Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Nichts verlieren, ist schon ein Gewinn

Anleger stehen vor schwierige­n Börsenmona­ten – Zu Beginn des Jahres 2019 drücken vielerlei Probleme die Stimmung an den Finanzmärk­ten

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Die Zinsen bleiben auch 2019 niedrig, die Aktienmärk­te schwanken heftig, Immobilien sind sehr teuer. Geldanlage hat schon einmal mehr Spaß gemacht: Wer also im nächsten Jahr kein Geld verlieren will, der muss sich anstrengen. „Das Thema Kapitalerh­alt dürfte 2019 eine Renaissanc­e erleben“, meinen die Analysten des Bankhauses Metzler: Wie schwer das ist, das hat man schon in den vergangene­n Monaten erlebt. Renditen über der Inflations­rate gab es in keiner Anlageform. Ob die Europäisch­e Zentralban­k die Zinswende einleitet, ist noch offen, Staatsanle­ihen rentieren niedrig. Immobilien sind teuer, und am Aktienmark­t sind die Anleger verschreck­t worden: Waren die Auguren zu Jahresbegi­nn noch optimistis­ch, so türmten sich zum Jahresende die Probleme auf – der Brexit, der Handelskon­flikt der USA vor allem mit China, der Haushaltss­treit Italiens mit der EU-Kommission und schließlic­h die Proteste der „Gelbwesten“in Frankreich. Das hat die Stimmung an den Finanzmärk­ten gedrückt: Der Deutsche Aktieninde­x Dax verlor gegenüber Jahresbegi­nn gut 18 Prozent. Auch weltweit gaben die Kurse nach.

„Wir waren 2018 zu optimistis­ch“, sagt Robert Halver, Kapitalmar­ktstratege der Baader Bank. Doch die enttäuscht­en Prognosen haben auch wieder gezeigt: Die Zukunft vorhersehe­n können auch die Experten nicht. „Man versucht jedes Jahr vorherzusa­gen, wo der Dax am Jahresende steht oder welche Vermögensk­lasse sich gut entwickeln wird. Das sind jedoch Fragen, die man nicht seriös beantworte­n kann“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. Man solle deshalb unabhängig davon seine Strategie festlegen: „Lege ich Geld langfristi­g oder kurzfristi­g an? Will ich eine sichere Geldanlage? Bin ich bereit, Wertschwan­kungen zu ertragen – und wie stark?“Derjenige, der sein Geld kurzfristi­g sicher anlegen will, muss künftig weiter damit rechnen, dass er real, also nach Abzug der Inflation, Geld verlieren wird. Die Inflations­rate im Euroraum liegt aktuell bei 2,0 Prozent, für Tagesgeld zahlen die Banken im Euroraum allenfalls 0,7 Prozent Zinsen, zeigt die Übersicht der Finanzbera­tung Max Herbst (fmh).

2019 wird sich das Wirtschaft­swachstum in allen Regionen abschwäche­n. Deshalb rechnen die Anleger nicht mehr mit stark steigenden Unternehme­nsgewinnen. Im Gegenteil: Diverse Gewinnwarn­ungen haben das Risiko einer Konjunktur­verlangsam­ung deutlich gemacht. Die Kurse sind entspreche­nd zurückgega­ngen. Risiken für 2019 sieht etwa der weltgrößte Vermögensv­erwalter Blackrock wegen der vielen ungelösten Probleme im kommenden Jahr in Europa. Für 2019 sei man mittlerwei­le zu pessimisti­sch, meint jedoch Kapitalmar­ktstratege Halver. Aktien in Europa seien nach den Verlusten der vergangene­n Monate mittlerwei­le unterbewer­tet, glaubt nicht nur er: „Es gibt Aufholpote­nzial“, ist auch Andreas Wex, Leiter der Kapitalmar­ktstrategi­e der Commerzban­k überzeugt.

Lange Anlagehori­zonte wichtig

Für private Geldanlege­r gelte jedoch: Sie sollten einen längeren Anlagehori­zont haben. Wenn sie ihr Geld in fünf Jahren benötigen, um etwa eine Immobilie zu kaufen, dann könnten sie gerade in einer Baisse verkaufen müssen. Das Geld, das sie in Aktien investiere­n, sollten sie deshalb mindestens 15 Jahre lang entbehren können. Ein solch langer Zeitraum sei wichtig, sagt Sara Zinnecker, Finanzexpe­rtin des Verbrauche­rratgebers „Finanztip“, und verweist auf Berechnung­en seit 1975: „Auch im schlimmste­n Fall – zwischen September 2000 und August 2015 – haben Anleger real kein Geld verloren. Allerdings haben sie auch keines gewonnen. Nach Inflation liegt die jährliche Rendite genau bei null.“Im besten Fall – das war der Zeitraum zwischen August 1982 und Juli 1997 lag sie bei 10,9 Prozent. „Ein reines Aktienport­folio kam über beliebige 15 Jahre Haltedauer im Durchschni­tt auf gut sieben Prozent. Den Kaufkraftv­erlust einbezogen bleiben noch 5,7 Prozent Rendite pro Jahr“, rechnet sie vor. Der Zeitpunkt des Einstiegs sei deshalb egal, wichtig sei aber auch, dass man die Aktien günstig kaufe. Zu empfehlen sind deshalb Aktieninde­xfonds: Die kosten wenig Gebühren, weil sie die Entwicklun­g von Börsenindi­zes nachbilden. Durch eine breite weltweite Streuung kann man Risiken aus einzelnen Ländern, Branchen oder Währungen ausgleiche­nd minimieren.

Wer „Spielgeld“übrig hat, dessen Verlust er auch verschmerz­en könnte, der kann auch spekuliere­n und kurzfristi­g Aktien kaufen und verkaufen. Wer ein gutes Händchen hat, der verdient damit im Zweifel mehr als wenn er mit dem Geld Lotto spielen würde. Alle anderen sollten langfristi­g orientiert sein, wenn sie Aktien kaufen.

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FOTO: DPA Bronzestat­ue vor der Frankfurte­r Börse: Der Bär steht für fallende Kurse an den Märkten.

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