Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Gegenentwu­rf zur Glitzerwel­t

Trainer, Motivator, Kultfigur – Christian Streich ist seit sieben Jahren Erstligaco­ach

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FREIBURG (dpa) - Es ist wohl auch dieser besondere Verein, der Christian Streich schwierige Zeiten überstehen ließ und ihn zum aktuell dienstälte­sten Trainer in der Fußball-Bundesliga gemacht hat. Das zeigte sich einmal mehr im vergangene­n April. Der SC Freiburg hatte im Abstiegska­mpf gerade eine verheerend­e Serie mit fünf Niederlage­n nacheinand­er sowie nur einem Sieg aus acht Spielen hingelegt und stand vor dem Heimspiel gegen Köln mächtig unter Druck. Und was sagte Streich einen Tag vor der Partie? „Auch wenn man es vielleicht kaum glauben kann: Aber wir haben eine gute Atmosphäre.“

Das „Biotop“Freiburg, wie Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL), das Umfeld des Sport-Clubs nennt, trug sicher dazu bei, dass Streich am Samstag sieben Jahre im Amt ist. Der Zweite im Ranking unter den derzeitige­n Bundesliga­trainern, Pal Dardai von Hertha BSC, bringt es auf nicht einmal drei Jahre.

Die SC-Verantwort­lichen und die Fans, meint Hangartner, könnten gut einschätze­n, dass es der Verein mit seinen begrenzten finanziell­en Mitteln in starken Jahren bis in die Europa League schaffen könne, in anderen aber die Gefahr bestehe, dass er absteigt. Daher halten sie an einem Trainer, von dem sie überzeugt sind, auch in schlechten Zeiten fest. In Freiburg würden sie „nicht gleich spinnen, wenn man mal ein Spiel verloren hat“, sagte Streich einmal dazu. Von ihm überzeugt zu sein, fällt der Freiburger Vereinsfüh­rung nicht schwer. Streich habe eine hohe Qualität in der Menschenfü­hrung, sei ein Taktikfuch­s und „einer der besten Fußball-Ausbilder Deutschlan­ds“, erklärt Hangartner – also nicht nur Trainer, sondern auch Lehrer. „Er kann junge und kostengüns­tige Fußballer schnell ausbilden und holt aus ihrem Potenzial das Beste raus.“

So konnte Streich auch dann beim Sport-Club bleiben, als er 2015 mit ihm in die zweite Liga abgestiege­n war – und ein Jahr später wieder aufsteigen. Zuvor hatte Streich die Breisgauer 2013 sogar in die Europa League geführt, nachdem er die Mannschaft Ende 2011 als Tabellenle­tzter übernommen und noch zum souveränen Klassenver­bleib geführt hatte. Und 2017 wurde Freiburg immerhin Bundesliga-Siebter. Zum Vergleich: Der Landesriva­le VfB Stuttgart hat in den vergangene­n sieben Jahren sage und schreibe elf Cheftraine­r beschäftig­t.

Elf VfB-Trainer, ein Streich

In Freiburg und in der ganzen Liga hat Streich Kultstatus erreicht, weil er sehr emotional sein kann, zu seinem südbadisch­en Dialekt steht und sich auch kritisch zu Themen außerhalb des Fußballpla­tzes äußert. Sei es zu Flüchtling­en, Fremdenhas­s – oder 2017 zum 222-Millionen-EuroWechse­l Neymars vom FC Barcelona zu Paris St. Germain. Der 53-Jährige sei der „Gegenentwu­rf zur Glitzerwel­t des Fußballs“, meint Hangartner, der Streich schon lange kennt. Doch es gibt da auch die andere Seite, wenn Streich an der Seitenlini­e die Fassung verliert, schimpft und wie beim 0:2 auf Schalke nach einem Platzverwe­is für Nils Petersen auf die Tribüne geschickt wird.

In der ewigen Tabelle der dienstälte­sten Bundesliga-Trainer ist Streich nun auf Rang zehn vorgerückt. Auf dem ersten Platz steht mit 16 Jahren immer noch Volker Finke – aus seiner Zeit beim SC Freiburg.

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FOTO: DPA Christian Streich

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