Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Renditen gegen den Klimawandel
Das Thema Nachhaltigkeit entwickelt sich mehr und mehr zum wichtigen Bestandteil von Investmentstrategien
STUTTGART - Die Zeit drängt. Die Weltklimakonferenz in Kattowitz hat einmal mehr deutlich gemacht, dass weltweit enorme Anstrengungen nötig sind, um die katastrophalen Folgen der Erderwärmung einzudämmen. Doch während der Abschied von klimaschädlichen Energieträgern oder die Umstellung auf emissionsarme Mobilität nur langsam vorankommen, setzt die Europäische Union nun einen Hebel an, der solche Prozesse beschleunigen soll. „Gemeint ist Kapital, das rasch und gezielt bewegt werden kann“, sagt Christoph Groß, Fondsmanager der LBBW Asset Management. Mit einer neuen Richtlinie will Brüssel hier von 2019 an sanften Druck zugunsten von klimafreundlicheren Investments ausüben.
Dahinter steckt die Idee, Kapital aus alten fossilen in neue zukunftsträchtige Energiebereiche umzulenken, was als eine Form des Impact Investing beschrieben wird. „Kapital wirkt damit wie ein Katalysator in die gewünschte Richtung“, erläutert Groß. Vorgemacht haben dies etwa der Norwegische Pensionsfonds oder Versicherer wie die Allianz und die Axa, die Investments in fossilen Brennstoffen schon den Rücken gekehrt haben. Diese Strategie des Divestments aus fossilen Energieunternehmen entspricht dem Geist des Pariser UN-Klimaabkommens von 2015, wonach das Finanzsystem klimafreundlicher werden soll. Seitdem gehen institutionelle und private Anleger verstärkt dazu über, ihre Investments unter Aspekten wie Klimarisiken und fossile Brennstoffe unter die Lupe zu nehmen. Für zusätzlichen Schub soll ab Januar die überarbeitete EU-Pensionsfondsrichtlinie für die betriebliche Altersvorsorge (IORP II) sorgen, die die Manager von Pensionsfonds zwingt, die Klimarisiken, die in ihren Anlagen schlummern, offen zu legen.
„Die Sensibilität für nachhaltige Anlagen, die dazu beitragen können, den ökologischen Fußabdruck zu mindern, ist deutlich gestiegen,“sagt Fondsmanager Groß. Hätten doch zumindest institutionelle Anleger mittlerweile erkannt, dass Klimarisiken spürbare mittel- und langfristige Auswirkungen auf ihre Kapitalanlagen haben könnten. Abzulesen ist dies am stark gestiegenen Anteil nachhaltig orientierter Spezialfonds, die Groß und sein Team verwalten. Binnen zwei Jahren ist dieser Wert von einer auf 19 Milliarden Euro nach oben geschnellt – und das bei einem verwalteten Vermögen der LBBW Asset Management von insgesamt 70 Milliarden Euro. Für Groß ist jedenfalls klar: „Nachhaltigkeit ist eines der beherrschenden Themen unserer Zeit.“
Klimafreundliche Investments stellen aber nur eine Teilmenge dessen dar, was man zum großen Bereich der nachhaltigen Geldanlagen zählt. Die Maßstäbe, die dabei Anbieter von nachhaltigen Anlageprodukten anlegen, divergieren zwar, definieren aber in der Regel immer hohe ökologische und soziale Anforderungen sowie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung nach den sogenannten ESG-Kriterien (siehe Kasten) als Voraussetzung für ein Investment. Darüber hinaus werden bestimmte Industrien oft automatisch ausgeschlossen. So haben etwa Produzenten von Anti-Personen-Minen und Streubomben von vorneherein keine Chance, in die Nachhaltigkeitsfonds der führenden Anbieter aufgenommen zu werden. Oder können Branchen wie Rüstung, Atomkraft und Glückspiel bei den Instituten auf dem Index stehen. Dasselbe kann für Produkte gelten, die die Preisentwicklung von Grundnahrungsmitteln abbilden, wie etwa bei der Deka Investment, der Fondsgesellschaft der Sparkassen.
Definierte Nachhaltigkeitskriterien
Bei der konkreten Auswahl von Anlagen, die den Anforderungen der Institute genügen, durchlaufen diese im Prinzip zwei Filter. Zum einen erfolgt eine Titelauswahl nach den definierten Nachhaltigkeitskriterien, zum anderen muss auch die fundamentale Analyse stimmen, heißt es bei der Bethmann Bank, die sich in ihrer Vermögensverwaltung auf nachhaltige Anlagestrategien konzentriert. „Denn gute Finanzdaten alleine reichen für nachhaltige Investments nicht aus“, macht Gregor Frankenhauser klar, der bei dem Institut für die Betreuung der Privatund Unternehmenskunden in Oberschwaben verantwortlich ist.
Breite Anlegerschichten scheinen mit dem Thema allerdings noch zu fremdeln. Denn dass Kunden bewusst nach nachhaltigen Geldanlagen fragten, sei immer noch selten, heißt es dazu bei der Kreissparkasse Ravensburg. „Die Nachfrage muss erst geweckt werden“, sagt Matthias Reiter, Leiter des dortigen Vermögensmanagements. Denn von sich aus äußerten die wenigsten Kunden Interesse an nachhaltigen Geldanlagen. Dagegen registriert Reiter ein gesteigertes Engagement institutioneller Kunden wie Stiftungen, kirchliche Organisationen, aber auch Unternehmen. „Große Investoren wie auch Anbieter können hier als Wegbereiter des Marktes fungieren“, sagt er. So stellt auch die Volksbank Altshausen fest, dass das Thema bei Profianlegern eine zunehmend wichtige Rolle spielt. „Größere Investoren gehen davon aus, dass sich nachhaltiges Wirtschaften mittel- und langfristig deutlich im Erfolg der Unternehmen niederschlägt“, sagt Alexander Metzler, Vermögensberater des Instituts.
Vor diesem Hintergrund bewegen sich die Anteile nachhaltiger Geldanlagen bei den Publikumsanbietern zwar immer noch im niederen Bereich. Dennoch spiegeln hohe Zuwachsraten ein Anspringen der Nachfrage wider. So verzeichnet die Union Investment der genossenschaftlichen Bankengruppe, die sich in Deutschland als Marktführer im Nachhaltigkeitsbereich sieht, 42,1 Milliarden Euro an nachhaltigen Geldanlagen in ihren Büchern – Tendenz steigend. Dies entspricht per September 2018 einem Anteil von 12,4 Prozent am gesamten verwalteten Fondsvermögen. Noch vor Jahresfrist lag dieser Wert bei 10,5 Prozent. Für immer mehr institutionelle Kunden werde Nachhaltigkeit ein unabdingbarer Bestandteil ihrer Investmentstrategie, sagt dazu UnionSprecher Markus Temme. Aber auch bei Privatkunden genieße das Thema einen zunehmenden Stellenwert. „Nachhaltigkeit ist längst keine Modeerscheinung mehr“, so Temme.
Bei der Deka Investment summieren sich die nachhaltigen Investments von privaten und institutionellen Kunden auf 8,0 Milliarden Euro, was einem Anteil am gesamten verwalteten Vermögen von lediglich 3,0 Prozent entspricht. Der Privatkundenbereich über 2,7 Milliarden wies dabei per Ende 2017 einen Schub von 30 Prozent auf. Zählt man die Eigenanlagen der Deka-Gruppe hinzu, summiert sich das Volumen aller nachhaltig verwalteten Gelder auf 28,0 Milliarden Euro.
Trotz der Zuwächse müssen die Anbieter aber immer wieder gegen das Vorurteil ihrer Kunden ankämpfen, nachhaltige Anlagen würden eine schlechtere Rendite erwirtschaften als konventionelle. Stimmt nicht, argumentieren Fondsmanager und Berater, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Dies hat bereits eine groß angelegte Untersuchung der Steinbeis-Hochschule Berlin aus dem Jahr 2013 nachgewiesen. Das Ergebnis: Der Mehrheit der Untersuchungen zufolge wiesen nachhaltige Anlagen kein schlechteres Rendite-RisikoProfil auf als traditionelle Investments. Im Gegenteil, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten über alle Anlageklassen hinweg wirke sich eher positiv aus, heißt es in der Studie. Im konkreten Fall der Bethmann Bank konnte deren Vermögensverwaltung mit nachhaltigen Konzepten – je nach Risikoklasse – innerhalb der letzten fünf Jahre Wertzuwächse vor Kosten zwischen 17 bis 40 Prozent aufweisen – „trotz der deutlichen Börsenkorrektur der vergangenen Wochen“, resümiert Bethmann-Experte Frankenhauser.