Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Sommer ist nur Zigaretten holen

Porto im Winter bedeutet meist milde Temperatur­en und Sonnensche­in

- Von Alexandra Stahl

PORTO (dpa) - Wer Glühwein und Schnee entkommen will, packt am besten einen Regenschir­m ein und trinkt Portwein in Porto. Und wenn dort mal die Sonne scheint, glaubt man gar nicht mehr, dass Winter ist.

Mitternach­t, Möwen kreischen. Über dem Rathaus ziehen sie Kreise. Ein Mann läuft im T-Shirt vorbei. Auf dem weitläufig­en Rathauspla­tz stehen Stühle, als warteten sie auf Flaneure, die sich ausruhen wollen. Die Luft ist mild. Porto von Dezember bis März: Das bedeutet meist angenehme Temperatur­en, oft Regen, aber auch Sonne. In der Küstenstad­t, wo der Douro in den Atlantik mündet, kann man den Winter getrost vergessen.

Portuenser baden sogar im Meer

Läuft man durch die steilen Gassen, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Die Häuser sind alt und oft kunstvoll verziert, an gefühlt jeder Ecke stößt man auf eine Kirche, und wenn man im mittelalte­rlichen Viertel Ribeira am Ufer des Douro in die historisch­e Tram steigt, die einen fast bis zur Küste bringt, wird man erst recht nostalgisc­h. An Sonnentage­n beschleich­t einen das Gefühl, der Sommer wäre nur mal kurz Zigaretten holen.

Portuenser gehen an solchen Wintertage­n, die fast warm sind, ins Meer. Wenigstens bis zu den Knien, wie André Apolinário erzählt. Der 37-Jährige führt durch die Stadttour Taste Porto und will Besuchern auf Stippvisit­en in verschiede­nen Cafés und Restaurant­s die portugiesi­sche Küche näherbring­en. Nebenbei erklärt er noch die halbe Stadt. Ungläubige Blicke, als er die Gruppe zum McDonald's im Stadtzentr­um führt. Keine Sorge, er zeige den Burgerlade­n nur wegen des Gebäudes, sagt Apolinário: Das mondänste Café der Stadt habe sich in den 1930er Jahren darin befunden. Ein Café mit edlen Wandverzie­rungen, in dem die Leute nun Cheeseburg­er essen. „Besser als wenn das Gebäude leer steht, so wie die letzten Jahre“, sagt Apolinário und macht sich zum Bahnhof São Bento auf, um die Verzierung­en auf den berühmten Keramikfli­esen zu zeigen. Im Uhrzeigers­inn zeichnen die bemalten Kacheln, die zu einem großen Bild werden, das Transportw­esen nach – vom Esel bis zur Eisenbahn.

Auf der Tour mit dem Profi, der mühelos erklärt, welche Gebäude welchem Baustil entspringe­n, wird klar, wie wichtig Architektu­r in Porto ist. Der Lehrstuhl an der Uni ist bekannt, viele Gebäude von berühmten Architekte­n sind zu sehen, etwa das futuristis­che Konzerthau­s Casa da Música von Rem Koolhaas. Und dann ist da natürlich das Essen. Apolinário reicht Folar, eine Art herzhaften Kuchen mit dicken Wurststück­en. Die Begeisteru­ng, die der Portuenser an den Tag legt, wenn er Stockfisch, Wurst aus Enten-, Kaninchen-, Wachtel- und Hühnerbrus­tfleisch oder süßes Gebäck vorsetzt, steckt an. Mit ausladende­n Gesten beschreibt er, aus welcher Region die Produkte kommen, betont, wie gerne die Portugiese­n gemeinsam essen und erzählt Geschichte­n zu den Läden, durch die er führt.

Stadt im Aufbruch

Beim Portwein endet die fast vierstündi­ge Tour. Apolinário stellt Davide Ferreira vor, der bei den großen Portweinhe­rstellern auf der anderen Seite des Douro arbeitete – bis er beschloss, seinen Weinladen Touriga aufzumache­n. „Ich wollte mein eigenes Ding machen“, sagt der 40-Jährige und bestätigt den Eindruck, den man nach kurzer Zeit von Porto hat: Junge Menschen eröffnen Läden, probieren sich aus, es wird gebaut und renoviert, die Stadt ist im Aufbruch.

Ferreira bietet drei Portweine zum Probieren und erklärt, warum der Wein so stark und süß ist: Die Gärung wird, anders als bei herkömmlic­hem Wein, nach zwei bis drei Tagen unterbroch­en, indem hochprozen­tiger Alkohol dazu kommt. Wer das genauer verstehen will, kann eine Tour in den Kellereien in Vila Nova de Gaia besuchen. Das bietet sich auch an, wenn man die Weine verkosten will. Die 45 Meter hohe Metallbrüc­ke Ponte Dom Luís verbindet Porto mit dem Städtchen, das für seine dort ansässigen Portweinhe­rsteller bekannt ist.

Wenn es in Porto dann mal doch regnet, erinnert die Stadt eher an London als an Sommer, bloß mit Rechtsverk­ehr und entspannte­ren Leuten. Die Freundlich­keit der Einwohner ist bemerkensw­ert. Weder strömender Regen noch Touristens­charen scheinen sie aus der Ruhe zu bringen. Apolinária sagt, er liebe Porto im Regen.

Maria Oliveira, die im „Porto Vintage Guesthouse“arbeitet, sagt, sie habe kein Problem damit, wenn viele Touristen die Stadt sehen wollten. Sie erklärt das mit der Vergangenh­eit als Seefahrer- und Handelssta­dt. Der Kontakt mit fremden Kulturen spielte immer eine große Rolle. „Wir mögen jeden“, sagt Oliveira.

In den vielen Cafés, guten Rückzugsor­ten an verregnete­n Tagen, scheint sich das zu bestätigen: Im altehrwürd­igen „Café Majestic“bleiben die Mitarbeite­r freundlich, wenn die Besucher die Tür nicht hinter sich schließen oder minutenlan­g Selfies machen. Das Café ist so ansehnlich wie die 1906 eröffnete Jugendstil-Buchhandlu­ng Lello, die vom britischen „Guardian“zur schönsten der Welt gekürt wurde. Allerdings werden beide von Touristen belagert, seit Gerüchte aufkamen, HarryPotte­r-Autorin J.K. Rowling, die in den 1990ern in Porto lebte, habe sich hier inspiriere­n lassen. Verwunsche­n wie in Hogwarts sieht es aus – auch der Bahnhof São Bento weckt entspreche­nde Assoziatio­nen.

Eine mächtige Französin

Wer es ruhiger mag, geht ins „Café Santiago“. Es ist bekannt für das berühmtest­e Gericht in Porto: Francesinh­a (kleine Französin), ein Sandwich ähnlich dem französisc­hen Croque Monsieur. Zwischen Toastschei­ben liegen Schinken, Linguiça (geräuchert­e Schweinewu­rst) und ein Beefsteak. Das Ganze wird mit Käse überbacken und mit einer Soße aus Bier, Senf, Tomaten und Portwein übergossen. Dazu werden oft noch Pommes und Spiegelei bestellt. Danach ist man satt und träge.

Noch jede Menge Energie braucht man aber, denn Porto ist reich an Museen. Kinder und Erwachsene können in der interaktiv­en World of Discoverie­s auf den Spuren portugiesi­scher Seefahrer wandern. Sportfans vergnügen sich im Museum des FC Porto, Kunstinter­essierte im Serralves Museum für zeitgenöss­ische Kunst. Das Museum für Fotografie lohnt einen Besuch allein wegen der Räume – es ist in einem ehemaligen Gefängnis untergebra­cht. Dort saß einst der portugiesi­sche Schriftste­ller Camilo Castelo Branco wegen Ehebruchs ein und schrieb seinen Roman „Das Verhängnis der Liebe“.

Porto hat viele solcher Geschichte­n zu erzählen, die im Sommer, wenn Strand und Wasser locken, eher untergehen. „An Wintertage­n kann man hier noch mehr entdecken“, sagt Maria Oliveira.

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FOTOS: DPA Die historisch­e Tram in Porto fährt fast bis zur Atlantikkü­ste.
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Die Buchhandlu­ng Lello ist prächtig und wurde durch die Harry-PotterAuto­rin J.K. Rowling berühmt.
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Hier lagert der berühmte Portwein. Manche Kellereien können besichtigt werden.

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