Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Baienfurts italienische Sonnenseite
Das Al Ruscello in Baienfurt liegt ein bisschen versteckt. Aber es lohnt sich, das italienische Ristorante zu suchen. Denn in ihm herrscht eine sehr ruhige Atmosphäre, in der das Genießen zum lockeren Vergnügen wird – ganz egal, was der Küchenchef auch für kulinarische Schwergewichte auffahren mag. Das Interieur lebt von zurückhaltenden Farbtönen von Beige bis Braun. Grellen Kitsch wird ein nach Postkartenimpressionen suchender Gast jedenfalls nicht finden – glücklicherweise.
Und schwups – schon landet die Speisekarte vor der Nase, an den Tisch getragen von einer freundlichen Bedienung, die ihre Arbeit offenbar nicht als Last empfindet.
Das Angebot ist – typisch für viele Italiener – sehr umfangreich: Von Antipasti über Nudeln, Risotto, Fleisch, Fisch und Pizza bis zum Dessert präsentiert das Al Ruscello eine Wundertüte mediterraner Gaumenseligkeiten. Aber Vielfalt allein macht bekanntlich noch keine gute Küche. Den simplen Einstieg ins Menü markiert eine Tomatensuppe, die über viel fruchtige Substanz verfügt, und über der eine zwar triviale, aber dennoch harmonische Basilikumnote schwebt. Zum Entzücken des Gaumens zeigt sich der Antipasti-Klassiker Vitello Tonnato von seiner würzigen Seite: Die Thunfischsoße dehnt sich großzügig über die feinen Kalbfleischscheiben aus. Cremig auf der Zunge – am Gaumen dann aber mit einer schönen Pfefferschärfe. Ein Gericht, das sofort die Sonne aufgehen lässt. Dann die Nudeln – Tagliatelle Bolognese – die aber hinter den Erwartungen zurückbleiben, die die Vorspeisen geweckt haben. Denn die Soße ist eindimensional, es fehlt ihr die Frucht von Tomaten, die Deftigkeit eines guten Pancetta. Auch die Farbe – ein eher tristes Braun – hat ihre Schwächen. Und das Hackfleisch ist sehr feinkörnig, was bei einer über Stunden gekochten Bolognese eher untypisch wäre. Außerdem: Die feinen Bandnudeln sind zu spät aus dem Wasser gekommen.
Zum Glück kommt mit der Pizza Bufalina knuspriger Trost aus dem Steinofen: Belegt mit Mozarella, frischen Tomatenstücken und Basilikum, hat der Meister mit der Ofenschaufel tatsächlich einen stimmigen Genuss komponiert. Die Farben Rot, Weiß und Grün sind köstlich kombiniert, abgerundet mit Olivenöl. Der gefällige Geschmack ist auch einer guten Dosis Salz zu verdanken, die dem Teig zu mehr Aroma verhilft.
Zum guten Schluss empfiehlt die Dame des Hauses Panna Cotta. Zwar ist diese in ihrer fast buttrigen Opulenz keine Empfehlung an die Hüften. Dafür eine schöne Hommage an die Zunge, die Seidiges liebt, und an einen Gaumen, der die zarten Vanillearomen zu schätzen weiß. Die aromatische rote Fruchtsoße verleiht dem Dessert noch einen leichten Anstrich. Und dann – die Rechnung ist schon bestellt – kommt doch noch ein kleiner Glücksmoment von der Theke, und zwar in Form eines tatsächlich perfekten Espresso: Die Farbe, ein dunkles Haselnussbraun. Die Crema, fest und schwer in der Struktur. Der Geschmack, tiefgründiges Röstaroma mit schokoladigen Anklängen. Diese kleine Tasse lässt am Ende die Überzeugung reifen, trotz kleiner Schwächen im Al Ruscello einen guten Italiener für alle Tage zu haben.