Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Putin bietet Trump Dialog an
Russisch-türkisches Treffen nach US-Rückzug aus Syrien
MOSKAU (dpa) - Der russische Präsident Wladimir Putin will 2019 den Dialog mit den USA und deren Präsident Donald Trump wieder verstärken. Russland sei offen für umfassende Gespräche, betonte der Kremlchef in seinen traditionellen Neujahrswünschen. Die Beziehungen seien „ein wichtiger Faktor für strategische Stabilität und internationale Sicherheit“.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist seit Jahren schlecht. Nun droht der 30 Jahre alte INF-Vertrag zum Verbot atomarer Mittelstreckenwaffen zu platzen. Auch trüben die Konflikte in der Ukraine und in Syrien die Stimmung.
Angesichts des geplanten Abzugs der US-Truppen aus dem Kriegsland wollen Russland und die Türkei ihr Vorgehen stärker koordinieren. Dies betonten die Außenminister Sergej Lawrow und Mevlut Cavusoglu am Samstag nach einem Treffen in Moskau. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat derweil den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem Telefonat zur Zurückhaltung in Syrien aufgefordert.
MEXIKO-STADT - Mit dem Wechsel zum Neuen Jahr tritt Jair Bolsonaro das Amt des Präsidenten in Brasilien an. Millionen Menschen in dem südamerikanischen Riesenstaat sehnen diesen Moment herbei wie die Ankunft des Retters, der mit Gewalt und Korruption aufräumen und die Wirtschaftskrise beenden wird. Millionen andere in Brasilien und dem Ausland fürchten hingegen, der Aufstieg des Rechtsradikalen zum Staatschef der wichtigsten und größten Nation Lateinamerikas bedeute das Ende der Demokratie, der Liberalität und des traditionellen Multilateralismus Brasiliens. Klar ist jedenfalls, dass Bolsonaro und seine Machtüberahme am 1. Januar eine Zeitenwende für das Land und die Region bedeuten.
Aber die Politik des 63-Jährigen kann auch Folgen für den ganzen Planeten haben. Umweltschützer halten Bolsonaro und seine Regierung für die Totengräber der Amazonas-Region und damit für eine globale Gefahr. Der künftige Präsident will Umweltauflagen zugunsten der Landwirtschaft lockern, Kontrollen und Strafen für illegalen Holzschlag reduzieren und die Genehmigung von Infrastruktur- und Bergbauprojekten vereinfachen. Während die Holzfällerlobby, Großgrundbesitzer und Anhänger einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Lunge der Welt beinahe freie Hand haben werden, stehen unter der neuen Regierung Umweltschützer, Ureinwohner und soziale Bewegungen unter Terrorismusverdacht.
Umweltministerium steht infrage
Schon im Wahlkampf versprach Bolsonaro, das Pariser Klimaabkommen zu kündigen und das Umwelt- im Landwirtschaftsministerium aufzulösen. Beide Vorhaben liegen vorerst zwar auf Eis, aber auf Druck der künftigen Administration zog Brasiliens scheidende Regierung die Bewerbung um die Ausrichtung der UN-Klimakonferenz COP 25 im kommenden Jahr zurück.
Überhaupt haben es die neuen Machthaber nicht so mit multilateralen Abkommen. Auch beim Migrationspakt von Marrakesch wird Brasilien nicht mitmachen. Der Pakt sei ein ungeeignetes Instrument, um mit dem „Problem der Migration“umzugehen, erklärte Ernesto Araújo über den Kurznachrichtendienst Twitter. Der 51-jährige künftige Außenminister teilt mit seinem Vorbild Donald Trump nicht nur die Vorliebe für Twitter-Statements, sondern verabscheut genauso die Globalisierung.
Trumps Verbündete im Süden
Araújo und sein Chef Bolsonaro bieten sich zudem als Verbündeter der USA in Lateinamerika an, eine Rolle die Brasilien historisch fremd ist und bisher eher Kolumbien und Mexiko zufiel. Aber die aktuelle Regierung in Washington und die künftige in Brasilia teilen zwei grundlegende außenpolitische Vorhaben: die Zurückdrängung des wirtschaftlichen Einflusses Chinas in ihrer jeweiligen Region und die stärkere Annäherung an Israel. Auch Bolsonaro will Brasiliens Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Zudem will er die palästinensische Vertretung in der Hauptstadt Brasilia schließen.
Hass gegen Linke und Schwarze
Außenminister und Präsident haben sich auf die Fahnen geschrieben, in ihrer Regierung das auszumerzen, was sie als „kulturellen Marxismus“bezeichnen. Dahinter versteckt sich die nahezu hasserfüllte Ablehnung all dessen, was nur den Anschein von links und alternativ hat. So droht Araújo der Arbeiterpartei PT von Ex-Präsident Lula da Silva und der Regierung von Venezuela ebenso wie er LGBT-Aktivisten, Ureinwohner und Afro-Brasilianer verachtet und aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen will. Der Klimawandel, so behauptet der vollbärtige künftige Chefdiplomat Brasiliens, sei ohnehin „die Erfindung der Linken“. Und der PT, die Brasilien rund 13 Jahre regierte, wirft Araújo in seinem Blog „Metapolítica 17“zudem vor, „den sexuellen Wunsch des Mannes nach einer Frau, Disney-Filme, Fleisch und Klimaanlagen kriminalisieren“zu wollen.
Von diesem Kaliber sind viele der 22 Minister, die Bolsonaro für sein Kabinett benannt hat. Bildungsminister Ricardo Vélez Rodríguez etwa zieht gegen Gender-Aufklärung, Sexualkunde und alles Linke in den Schulen zu Felde. Die Lehrpläne sollen umgearbeitet und die über 20 Jahre währende Militärherrschaft als fortschrittliche Zeit beschrieben werden.
Umweltminister Ricardo Salles ist nach Einschätzung von Greenpeace „ Sympathisant der mächtigen Agrarlobby“. Die künftige Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte, Damares Alves, ist eine evangelikale Predigerin, die schon mal laut darüber nachdenkt, Frauen für eine Abtreibung bis zu 15 Jahre ins Gefängnis zu schicken.
Kaum Frauen, viele Uniformierte
Alves ist übrigens eine von nur zwei Frauen im Kabinett. Dafür sind gleich acht Militärs mit Ministerposten versehen. Ehemalige Uniformträger stehen unter anderem den Ministerien für Verteidigung, Bergbau, Wissenschaft und Infrastruktur vor. Auch Vizepräsident Hamilton Mourão ist General der Reserve.
Wirtschaftlich hält nach Jahren des starken Staates unter den PT-Regierungen nun der Neoliberalismus in Brasilien Einzug. Superminister für Wirtschaft und Finanzen wird der ehemalige Investmentbanker Paulo Guedes. Er ist Vertreter der „Chicago-Schule“, die in den 1970er-Jahren vom Ökonom Milton Friedman entwickelt wurde. Guedes hat Schlüsselposten an Gleichgesinnte vergeben, die in der brasilianischen Presse als „Chicago Oldies“belächelt werden. Der Superminister will alles privatisieren, was geht. Selbst der halbstaatliche Ölkonzern Petrobras könnte unter den Hammer kommen.
Die neue brasilianische Regierung werde wirtschaftlich neoliberal und moralisch konservativ sein und sich stark auf die Militärs stützen, sagt Oliver Stünkel vom Thinktank „Stiftung Getúlio Vargas“. Die nationalistischen Globalisierungsgegner, die sich an Donald Trump orientieren, die Neoliberalen um Paulo Guedes, die Wirtschaft und Finanzen kontrollieren, und die Militärs seien die drei Machtgruppen, sagt der Experte. „Man muss sehen, wie diese Kräfte zusammenspielen“.
Brasilien ist mit rund 208 Millionen Einwohnern und einer Fläche von mehr als 8,5 Millionen Quadratkilometern das fünftgrößte Land der Welt.
Das an Bodenschätzen reiche Land exportiert zahlreiche Rohstoffe; bei der Agrarproduktion von Soja, Fleisch und Orangensaft ist es Weltspitze. Dank seiner Automobilund Flugzeugproduktion ist es das am stärksten industrialisierte Land Südamerikas. Allerdings ist es hoch verschuldet und von starken sozialen Gegensätzen geprägt. Viele Bürger leben unter der Armutsgrenze.
Brasilien hat mit hohen Kriminalitätsraten zu kämpfen; zuletzt gewannen landesweit aktive Drogenbanden an Macht. Hinzu kommen Umweltprobleme durch Abholzung des Regenwalds und umstrittene Staudammprojekte. Auch die Landlosenfrage bereitet Probleme. Seit Mitte der 1980erJahre kamen bei Landkonflikten 2000 Menschen ums Leben. (KNA)