Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Sommer ist nur Zigaretten holen
Porto im Winter bedeutet meist milde Temperaturen und Sonnenschein
PORTO (dpa) - Wer Glühwein und Schnee entkommen will, packt am besten einen Regenschirm ein und trinkt Portwein in Porto. Und wenn dort mal die Sonne scheint, glaubt man gar nicht mehr, dass Winter ist.
Mitternacht, Möwen kreischen. Über dem Rathaus ziehen sie Kreise. Ein Mann läuft im T-Shirt vorbei. Auf dem weitläufigen Rathausplatz stehen Stühle, als warteten sie auf Flaneure, die sich ausruhen wollen. Die Luft ist mild. Porto von Dezember bis März: Das bedeutet meist angenehme Temperaturen, oft Regen, aber auch Sonne. In der Küstenstadt, wo der Douro in den Atlantik mündet, kann man den Winter getrost vergessen.
Portuenser baden sogar im Meer
Läuft man durch die steilen Gassen, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Die Häuser sind alt und oft kunstvoll verziert, an gefühlt jeder Ecke stößt man auf eine Kirche, und wenn man im mittelalterlichen Viertel Ribeira am Ufer des Douro in die historische Tram steigt, die einen fast bis zur Küste bringt, wird man erst recht nostalgisch. An Sonnentagen beschleicht einen das Gefühl, der Sommer wäre nur mal kurz Zigaretten holen.
Portuenser gehen an solchen Wintertagen, die fast warm sind, ins Meer. Wenigstens bis zu den Knien, wie André Apolinário erzählt. Der 37-Jährige führt durch die Stadttour Taste Porto und will Besuchern auf Stippvisiten in verschiedenen Cafés und Restaurants die portugiesische Küche näherbringen. Nebenbei erklärt er noch die halbe Stadt. Ungläubige Blicke, als er die Gruppe zum McDonald's im Stadtzentrum führt. Keine Sorge, er zeige den Burgerladen nur wegen des Gebäudes, sagt Apolinário: Das mondänste Café der Stadt habe sich in den 1930er Jahren darin befunden. Ein Café mit edlen Wandverzierungen, in dem die Leute nun Cheeseburger essen. „Besser als wenn das Gebäude leer steht, so wie die letzten Jahre“, sagt Apolinário und macht sich zum Bahnhof São Bento auf, um die Verzierungen auf den berühmten Keramikfliesen zu zeigen. Im Uhrzeigersinn zeichnen die bemalten Kacheln, die zu einem großen Bild werden, das Transportwesen nach – vom Esel bis zur Eisenbahn.
Auf der Tour mit dem Profi, der mühelos erklärt, welche Gebäude welchem Baustil entspringen, wird klar, wie wichtig Architektur in Porto ist. Der Lehrstuhl an der Uni ist bekannt, viele Gebäude von berühmten Architekten sind zu sehen, etwa das futuristische Konzerthaus Casa da Música von Rem Koolhaas. Und dann ist da natürlich das Essen. Apolinário reicht Folar, eine Art herzhaften Kuchen mit dicken Wurststücken. Die Begeisterung, die der Portuenser an den Tag legt, wenn er Stockfisch, Wurst aus Enten-, Kaninchen-, Wachtel- und Hühnerbrustfleisch oder süßes Gebäck vorsetzt, steckt an. Mit ausladenden Gesten beschreibt er, aus welcher Region die Produkte kommen, betont, wie gerne die Portugiesen gemeinsam essen und erzählt Geschichten zu den Läden, durch die er führt.
Stadt im Aufbruch
Beim Portwein endet die fast vierstündige Tour. Apolinário stellt Davide Ferreira vor, der bei den großen Portweinherstellern auf der anderen Seite des Douro arbeitete – bis er beschloss, seinen Weinladen Touriga aufzumachen. „Ich wollte mein eigenes Ding machen“, sagt der 40-Jährige und bestätigt den Eindruck, den man nach kurzer Zeit von Porto hat: Junge Menschen eröffnen Läden, probieren sich aus, es wird gebaut und renoviert, die Stadt ist im Aufbruch.
Ferreira bietet drei Portweine zum Probieren und erklärt, warum der Wein so stark und süß ist: Die Gärung wird, anders als bei herkömmlichem Wein, nach zwei bis drei Tagen unterbrochen, indem hochprozentiger Alkohol dazu kommt. Wer das genauer verstehen will, kann eine Tour in den Kellereien in Vila Nova de Gaia besuchen. Das bietet sich auch an, wenn man die Weine verkosten will. Die 45 Meter hohe Metallbrücke Ponte Dom Luís verbindet Porto mit dem Städtchen, das für seine dort ansässigen Portweinhersteller bekannt ist.
Wenn es in Porto dann mal doch regnet, erinnert die Stadt eher an London als an Sommer, bloß mit Rechtsverkehr und entspannteren Leuten. Die Freundlichkeit der Einwohner ist bemerkenswert. Weder strömender Regen noch Touristenscharen scheinen sie aus der Ruhe zu bringen. Apolinária sagt, er liebe Porto im Regen.
Maria Oliveira, die im „Porto Vintage Guesthouse“arbeitet, sagt, sie habe kein Problem damit, wenn viele Touristen die Stadt sehen wollten. Sie erklärt das mit der Vergangenheit als Seefahrer- und Handelsstadt. Der Kontakt mit fremden Kulturen spielte immer eine große Rolle. „Wir mögen jeden“, sagt Oliveira.
In den vielen Cafés, guten Rückzugsorten an verregneten Tagen, scheint sich das zu bestätigen: Im altehrwürdigen „Café Majestic“bleiben die Mitarbeiter freundlich, wenn die Besucher die Tür nicht hinter sich schließen oder minutenlang Selfies machen. Das Café ist so ansehnlich wie die 1906 eröffnete Jugendstil-Buchhandlung Lello, die vom britischen „Guardian“zur schönsten der Welt gekürt wurde. Allerdings werden beide von Touristen belagert, seit Gerüchte aufkamen, HarryPotter-Autorin J.K. Rowling, die in den 1990ern in Porto lebte, habe sich hier inspirieren lassen. Verwunschen wie in Hogwarts sieht es aus – auch der Bahnhof São Bento weckt entsprechende Assoziationen.
Eine mächtige Französin
Wer es ruhiger mag, geht ins „Café Santiago“. Es ist bekannt für das berühmteste Gericht in Porto: Francesinha (kleine Französin), ein Sandwich ähnlich dem französischen Croque Monsieur. Zwischen Toastscheiben liegen Schinken, Linguiça (geräucherte Schweinewurst) und ein Beefsteak. Das Ganze wird mit Käse überbacken und mit einer Soße aus Bier, Senf, Tomaten und Portwein übergossen. Dazu werden oft noch Pommes und Spiegelei bestellt. Danach ist man satt und träge.
Noch jede Menge Energie braucht man aber, denn Porto ist reich an Museen. Kinder und Erwachsene können in der interaktiven World of Discoveries auf den Spuren portugiesischer Seefahrer wandern. Sportfans vergnügen sich im Museum des FC Porto, Kunstinteressierte im Serralves Museum für zeitgenössische Kunst. Das Museum für Fotografie lohnt einen Besuch allein wegen der Räume – es ist in einem ehemaligen Gefängnis untergebracht. Dort saß einst der portugiesische Schriftsteller Camilo Castelo Branco wegen Ehebruchs ein und schrieb seinen Roman „Das Verhängnis der Liebe“.
Porto hat viele solcher Geschichten zu erzählen, die im Sommer, wenn Strand und Wasser locken, eher untergehen. „An Wintertagen kann man hier noch mehr entdecken“, sagt Maria Oliveira.