Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Merkel gibt sich selbstkritisch
Kanzlerin erklärt ihren Rückzug und wirbt in der Neujahrsansprache für globale Lösungen
BERLIN (dpa/epd) - Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Neujahrsansprache Routine. Dieses Jahr jedoch nahm sich die CDU-Politikerin nicht nur der globalen Probleme an. Die ehemalige CDU-Vorsitzende zeigte sich überaus selbstkritisch. Die 64-Jährige ging auf die langwierige Regierungsbildung nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 ein – und auf die Diskussionen mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Sommer in der Flüchtlingspolitik.
„Ich weiß, viele von Ihnen haben sehr mit der Bundesregierung gehadert“, sagte sie. „Erst haben wir lange gebraucht, um überhaupt eine Regierung zu bilden, und als wir sie hatten, da gab es Streit und viel Beschäftigung mit uns selbst.“Tatsächlich müssten Staatsdiener jedoch alles in ihrer Macht Stehende für den inneren Frieden und den Zusammenhalt des Landes tun. Aus diesem Blickwinkel müssten sie sich überprüfen. Dies habe sie getan und sei zur Erkenntnis gelangt, nach dieser Legislaturperiode keine politischen Ämter mehr auszuüben. „Die Demokratie lebt vom Wechsel, und wir alle stehen in der Zeit“, so Merkel.
Die Bundesbürger stimmte die Kanzlerin auf die wachsende internationale Verantwortung Deutschlands ein. Um Herausforderungen zu meistern, setze die Bundesregierung auf globale Zusammenarbeit, sagte Merkel. „Da ist die Schicksalsfrage des Klimawandels, die der Steuerung und Ordnung der Migration, da ist der Kampf gegen den internationalen Terrorismus. In unserem eigenen Interesse wollen wir alle diese Fragen lösen, und das können wir am besten, wenn wir die Interessen anderer mitbedenken“, sagte Merkel. Dies sei die Lehre aus den zwei Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts. Deutschland, das ab 1. Januar für zwei Jahre Mitglied im UN-Sicherheitsrat ist, werde sich dort „für globale Lösungen einsetzen“. Schließlich seien Gewissheiten der internationalen Zusammenarbeit unter Druck geraten, sagte die Regierungschefin in Anspielung auf nationale Alleingänge etwa der US-Regierung unter Präsident Donald Trump.
Den immer näher rückenden Klimawandel rückte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ins Zentrum seiner Neujahrsansprache. „Eine lange Hitzeperiode, ausgedorrte Felder, Waldbrände und Niedrigwasser in unseren Flüssen haben uns spüren lassen: Wenn wir über den Klimawandel sprechen, geht es nicht mehr nur um eine ferne Zukunft und um unsere Kinder und Enkel. Es geht auch um unsere Gegenwart“, sagte der Grünen-Politiker. Dabei müsse nicht nur die Politik handeln, „jeder Einzelne ist gefragt“. Ähnlich argumentierte auch die Kanzlerin – in Bezug auf die Demokratie. Es gehe „um unsere Werte: Offenheit, Toleranz und Respekt“. Hierfür müssten sich alle Bürger gemeinsam einsetzen, auch wenn es unbequem und anstrengend sei.