Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Handelskriege sind schwer zu gewinnen“
EU-Handelskommissarin Malmström über die schwierigen Beziehungen zu Washington
BRÜSSEL (dpa) - Ein Handelskrieg zwischen den USA und Europa: Das war das große Schreckensszenario des Jahres 2018. Muss die Wirtschaft auch in den kommenden zwölf Monaten zittern? Im Interview mit Ansgar Haase spricht EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström über die schwierigen Beziehungen zu Washington und die Hoffnungen für 2019.
Frau Kommissarin, wann führt USPräsident Donald Trump die neuen Autozölle ein?
Sie meinen, ob er sie überhaupt einführen wird. Wir wissen, dass die Untersuchung zum Thema wahrscheinlich abgeschlossen wurde, auch wenn es noch nicht offiziell ist. Die Sache liegt damit beim Präsidenten. Er schaut sich das an, holt sich Rat. Wird er die Zölle einführen oder nicht? Niemand weiß das. Für den Fall, dass die Zölle kommen, bereiten wir eine Liste mit US-Produkten vor, auf die Ausgleichszölle verhängt werden würden.
Stimmt es, dass es um Waren im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro gehen könnte?
Es stimmt, dass sich der Wert europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr beläuft. Der Umfang der Ausgleichsmaßnahmen würde sich nach den entstehenden Schäden richten und im Einklang mit den WTO-Regeln berechnet werden. Genauso wie wir es bei unserer Antwort auf die amerikanischen Stahlund Aluminiumzölle gemacht haben.
Anfang Dezember waren deutsche Autobosse ins Weiße Haus eingeladen, um darzulegen, wie sie in den USA investieren. Haben Sie den Eindruck, dass dies die Gefahr neuer Zölle gesenkt hat?
Ich kann das schlecht einschätzen. Grundsätzlich gilt: Wenn es irgendetwas gibt, das zu einer Deeskalation der Situation beiträgt, ist das eine gute Sache. Europäische, vor allem deutsche Unternehmen, investieren enorm in die US-Autoindustrie. Sehr, sehr viele Jobs in den USA hängen direkt oder indirekt an der europäischen Autoindustrie. Sie werden schlechter dastehen, wenn neue Zölle eingeführt werden. Direkt und indirekt hängen mehr als eine halbe Million US-Jobs an der europäischen Autoindustrie – nicht nur an der deutschen.
Wie gefährlich ist der andauernde Handelskonflikt zwischen den USA und China? Ist das nur schlecht für Europa oder könnten europäische Unternehmen auch profitieren?
Alles in allem ist das schlecht, weil unsere großen Konzerne eng mit der amerikanischen und chinesischen Wirtschaft verflochten sind. Es schafft Unsicherheit, und wir hören bereits jetzt von vielen, vielen Unternehmen Klagen. Vielleicht lassen sich ein, zwei Unternehmen finden, die von der Situation profitieren, aber unter dem Strich ist das nicht gut. Wir hoffen, dass die aktuelle Pause im Konflikt zu etwas Konstruktivem, zu Deeskalation führt. Handelskriege sind nichts Gutes, und sie sind schwer zu gewinnen.
Als Reaktion auf die Handelskonflikte haben die G20-Staaten vereinbart, eine Reform der Welthandelsorganisation WTO zu unterstützen. Wird das nicht mindestens ein Jahrzehnt brauchen?
Ich denke nicht, dass wir das als Gesamtpaket machen können. Wir haben jetzt unter anderem Vorschläge zu Notifizierungs- und Transparenzregeln gemacht. Da sind die USA mit an Bord. Das wäre schon etwas, wenn wir das durchbringen könnten. Es würde Vertrauen schaffen. Dann wird es darum gehen, das WTO-Berufungsgremium zu retten. Da ist es jetzt an den USA, auf einen von uns vorgelegten Reformvorschlag zu reagieren. Und dann geht es auch darum, grundsätzliche Regeln zu aktualisieren. Da sprechen wir zum Beispiel über den Umgang mit der massiven Subventionierung von chinesischen Unternehmen in Staatsbesitz.
2018 wurde von Handelskonflikten bestimmt. Gibt es etwas, was Sie optimistisch ins Jahr 2019 blicken lässt?
In der Tat sind die globalen Handelskriege, die Zölle und der Protektionismus besorgniserregend. Aber aus europäischer Sicht bin ich noch immer hoffnungsvoll. Wir haben ein sehr gutes neues Handelsabkommen mit Kanada, und am 1. Februar 2019 wird das Handelsabkommen mit Japan in Kraft treten – das größte, das wir jemals geschlossen haben. Ein bisschen später wird dann hoffentlich Singapur folgen, und die Verhandlungen mit Mexiko und Vietnam sind auch abgeschlossen. Zudem hoffe ich, dass wir die Verhandlungen mit der südamerikanischen Staatengruppe Mercosur abschließen können. Das zeigt, dass wir an einem sehr starken Freundeskreis arbeiten, der ein multilaterales System verteidigt. Das ist beruhigend, weil es zeigt, dass es viele gibt, die keine Freunde willkürlicher Zölle und Handelskriege sind.