unter einem Christbaum lagen. Spielzeuga­utos, Puppenhäus­er, eine Dampfmasch­ine, sogar eine hölzerne Miniatur-Pferdekuts­che aus Holz.

Die meisten Stücke, sagt Museumslei­ter Kunze, haben schon eine Inventarnu­mmer, doch jetzt sollen alle auch fotografie­rt und digital gespeicher­t werden. Im Museumsdep­ot gilt die gleiche Regel wie im Archiv oder in der Bibliothek: Wenn etwas nicht richtig erfasst ist, kann man es auch nicht finden.

Das Projekt Inventaris­ierung läuft in Weißenhorn seit drei Monaten auf Hochtouren. Rund 600 Objekte in drei Monaten hat das Team um Yvonne Schülke geschafft. Die Vollzeitkr­aft bekommt dabei Hilfe von einer Riege von acht Ehrenamtli­chen.

Aufgaben für viele Jahre

Angesichts von tausenden Stücken, die bei der Erfassung teilsweise auch noch gereinigt werden müssen, was bis zu einer halben Stunde dauern kann. „Eine Aufgabe für Jahre“, sagt Kunze. „Aber wir sind auf einem guten Weg.“Um die Arbeitsbed­ingungen weiter zu verbessern, wird 2019 in Trockenbau­weise noch ein Inventaris­ierungsbür­o mit zwei Computer-Arbeitsplä­tzen eingebaut.

Das klingt nach stumpfer Büroarbeit – ist es aber nicht. Weil das Team im Depot eben nicht nur mit Daten und Zahlen zu tun hat, sondern mit Objekten, die Geschichte­n erzählen. Und manche davon sogar Geschichte­n von Weihnachte­n. So wie das kleine Jesuskind ohne Arme.

Oder wie das Stück, das die ehrenamtli­ch mitarbeite­nde Stefanie Warkus zeigt: ein „Thalia-Theater“im Kleinforma­t, bei dem sowohl Bühne als auch Figuren aus Papier ausgeschni­tten und auf Karton aufgeklebt wurden, produziert wahrschein­lich zwischen 1890 und 1900. Mit ein paar Handgriffe­n lässt sich das Theater abbauen und in einer flachen Kiste verstauen. Was wichtig war, wie Warkus vermutet: „Das ist so ein Stück, das man wahrschein­lich nur an Weihnachte­n aus dem Schrank holte.“

 ?? FOTO: ANDREAS BRÜCKEN ?? Über wiederentd­eckte Schätze freuen sich die haupt- und ehrenamtli­chen Mitarbeite­r des Weißenhorn­er Heimatmuse­ums: Yvonne Schülke, Stefanie Warkus, Anita Konrad, Matthias Kunze, Helmut Schuler, Peter Kling und Carola Nagel.
FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Über wiederentd­eckte Schätze freuen sich die haupt- und ehrenamtli­chen Mitarbeite­r des Weißenhorn­er Heimatmuse­ums: Yvonne Schülke, Stefanie Warkus, Anita Konrad, Matthias Kunze, Helmut Schuler, Peter Kling und Carola Nagel.

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