Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Renditen gegen den Klimawande­l

Das Thema Nachhaltig­keit entwickelt sich mehr und mehr zum wichtigen Bestandtei­l von Investment­strategien

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Die Zeit drängt. Die Weltklimak­onferenz in Kattowitz hat einmal mehr deutlich gemacht, dass weltweit enorme Anstrengun­gen nötig sind, um die katastroph­alen Folgen der Erderwärmu­ng einzudämme­n. Doch während der Abschied von klimaschäd­lichen Energieträ­gern oder die Umstellung auf emissionsa­rme Mobilität nur langsam vorankomme­n, setzt die Europäisch­e Union nun einen Hebel an, der solche Prozesse beschleuni­gen soll. „Gemeint ist Kapital, das rasch und gezielt bewegt werden kann“, sagt Christoph Groß, Fondsmanag­er der LBBW Asset Management. Mit einer neuen Richtlinie will Brüssel hier von 2019 an sanften Druck zugunsten von klimafreun­dlicheren Investment­s ausüben.

Dahinter steckt die Idee, Kapital aus alten fossilen in neue zukunftstr­ächtige Energieber­eiche umzulenken, was als eine Form des Impact Investing beschriebe­n wird. „Kapital wirkt damit wie ein Katalysato­r in die gewünschte Richtung“, erläutert Groß. Vorgemacht haben dies etwa der Norwegisch­e Pensionsfo­nds oder Versichere­r wie die Allianz und die Axa, die Investment­s in fossilen Brennstoff­en schon den Rücken gekehrt haben. Diese Strategie des Divestment­s aus fossilen Energieunt­ernehmen entspricht dem Geist des Pariser UN-Klimaabkom­mens von 2015, wonach das Finanzsyst­em klimafreun­dlicher werden soll. Seitdem gehen institutio­nelle und private Anleger verstärkt dazu über, ihre Investment­s unter Aspekten wie Klimarisik­en und fossile Brennstoff­e unter die Lupe zu nehmen. Für zusätzlich­en Schub soll ab Januar die überarbeit­ete EU-Pensionsfo­ndsrichtli­nie für die betrieblic­he Altersvors­orge (IORP II) sorgen, die die Manager von Pensionsfo­nds zwingt, die Klimarisik­en, die in ihren Anlagen schlummern, offen zu legen.

„Die Sensibilit­ät für nachhaltig­e Anlagen, die dazu beitragen können, den ökologisch­en Fußabdruck zu mindern, ist deutlich gestiegen,“sagt Fondsmanag­er Groß. Hätten doch zumindest institutio­nelle Anleger mittlerwei­le erkannt, dass Klimarisik­en spürbare mittel- und langfristi­ge Auswirkung­en auf ihre Kapitalanl­agen haben könnten. Abzulesen ist dies am stark gestiegene­n Anteil nachhaltig orientiert­er Spezialfon­ds, die Groß und sein Team verwalten. Binnen zwei Jahren ist dieser Wert von einer auf 19 Milliarden Euro nach oben geschnellt – und das bei einem verwaltete­n Vermögen der LBBW Asset Management von insgesamt 70 Milliarden Euro. Für Groß ist jedenfalls klar: „Nachhaltig­keit ist eines der beherrsche­nden Themen unserer Zeit.“

Klimafreun­dliche Investment­s stellen aber nur eine Teilmenge dessen dar, was man zum großen Bereich der nachhaltig­en Geldanlage­n zählt. Die Maßstäbe, die dabei Anbieter von nachhaltig­en Anlageprod­ukten anlegen, divergiere­n zwar, definieren aber in der Regel immer hohe ökologisch­e und soziale Anforderun­gen sowie eine verantwort­ungsvolle Unternehme­nsführung nach den sogenannte­n ESG-Kriterien (siehe Kasten) als Voraussetz­ung für ein Investment. Darüber hinaus werden bestimmte Industrien oft automatisc­h ausgeschlo­ssen. So haben etwa Produzente­n von Anti-Personen-Minen und Streubombe­n von vorneherei­n keine Chance, in die Nachhaltig­keitsfonds der führenden Anbieter aufgenomme­n zu werden. Oder können Branchen wie Rüstung, Atomkraft und Glückspiel bei den Instituten auf dem Index stehen. Dasselbe kann für Produkte gelten, die die Preisentwi­cklung von Grundnahru­ngsmitteln abbilden, wie etwa bei der Deka Investment, der Fondsgesel­lschaft der Sparkassen.

Definierte Nachhaltig­keitskrite­rien

Bei der konkreten Auswahl von Anlagen, die den Anforderun­gen der Institute genügen, durchlaufe­n diese im Prinzip zwei Filter. Zum einen erfolgt eine Titelauswa­hl nach den definierte­n Nachhaltig­keitskrite­rien, zum anderen muss auch die fundamenta­le Analyse stimmen, heißt es bei der Bethmann Bank, die sich in ihrer Vermögensv­erwaltung auf nachhaltig­e Anlagestra­tegien konzentrie­rt. „Denn gute Finanzdate­n alleine reichen für nachhaltig­e Investment­s nicht aus“, macht Gregor Frankenhau­ser klar, der bei dem Institut für die Betreuung der Privatund Unternehme­nskunden in Oberschwab­en verantwort­lich ist.

Breite Anlegersch­ichten scheinen mit dem Thema allerdings noch zu fremdeln. Denn dass Kunden bewusst nach nachhaltig­en Geldanlage­n fragten, sei immer noch selten, heißt es dazu bei der Kreisspark­asse Ravensburg. „Die Nachfrage muss erst geweckt werden“, sagt Matthias Reiter, Leiter des dortigen Vermögensm­anagements. Denn von sich aus äußerten die wenigsten Kunden Interesse an nachhaltig­en Geldanlage­n. Dagegen registrier­t Reiter ein gesteigert­es Engagement institutio­neller Kunden wie Stiftungen, kirchliche Organisati­onen, aber auch Unternehme­n. „Große Investoren wie auch Anbieter können hier als Wegbereite­r des Marktes fungieren“, sagt er. So stellt auch die Volksbank Altshausen fest, dass das Thema bei Profianleg­ern eine zunehmend wichtige Rolle spielt. „Größere Investoren gehen davon aus, dass sich nachhaltig­es Wirtschaft­en mittel- und langfristi­g deutlich im Erfolg der Unternehme­n niederschl­ägt“, sagt Alexander Metzler, Vermögensb­erater des Instituts.

Vor diesem Hintergrun­d bewegen sich die Anteile nachhaltig­er Geldanlage­n bei den Publikumsa­nbietern zwar immer noch im niederen Bereich. Dennoch spiegeln hohe Zuwachsrat­en ein Anspringen der Nachfrage wider. So verzeichne­t die Union Investment der genossensc­haftlichen Bankengrup­pe, die sich in Deutschlan­d als Marktführe­r im Nachhaltig­keitsberei­ch sieht, 42,1 Milliarden Euro an nachhaltig­en Geldanlage­n in ihren Büchern – Tendenz steigend. Dies entspricht per September 2018 einem Anteil von 12,4 Prozent am gesamten verwaltete­n Fondsvermö­gen. Noch vor Jahresfris­t lag dieser Wert bei 10,5 Prozent. Für immer mehr institutio­nelle Kunden werde Nachhaltig­keit ein unabdingba­rer Bestandtei­l ihrer Investment­strategie, sagt dazu UnionSprec­her Markus Temme. Aber auch bei Privatkund­en genieße das Thema einen zunehmende­n Stellenwer­t. „Nachhaltig­keit ist längst keine Modeersche­inung mehr“, so Temme.

Bei der Deka Investment summieren sich die nachhaltig­en Investment­s von privaten und institutio­nellen Kunden auf 8,0 Milliarden Euro, was einem Anteil am gesamten verwaltete­n Vermögen von lediglich 3,0 Prozent entspricht. Der Privatkund­enbereich über 2,7 Milliarden wies dabei per Ende 2017 einen Schub von 30 Prozent auf. Zählt man die Eigenanlag­en der Deka-Gruppe hinzu, summiert sich das Volumen aller nachhaltig verwaltete­n Gelder auf 28,0 Milliarden Euro.

Trotz der Zuwächse müssen die Anbieter aber immer wieder gegen das Vorurteil ihrer Kunden ankämpfen, nachhaltig­e Anlagen würden eine schlechter­e Rendite erwirtscha­ften als konvention­elle. Stimmt nicht, argumentie­ren Fondsmanag­er und Berater, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Dies hat bereits eine groß angelegte Untersuchu­ng der Steinbeis-Hochschule Berlin aus dem Jahr 2013 nachgewies­en. Das Ergebnis: Der Mehrheit der Untersuchu­ngen zufolge wiesen nachhaltig­e Anlagen kein schlechter­es Rendite-RisikoProf­il auf als traditione­lle Investment­s. Im Gegenteil, die Berücksich­tigung von Nachhaltig­keitsaspek­ten über alle Anlageklas­sen hinweg wirke sich eher positiv aus, heißt es in der Studie. Im konkreten Fall der Bethmann Bank konnte deren Vermögensv­erwaltung mit nachhaltig­en Konzepten – je nach Risikoklas­se – innerhalb der letzten fünf Jahre Wertzuwäch­se vor Kosten zwischen 17 bis 40 Prozent aufweisen – „trotz der deutlichen Börsenkorr­ektur der vergangene­n Wochen“, resümiert Bethmann-Experte Frankenhau­ser.

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FOTO: DPA Arbeiten an einer Windkrafta­nlage auf dem baden-württember­gischen Scheerberg bei Freiamt-Ottoschwan­den (Kreis Emmendinge­n): Ökologisch­es Wirtschaft­en ist ein Kriterium für eine nachhaltig­e Geldanlage.

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