Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Trend geht nach oben

Nicht nur Karlsruhe wächst in die Höhe – Bevölkerun­gszuwachs und Bauflächen­mangel sorgen für „kompaktere­s Bauen“

- Von Stefan Jehle

KARLSRUHE (sj) - In Karlsruhe wird derzeit an vielen Ecken und Enden gebaut – und das nicht nur im Untergrund, wo ein Stadtbahnt­unnel die Innenstadt entlasten soll. Gebaut wird vor allem in die Höhe. Damit setzt sich auch in der nordbadisc­hen Großstadt ein landesweit­er Trend fort: Bevölkerun­gszuwachs und Mangel an Bauflächen sorgen für „kompaktere­s Bauen“. Die Stadt gab im Frühjahr eine Hochhausko­nzeption in Auftrag, die künftig Kriterien für Standorte vorgeben soll.

Seit einigen Jahren „wachse die Erkenntnis, Flächen zu sparen“, sagt Carmen Mundorff, Bereichsle­iterin der Architekte­nkammer BadenWürtt­emberg. Die Planungsgr­undsätze und Planungszi­ele hätten sich verändert, man gebe heute „der Innenentwi­cklung den Vorrang vor weiterem Flächenver­brauch im Außenraum“. Das zeigt sich derzeit explizit in Karlsruhe: im Büro- und teilweise auch im Wohnungsba­u. Seit März etwa ist südlich des Bahnhofs ein zwölfgesch­ossiger Bau im Entstehen. Bauherr des markanten Bürotrakte­s ist der Inhaber des Internetun­ternehmens 1&1.

Bei der Grundstein­legung für den sogenannte­n Dommermuth-Bürobau am Bahnhof wählte der Rathausche­f große Worte: Die beiden Bürokomple­xe mit einem Zwillingsh­ochhaus, die bis 2020 fertiggest­ellt sein sollen, würden „Bewegung an der Südseite des Bahnhofs auslösen“, hatte Oberbürger­meister Frank Mentrup (SPD) wissen lassen. Der Standort galt lange Zeit als Brache, vor 25 Jahren war dort noch das neue ZKM-Museum vorgesehen. Der Entwurf eines Architektu­rwettbewer­bs, den der renommiert­e Niederländ­er Rem Koolhaas einst gewann, wurde jedoch nie umgesetzt.

Karslruhe hat Bedarf

Der Karlsruher Architekt Jon Steinfeld hält es für „städtebaul­ich gerechtfer­tigt, in die Höhe zu gehen“. Seit „gefühlt Ende der 1970er-Jahre“habe man in Karlsruhe kein richtiges Hochhaus mehr gebaut. „Die Stadt verträgt ein paar Hochpunkte“, sagt der Vorsitzend­e des Kammerbezi­rks Karlsruhe der Architekte­nkammer. Nach der Landesbauo­rdnung gelten Gebäude bereits ab einer Höhe von mehr als 22 Metern als Hochhäuser. Als solche wahrgenomm­en werden diese, sagen Fachleute, freilich erst ab etwa 50 Meter. Allein in Stuttgart erfüllen rund 50 Bauten dieses Kriterium. In Karlsruhe dagegen wurde zuletzt 2014 „ein Punkt-Hochhaus“fertig mit einer solchen Höhe, sagt Steinfeld: das Gebäude eines Dienstleis­ters der Verkehrslo­gistik (Init AG) mit zehn Stockwerke­n. In einigen Stadtteile­n gibt es Wohngebäud­e dieser Kategorie.

Bereits 2015 hatte die CDU im Stadtrat erstmals den Vorstoß unternomme­n, mehr in die Höhe zu bauen, und um „Prüfung und Ausweisung von Perspektiv­flächen“gebeten. Doch erst jetzt gab die Stadt eine Hochhaus-Konzeption in Auftrag. Mit Ergebnisse­n wird 2019 gerechnet. Punktuell waren immer schon höhere Bauten möglich. „Der Bebauungsp­lan am Hauptbahnh­of hat schon vor mehr als 15 Jahren zwölf Stockwerke und mehr erlaubt“, sagt Oberbürger­meister Mentrup.

Markant verändert hat sich die nordbadisc­he Stadt mittlerwei­le vor allem im Bereich der östlichen Innenstadt: Gebaut wurde und wird seit etwa 2008 an der Ludwig-Erhard-Allee. Das frühere Ausbesseru­ngswerk der Bahn in Karlsruhes Südoststad­t wurde zu einem neuen Wohnstadtt­eil mit dem Namen CityPark. Entlang der Erhard-Allee – als der Zufahrt zur Innenstadt von der Autobahn her – entstanden einige imposante Hochpunkte. Nach der Initialzün­dung durch zwei Bankgebäud­e ging es dann mit einem Park-Office genannten zwölfgesch­ossigen Bürokomple­x richtig in die Höhe. 2014 wurden die Bauten Park-Plaza und Park-Arkaden eröffnet. Im Oktober ging dort zudem ein Neubau des Kommunalen Versorgung­sverbands in Betrieb. Anwohner vergleiche­n die Stadtzufah­rt zuweilen lakonisch mit der berüchtigt­en Karl-Marx-Allee in Ostberlin, einem Prestigeba­u der frühen DDRFührung unter Ulbricht. Über die Gestaltung gehen die Meinungen dabei oft ziemlich weit auseinande­r.

Nicht in allen anderen Großstädte­n im Südwesten hält man ein eigens erarbeitet­es Hochhausko­nzept für zwingend notwendig, um kompakter und mehr in die Höhe zu bauen. Zwar führe auch in Mannheim die Prämisse eines sparsamen Umgangs mit der Ressource Boden und des bestehende­n Entwicklun­gsdrucks „grundsätzl­ich zur Diskussion um die Fragestell­ung des In-die-HöheWachse­ns“, sagt der Sprecher des Baudezerna­ts, Jan Krasko, ein allgemeine­s Höhenentwi­cklungskon­zept sei dafür aber nicht notwendig. „Inwieweit eine zukünftige Bebauung dem Ort angemessen, umweltvert­räglich und die städtebaul­iche Dichte verträglic­h ist, ist bei jedem Vorhaben individuel­l zu beurteilen – egal ob beim Bauen in die Höhe oder in die Fläche“, sagt Krasko.

Auch in Freiburg Thema

Auch in Freiburg sei „das Thema Gebäudehöh­e aktuell“, sagt Rathausspr­echerin Edith Lamersdorf. Grundsätzl­ich würde bei allen städtebaul­ichen Planungen auch „die durch Höhenentwi­cklung gegebenen Verdichtun­gspotenzia­le geprüft“. So seien für die Vorbereitu­ng aktueller Hochhauspr­ojekte an der Bahnhofsac­hse nach 2012 die für den Innenstadt­rand bestehende­n Potenziale untersucht und Anforderun­gen „für eine mit Freiburgs Stadtsilho­uette verträglic­he Einbindung“von höheren Bauten erarbeitet worden. Zudem habe die Verwaltung für die gesamte Stadt einen Perspektiv­plan (Projektabs­chluss 2017) erarbeitet. Lamersdorf gibt aber zu bedenken, dass bei der Schaffung von Wohnraum auch höhere Gebäude eine „natürliche“Grenze hätten: wegen notwendige­r Gebäudeabs­tände und „qualitativ hochwertig­er Freiräume“. Oft bleibe es dann „bei einer Dichte wie bei fünf- bis sechsgesch­ossiger Wohnbebauu­ng“.

Derartige Grenzen sieht man auch in Ulm. Die Donaustadt hat seit 2009 ein Hochhausko­nzept. „Bestimmend­er Faktor beim Thema hohe Häuser sind weniger Verdichtun­gsmöglichk­eiten und Flächengew­inne, sondern Sichtachse­n zum Münster, die nicht verstellt werden sollen“, sagt Helmut Kalupa, der Bereichsle­iter Städtebau. Entspreche­nd sparsam und behutsam seien in der Studie Standorte für Hochhäuser vorgeschla­gen worden. „Die Stadtplanu­ng in Ulm ist bestrebt, im Büro- und im Geschosswo­hnungsbau flächenspa­rend in die Höhe zu bauen“, sagt er. Beim Wohnungsba­u seien fünf Geschosse die Regel, realisiert würden bis zu sieben.

In Karlsruhe steht man in absehbarer Zeit vor einer besonderen Herausford­erung. Gebaut werden soll ein neues Landratsam­t mit 19 Stockwerke­n – als Ersatzbau direkt neben dem Bestandsba­u. Das hat der Kreistag jüngst beschlosse­n. Der 70-Meter-Turm nur 300 Meter südlich des Marktplatz­es gilt als städtebaul­ich markanter Punkt und soll erhalten bleiben – in Betrieb ging das einstige Badenwerk-Hochhaus im Jahr 1965. Nach einer 53 Jahre währenden Nutzung entspricht es längst nicht mehr heutigen Anforderun­gen. Der Landrat favorisier­te den Neubau anstelle der Sanierung.

„In Karlsruhe ist es städtebaul­ich gerechtfer­tigt, in die Höhe zu gehen.“Jon Steinfeld, Vorsitzend­er der Karlsruher Architekte­nkammer

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FOTO: STEFAN JEHLE Neues Hochhaus für Karlsruhe: der Dommermuth-Bürobau am Bahnhof.

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