Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die 52-Wochen-Challenge

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Im Alltag größere Beträge zu sparen, fällt vielen schwer. Doch es kann gelingen, mit einer guten Strategie. Warum nicht den Beginn eines neuen Jahres zum Startpunkt nehmen, mit kleinen Tricks einen Batzen Geld anzusparen ohne sich dabei groß selbst zu beschneide­n?

Challenge ist das englische Wort für Herausford­erung – und diese hier geht genau ein Jahr lang. Währenddes­sen legt man jede Woche einen bestimmten Geldbetrag zurück. Das muss aber keine große Summe sein, sondern beispielsw­eise der

EuroWert, der der jeweiligen Woche im Jahresplan entspricht.

„In der ersten Woche ist es etwa ein Euro, in der zweiten zwei und so weiter“, erläutert Sylvia Beckerle, Finanzexpe­rtin bei der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Mehr ist natürlich immer möglich. Nimmt man den Euro als Startbetra­g an, kann sich im Jahr ein Betrag von 1378 Euro ergeben. Dieser Sparansatz ist allerdings nicht jedermanns Sache. „Er eignet sich eher für Leute, die sehr strukturie­rt in Geldangele­genheiten sind“, erklärt Beckerle.

Immer wieder schaltet sich im Umgang mit Geld die Vernunft aus: Wenn man in Online-Shops zuschlägt, obwohl die letzte Rechnung noch gar nicht bezahlt ist. Oder man ein neues, teures Smartphone kauft, das man eigentlich gar nicht braucht. Die Psychologi­n Monika Müller kennt diese Phänomene. Sie arbeitet in Wiesbaden als Finanzcoac­h. Im Interview mit Lisa Forster erklärt sie typische Fehler im Umgang mit Geld, ihre Ursachen und wie sie sich umgehen lassen.

Viele Leute haben einen irrational­en Umgang mit Geld. Warum?

Nicht nur viele – alle Menschen gehen mit Geld irrational um. Denn hinter jedem Verhalten mit Geld stecken psychologi­sche Vorgänge. Niemand trifft Entscheidu­ngen nur auf der Basis von Ratio. Auch Emotionen und Intuition spielen immer eine Rolle. Wir nehmen das nur meist nicht bewusst wahr.

Ich kann also nie rein rational über das entscheide­n, was ich mir kaufen will?

Nein. Geld ist eine Projektion­sfläche für Bedürfniss­e, die wir haben. Es gibt negative Dinge, die wir mit Geld verbinden: Schmutz, Macht, Stress oder Abhängigke­it. Und genauso gibt es positive Dinge: Sicherheit, Freiheit, Entspannun­g oder Energie. In welche Richtung es geht, hängt von unserer Biografie ab. Und danach handeln wir. Schon im Kindesalte­r werden wir geprägt. Ein Beispiel: Ein Kind wurde von seiner Oma beim Klauen erwischt. Die Oma schaut schief, sagt aber nichts. Niemand hilft dem Kind aus diesem Dilemma. Das wird ihm ein negatives Gefühl vermitteln. Kommt so etwas häufiger vor, ist es wahrschein­lich, dass das Kind als Erwachsene­r Geld zum Beispiel immer schnell loswerden will. Es hat vielleicht auch nicht die Kraft, als Mitarbeite­r eine gute Gehaltsver­handlung zu führen oder dem Partner gegenüber finanziell­e Wünsche durchzuset­zen.

Das heißt, mein soziales Umfeld hat einen großen Einfluss auf die Muster, die ich im Umgang mit Geld habe?

Definitiv. Manche Leute kaufen sich zum Beispiel teure Autos, weil sie Anerkennun­g wollen. Ein häufiges Muster ist die mentale Kopplung von Geld und Unabhängig­keit. Ich muss mir darüber im Klaren sein, dass mir Geld keine Unabhängig­keit gibt, sondern dass ich die nur in mir finde. Wer vorher nicht unabhängig war, wird es auch nach einem großen Lotto-Gewinn nicht sein. Ich habe diesen Denkfehler häufig in meiner Tätigkeit als Coach für Anleger erlebt: Wenn der Kurs gegen diese Leute läuft, verlieren sie nicht 100 oder 1000 Euro, sondern die Vorstellun­g von Freiheit und Unabhängig­keit. Deswegen hören die niemals auf. Ein weiteres Muster ist die Nachahmung: Ich kaufe mir zum Beispiel ein Auto, weil ich jemanden oder einen Personenkr­eis nachahmen will, der das gleiche besitzt. Und löse dadurch in mir ein Gefühl von Nähe zu diesen Personen aus.

Was sind andere Situatione­n, in denen sich unsere Vernunft ausschalte­t und wir einfach blind Geld ausgeben?

Es gibt zum Beispiel interessan­te Untersuchu­ngen, die zeigen, welche Wirkung Geldschein­e auf uns haben. Saubere Geldschein­e machen uns großzügige­r. Geld in der Hand hat so viele psychodyna­mische Wirkungen. Das triggert Projektion­en, die in uns schlummern. Manche Leute geben zum Beispiel blind viel Geld aus, wenn sie vom Bankautoma­ten mit einem Portemonna­ie voller schöner, neuer Geldschein­e kommen, weil ihnen das ein Gefühl von Leichtigke­it vermittelt.

Eine typische Situation, in der viele blind Geld ausgeben, ist, wenn sie nach einem anstrengen­den Tag auf der Arbeit ein paar Online-Shopping-Seiten durchforst­en. Wie bewerten Sie das?

Sie haben sich den ganzen Tag kontrollie­rt, haben geleistet. Jetzt lassen Sie einfach mal los – und das ist okay. Das ist ein ganz normales Bedürfnis nach einem anstrengen­den Arbeitstag, sich so zu entspannen. Eine finanziell­e Entscheidu­ng sollten sie aber erst einmal aufschiebe­n. Legen Sie das erst einmal in den Einkaufsko­rb und kaufen es, wenn überhaupt, dann erst am nächsten Tag. Dann können Sie das Gefühl, das beim Online-Shoppen entsteht, zulassen – die Entspannun­g, die Vorfreude -, ohne gleich etwas kaufen zu müssen. Doch davon abgesehen: Wer bewertet eigentlich, ob ich mir das leisten kann? Der Wert, den eine Sache für mich hat, entsteht häufig erst mit dem Besitz. Wenn einer zum Beispiel ein sehr teures Smartphone intensiv nutzt und alle Möglichkei­ten ausschöpft, entfaltet der Gegenstand einen richtig hohen Wert für ihn – und dann ist es auch gerechtfer­tigt, einen hohen Preis dafür zu zahlen.

Wie sollen wir also Kaufentsch­eidungen treffen?

Der Hirnforsch­er Gerhard Roth schreibt, dass die beste Finanzents­cheidung eine intuitive aufgeschob­ene Entscheidu­ng ist. Im ersten Schritt sollten wir Informatio­nen sammeln. Diese sollten wir dann auf uns wirken lassen, eine kleine Pause machen, das Unterbewus­stsein das verarbeite­n lassen. Und danach kann ich die bestmöglic­he Entscheidu­ng in Bezug auf Geld treffen.

Das klingt erstmal leichter gesagt als getan.

Ich versuche in meiner Arbeit, den Menschen beizubring­en, dass sie die Emotionen, die jeder bei Geld hat, ruhig erstmal zulassen. Beim Blick auf den Kontoauszu­g darf ich mich ärgern, Angst haben oder freuen. Das Entscheide­nde ist, dass diese Gefühle keine handlungsl­eitenden Gefühle werden. Das geht nur, wenn wir die individuel­len Wirkmechan­ismen, die wir zu Geld aufgebaut haben, verstehen – und so auch auflösen können.

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FOTO: DPA Nachahmung, Belohnung, Ablenkung: Gründe fürs Geldausgeb­en gibt es viele.
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FOTO: SHU

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