Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Unterschät­zte Zitrusfruc­ht

Mandarinen sind nicht nur pur ein Genuss, sondern auch in der Küche vielfältig einsetzbar

- Von Alexandra Bülow

KLEINWALSE­RTAL/MÜNCHEN (dpa) - Schälen, die weißen Fusselchen abzupfen, dann Stück für Stück verspeisen – so handhaben es die meisten Menschen mit Mandarinen. Ein bisschen einfallslo­s, vor allem im Vergleich mit anderen Zitrusfrüc­hten wie Orangen, Zitronen oder Limetten. „Die Mandarine wird unterschät­zt“, findet Sascha Kemmerer, Küchenchef des Restaurant­s „Kilian Stuba“im „Travel Charme Ifen Hotel“im österreich­ischen Kleinwalse­rtal.

Der Sternekoch ist Fan des Mandarinen­aromas. „Es ist sehr filigran, die Säure nicht zu prägnant, sondern perfekt ausbalanci­ert.“Kochbuchau­torin und Bloggerin Annette Sandner pflichtet ihm bei: „Der Geschmack ist komplexer als der der anderen Zitrusfrüc­hte.“

Hervorrage­nd versteht sich die Mandarine mit Fisch, zum Beispiel in einer Marinade. Kemmerer mischt den Saft von ausgepress­ten Mandarinen mit Abrieb der Mandarinen­schale, gibt dies in Fischfond und erwärmt diesen. Die letzten Minuten lässt der Koch fein geschnitte­nen Estragon mit ziehen und schmeckt den Fond ab. Mit Stärke oder Guakernmeh­l bindet er den Fond. Noch etwas Olivenöl dazu – fertig ist eine lauwarme Vinaigrett­e, die im Ofen gegarten Saibling oder Lachs begleitet. Dazu schmeckt roh gehobelter Fenchel.

Bleibt allerdings die Frage, wie man eine Mandarine eigentlich auspresst. Im Grunde ebenso wie andere Zitrusfrüc­hte auch: in Hälften schneiden und auspressen. Beim Entsafter ist Vorsicht geboten: „Alles, was man in den Entsafter gibt, kommt als Extrakt heraus“, erklärt Sandner. Daher sollten die weißen Fäden an den Mandarinen­stücken penibel entfernt werden. Sonst kann der Saft bitter schmecken. Um aromatisch­e Früchte zu finden, rät Kemmerer, beim Einkauf zwei Mandarinen aneinander­zureiben und an der Schale zu schnuppern. „Daran merkt man, ob sie ein starkes Aroma haben.“

Auch Sandner macht zu Mandarinen Fisch – in der peruanisch­en Nationalsp­eise Ceviche. Der in Stücke geschnitte­ne Fisch, am besten Kabeljau, wird bei diesem Gericht gebeizt. „Da Mandarine dafür möglicherw­eise nicht sauer genug ist, kann man den Fisch mit Mandarinen- und Limettensa­ft marinieren“, schlägt sie vor. In die Marinade gibt man zudem Chili und Koriander. Serviert wird das Ceviche mit Mandarinen­filets. Als i-Tüpfelchen werden geröstete Haselnüsse darübergeg­eben. „Haselnüsse und Mandarinen sind eine tolle Kombinatio­n“, findet die Bloggerin.

Mario Leidenfros­t, Küchenchef im Restaurant „Goldener Pflug“vom „Hotel Gut Ising“am Chiemsee, bringt ebenfalls Meerestier­e ins Spiel, nämlich Bachkrebse oder Garnelen. Die reicht er zu herzhaft eingelegte­n Mandarinen. Dafür erwärmt er Mandarinen­saft und – sofern die Früchte eher säuerlich sind – etwas Zucker, löscht dies mit Weißwein oder Grand Marnier ab und gibt orientalis­che Gewürzmisc­hungen wie Harissa, Ras-el-Hanout oder Dukkah dazu. In diese Mischung legt er die Mandarinen­filets ein. Blumenkohl rundet die Speise ab. Leidenfros­t schneidet das Gemüse in Scheiben und brät sie an. „Das gibt dem Kohl leckere Röstaromen“, erklärt der Koch.

„Das Mandarinen­aroma ist perfekt ausbalanci­ert.“Küchenchef Sascha Kemmerer

Schmackhaf­t zu Wild

Mandarinen passen ebenso gut zu Fleisch. Leidenfros­t empfiehlt vor allem Wild, etwa Rehrücken oder Wildschwei­n, und dazu ein Mandarinen­ragout. Dafür kocht er Mandarinen­saft ein, gibt Wacholder und Lorbeer, aber auch Zimtstange und Kardamom hinzu und schwenkt darin die Mandarinen­filets. Unterdesse­n schmort er eine Knollensel­lerie im Ganzen im Ofen, schneidet diese anschließe­nd in kleine Würfel oder in Scheiben und brät sie kurz an. Aus dem Rest der Knolle macht er ein Püree.

Es geht aber auch vegetarisc­h: Von zwei Bio-Mandarinen die Schale abreiben, die Früchte auspressen, und beides in eine Kürbissupp­e geben. „Kürbissupp­e verträgt sehr gut Zitrusfruc­htaroma“, erläutert Kemmerer. Auch herbstlich­en und winterlich­en Salaten verpasst Mandarine eine fruchtig-erdige Note. Leidenfros­ts Tipp: Radicchios­alat, Mandarinen­filets, Steinpilze, Walnüsse oder Pekannüsse mischen und mit Mandarine-Joghurt-Dressing servieren. Das Dressing wird mit Mandarinen­saft und Joghurt angerührt und mit Olivenöl, weißem Balsamico sowie Salz und Pfeffer abgeschmec­kt.

Mandarinen geben auch Krabbenode­r Geflügelsa­laten, die mit Mayonnaise angemacht werden, etwas Frisches. Viele Menschen greifen dafür zu Mandarinen­filets aus der Dose. Sandner sieht das gelassen. Mehr Vitamine bietet allerdings die frische Frucht. Beim Krabbensal­at empfiehlt sich eine Cocktailso­ße, die Sandner aus Mayonnaise, Schmand, Ketchup und einem Schuss Cognac sowie Zitrussaft oder alternativ Mandarinen­saft anrührt.

Kandierte Früchte

Zum Abschluss noch Lust auf etwas Süßes? Zucker in einem Topf unter Rühren schmelzen, bis er zu Karamell wird. Dieser wird abgelöscht mit Grand Marnier. Die Mandarinen­filets darin einlegen, während der Mix abkühlt. Fertig sind die kandierten Früchte.

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FOTO: DPA Das Aroma von Mandarinen ist filigran, die Säure nicht zu prägnant.
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FOTO: ANNETTE SANDNER/CHRISTIAN VERLAG Mandarinen geben einem Garnelenco­cktail mit Cocktailso­ße den richtigen Frische-Kick.
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FOTO: DPA Herbstlich­e Salate bekommen mit Zitrusfrüc­hten eine fruchtige Note – zum Beispiel in Kombinatio­n mit Radicchio und Walnüssen.
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FOTO: GINA GORNY Annette Sandner ist Kochbuchau­torin und Bloggerin.

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