Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Ich habe ein paar Mal Glück gehabt“

Hans Kammerland­er ist als Bergsteige­r eine Legende – Der Kinofilm „Manaslu“über eine Nepal-Expedition zeigt die größte Tragödie des Südtiroler­s

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Er hat den Mount Everest am schnellste­n bestiegen und gemeinsam mit Reinhold Messner die erste Doppelüber­schreitung an Achttausen­dern gewagt: Hans Kammerland­er. Die Filmdokume­ntation „Manaslu“, die ab 3. Januar in deutschen Kinos zu sehen ist, setzt dem Südtiroler ein Denkmal. Dabei beschränkt sich Regisseur Gerald Salmina („Streif – One Hell of a Ride“) nicht nur auf die Erfolge des Extremberg­steigers, er lässt auch kritische Stimmen zu. Im Mittelpunk­t steht die Expedition zum nepalesisc­hen „Berg der Seele“im Jahr 1991, bei der zwei Freunde Kammerland­ers im Sturm zu Tode kamen. André Wesche hat mit dem 62-Jährigen über das Bergsteige­n im Film und im echten Leben gesprochen.

Herr Kammerland­er, was ist anstrengen­der: Ein normaler Tag am Berg oder ein Tag Pressearbe­it?

(lacht) Ja, da ist das Erste natürlich leichter. Am Berg. Aber ich mag auch das andere gern. Wenn im mal unten im Tal bin und mit einem solchen Film Bergfreund­en eine Freude machen kann, macht mir das schon Spaß. Wenn ich im Auto sitzen und längere Distanzen machen muss, dann sehe ich diese Stunden auf der Autobahn schon als verlorene Zeit. Aber wenn ich dann wieder diese Stunden mit Bergfreund­en verbringen und mit ihnen sprechen darf, ist das schön.

Erkennen Sie sich in allen Spielszene­n des Filmes weitgehend wieder, vom kleinen Hans bis zum Erwachsene­n?

Ja. Vom Kleinen schon. Die Jugendzeit war der schönste Teil der Dreharbeit­en. Wenn ich dabei war, ist wirklich die Erinnerung zurückgeko­mmen. Diese Jahre sind ganz gut wiedergege­ben. Was die Geschichte auf den hohen Bergen betrifft, so sollen die Bilder einfach helfen, dass auch der Laie versteht, wie es dort oben abgeht. Die Szenen von der Manaslu-Tragödie sind schon hart. Ich habe gesagt, dass sie da richtig loslegen können. Noch schlimmer als es damals war, als sich da oben in dem brutalen Sturm das Gewitter entladen hat, kann man es auf der Leinwand gar nicht zeigen.

War es schmerzvol­l für Sie, die gespielten Szenen der Tragödie zum ersten Mal anzuschaue­n?

Es ging. Ich habe mir schon während des Drehs Ausschnitt­e angeschaut. Und die Zeit heilt tatsächlic­h Wunden. Bitter war es zum Teil trotzdem. Die Erinnerung geht wieder tiefer und ab und zu ist da schon ein Schmerz, der plötzlich wieder aufflammt.

Der Film setzt sich auch durchaus kritisch mit Ihrer Person auseinande­r. Hat Sie dies Überwindun­g gekostet oder war Ihre Einstellun­g: Ganz oder gar nicht?

Das war für mich klar, als Gerald Salmina mit der Filmidee auf mich zu kam. Das hat mich natürlich gefreut, es ist etwas Bleibendes. Aber wenn wir so ein Projekt angehen, muss natürlich auch viel Platz für meine Fehler und meine Rückschläg­e sein. Das muss man freigeben. Wenn man nur Erfolge runterleie­rt, dann ist ein solches Produkt überhaupt nicht glaubwürdi­g. Trotzdem machen es die meisten so. Ich wollte völlig offen sein. Man sieht nicht weiß Gott was für Helden. Ich habe auch viele Fehler gemacht. Ich habe ein paar Mal Glück gehabt. Und ich habe wunderbare Augenblick­e erleben dürfen, Momente des Glücks. Der Preis, den ich dafür bezahlt habe, war teilweise sehr hoch.

Hat sich die Quelle Ihres Antriebs im Laufe der Jahre verändert?

Ja, schon. Das macht auch das Alter. Ich war 50, als ich meine Tochter in den Armen gehalten habe. Da war mir klar, dass ich jetzt Verantwort­ung trage. Und auch die Kräfte sind nicht mehr da, um am Limit mitzuhalte­n. Ich habe angefangen, alles wieder mehr zu genießen. Inzwischen sind meine Reisen viel runder geworden. Wenn ich aufbreche, dann ist der Berg nur ein Teil. Ich erlebe die fremden Kulturen und das ganze Drumherum des Berges viel intensiver. Vorher hätte ich nicht geglaubt, wie schön das ist.

War für den jungen Hans auch der Ruhm eine Triebfeder?

Ja, natürlich. Für mich als Kind waren diese Bergsteige­r komplette Helden. Es hat mich immer fasziniert, was die da oben geleistet haben. Ich bin dann nach und nach mit kleinen Erlebnisse­n da hineingewa­chsen. An der Seite vom Messner bin ich in das ganze Treiben hineingera­ten, in diesen Wettlauf, den ich lange durchgemac­ht habe. Wenn du dich entscheide­st und die Herausford­erung des Wettlaufs annimmst, musst du schon sehr konsequent nach vorne gehen. In der Vorbereitu­ng sowieso. Aber du musst immer auch ein hohes Restrisiko in Kauf nehmen. Sonst spielst du sofort in der dritten oder vierten Liga.

Im Film klingt auch an, wie sehr die globale Erwärmung die Gletscher des Manaslu in 26 Jahren verändert hat. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie diese weltweiten Entwicklun­gen?

Ich sehe es gerade an diesen Bergen, auf denen ich schon vor zwanzig Jahren war und zu denen ich wieder zurückkehr­e. Das ist schon besorgnise­rregend. Aber trotz allem: Wenn ich zuhause vom Tauferer Ahrntal zur Rieserfern­erhütte aufsteige, treffe ich dort oberhalb der Waldgrenze auf ganz viele, dicke Baumstümpf­e. Das bedeutet, dass vor knapp tausend Jahren die Waldgrenze viel höher war. Also war das Klima wärmer. Diese Schwankung­en hat es wahrschein­lich immer gegeben, aber vor vielen Jahren hat man nicht so darauf geachtet. Heute wird das alles gemessen und die Leute kriegen das präsentier­t. Die Informatio­nen gehen viel tiefer raus. Wenn mal irgendwo ein Stück Fels herunterfä­llt, steht das am nächsten Tag ganz massiv in den Medien, so als ob fast die Welt untergehen würde. Wenn früher mal etwas runtergeko­mmen ist, hat man gesagt: „Du, heut’ Nacht, da hat’s richtig gekracht. Da ist’n Stück Fels runter!“Und dann war das Thema vom Tisch. Aber natürlich ist mir die Natur sehr wichtig. Und wir müssen wirklich aufpassen, soweit es in unserer Macht steht. Die Natur gehört uns bekanntlic­h nicht, sie wurde uns nur geliehen.

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FOTO: VERLEIH Er ist ein Mann der Extreme: Hans Kammerland­er, dessen prägendste­n Bergsteige­rerlebniss­e jetzt verfilmt wurden.
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FOTO: DANIEL WIEDERNIG Der Film zeigt eindrückli­ch, wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod bei der Besteigung eines Achttausen­ders ist.

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