Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Trend geht nach oben
Nicht nur Karlsruhe wächst in die Höhe – Bevölkerungszuwachs und Bauflächenmangel sorgen für „kompakteres Bauen“
KARLSRUHE (sj) - In Karlsruhe wird derzeit an vielen Ecken und Enden gebaut – und das nicht nur im Untergrund, wo ein Stadtbahntunnel die Innenstadt entlasten soll. Gebaut wird vor allem in die Höhe. Damit setzt sich auch in der nordbadischen Großstadt ein landesweiter Trend fort: Bevölkerungszuwachs und Mangel an Bauflächen sorgen für „kompakteres Bauen“. Die Stadt gab im Frühjahr eine Hochhauskonzeption in Auftrag, die künftig Kriterien für Standorte vorgeben soll.
Seit einigen Jahren „wachse die Erkenntnis, Flächen zu sparen“, sagt Carmen Mundorff, Bereichsleiterin der Architektenkammer BadenWürttemberg. Die Planungsgrundsätze und Planungsziele hätten sich verändert, man gebe heute „der Innenentwicklung den Vorrang vor weiterem Flächenverbrauch im Außenraum“. Das zeigt sich derzeit explizit in Karlsruhe: im Büro- und teilweise auch im Wohnungsbau. Seit März etwa ist südlich des Bahnhofs ein zwölfgeschossiger Bau im Entstehen. Bauherr des markanten Bürotraktes ist der Inhaber des Internetunternehmens 1&1.
Bei der Grundsteinlegung für den sogenannten Dommermuth-Bürobau am Bahnhof wählte der Rathauschef große Worte: Die beiden Bürokomplexe mit einem Zwillingshochhaus, die bis 2020 fertiggestellt sein sollen, würden „Bewegung an der Südseite des Bahnhofs auslösen“, hatte Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) wissen lassen. Der Standort galt lange Zeit als Brache, vor 25 Jahren war dort noch das neue ZKM-Museum vorgesehen. Der Entwurf eines Architekturwettbewerbs, den der renommierte Niederländer Rem Koolhaas einst gewann, wurde jedoch nie umgesetzt.
Karslruhe hat Bedarf
Der Karlsruher Architekt Jon Steinfeld hält es für „städtebaulich gerechtfertigt, in die Höhe zu gehen“. Seit „gefühlt Ende der 1970er-Jahre“habe man in Karlsruhe kein richtiges Hochhaus mehr gebaut. „Die Stadt verträgt ein paar Hochpunkte“, sagt der Vorsitzende des Kammerbezirks Karlsruhe der Architektenkammer. Nach der Landesbauordnung gelten Gebäude bereits ab einer Höhe von mehr als 22 Metern als Hochhäuser. Als solche wahrgenommen werden diese, sagen Fachleute, freilich erst ab etwa 50 Meter. Allein in Stuttgart erfüllen rund 50 Bauten dieses Kriterium. In Karlsruhe dagegen wurde zuletzt 2014 „ein Punkt-Hochhaus“fertig mit einer solchen Höhe, sagt Steinfeld: das Gebäude eines Dienstleisters der Verkehrslogistik (Init AG) mit zehn Stockwerken. In einigen Stadtteilen gibt es Wohngebäude dieser Kategorie.
Bereits 2015 hatte die CDU im Stadtrat erstmals den Vorstoß unternommen, mehr in die Höhe zu bauen, und um „Prüfung und Ausweisung von Perspektivflächen“gebeten. Doch erst jetzt gab die Stadt eine Hochhaus-Konzeption in Auftrag. Mit Ergebnissen wird 2019 gerechnet. Punktuell waren immer schon höhere Bauten möglich. „Der Bebauungsplan am Hauptbahnhof hat schon vor mehr als 15 Jahren zwölf Stockwerke und mehr erlaubt“, sagt Oberbürgermeister Mentrup.
Markant verändert hat sich die nordbadische Stadt mittlerweile vor allem im Bereich der östlichen Innenstadt: Gebaut wurde und wird seit etwa 2008 an der Ludwig-Erhard-Allee. Das frühere Ausbesserungswerk der Bahn in Karlsruhes Südoststadt wurde zu einem neuen Wohnstadtteil mit dem Namen CityPark. Entlang der Erhard-Allee – als der Zufahrt zur Innenstadt von der Autobahn her – entstanden einige imposante Hochpunkte. Nach der Initialzündung durch zwei Bankgebäude ging es dann mit einem Park-Office genannten zwölfgeschossigen Bürokomplex richtig in die Höhe. 2014 wurden die Bauten Park-Plaza und Park-Arkaden eröffnet. Im Oktober ging dort zudem ein Neubau des Kommunalen Versorgungsverbands in Betrieb. Anwohner vergleichen die Stadtzufahrt zuweilen lakonisch mit der berüchtigten Karl-Marx-Allee in Ostberlin, einem Prestigebau der frühen DDRFührung unter Ulbricht. Über die Gestaltung gehen die Meinungen dabei oft ziemlich weit auseinander.
Nicht in allen anderen Großstädten im Südwesten hält man ein eigens erarbeitetes Hochhauskonzept für zwingend notwendig, um kompakter und mehr in die Höhe zu bauen. Zwar führe auch in Mannheim die Prämisse eines sparsamen Umgangs mit der Ressource Boden und des bestehenden Entwicklungsdrucks „grundsätzlich zur Diskussion um die Fragestellung des In-die-HöheWachsens“, sagt der Sprecher des Baudezernats, Jan Krasko, ein allgemeines Höhenentwicklungskonzept sei dafür aber nicht notwendig. „Inwieweit eine zukünftige Bebauung dem Ort angemessen, umweltverträglich und die städtebauliche Dichte verträglich ist, ist bei jedem Vorhaben individuell zu beurteilen – egal ob beim Bauen in die Höhe oder in die Fläche“, sagt Krasko.
Auch in Freiburg Thema
Auch in Freiburg sei „das Thema Gebäudehöhe aktuell“, sagt Rathaussprecherin Edith Lamersdorf. Grundsätzlich würde bei allen städtebaulichen Planungen auch „die durch Höhenentwicklung gegebenen Verdichtungspotenziale geprüft“. So seien für die Vorbereitung aktueller Hochhausprojekte an der Bahnhofsachse nach 2012 die für den Innenstadtrand bestehenden Potenziale untersucht und Anforderungen „für eine mit Freiburgs Stadtsilhouette verträgliche Einbindung“von höheren Bauten erarbeitet worden. Zudem habe die Verwaltung für die gesamte Stadt einen Perspektivplan (Projektabschluss 2017) erarbeitet. Lamersdorf gibt aber zu bedenken, dass bei der Schaffung von Wohnraum auch höhere Gebäude eine „natürliche“Grenze hätten: wegen notwendiger Gebäudeabstände und „qualitativ hochwertiger Freiräume“. Oft bleibe es dann „bei einer Dichte wie bei fünf- bis sechsgeschossiger Wohnbebauung“.
Derartige Grenzen sieht man auch in Ulm. Die Donaustadt hat seit 2009 ein Hochhauskonzept. „Bestimmender Faktor beim Thema hohe Häuser sind weniger Verdichtungsmöglichkeiten und Flächengewinne, sondern Sichtachsen zum Münster, die nicht verstellt werden sollen“, sagt Helmut Kalupa, der Bereichsleiter Städtebau. Entsprechend sparsam und behutsam seien in der Studie Standorte für Hochhäuser vorgeschlagen worden. „Die Stadtplanung in Ulm ist bestrebt, im Büro- und im Geschosswohnungsbau flächensparend in die Höhe zu bauen“, sagt er. Beim Wohnungsbau seien fünf Geschosse die Regel, realisiert würden bis zu sieben.
In Karlsruhe steht man in absehbarer Zeit vor einer besonderen Herausforderung. Gebaut werden soll ein neues Landratsamt mit 19 Stockwerken – als Ersatzbau direkt neben dem Bestandsbau. Das hat der Kreistag jüngst beschlossen. Der 70-Meter-Turm nur 300 Meter südlich des Marktplatzes gilt als städtebaulich markanter Punkt und soll erhalten bleiben – in Betrieb ging das einstige Badenwerk-Hochhaus im Jahr 1965. Nach einer 53 Jahre währenden Nutzung entspricht es längst nicht mehr heutigen Anforderungen. Der Landrat favorisierte den Neubau anstelle der Sanierung.
„In Karlsruhe ist es städtebaulich gerechtfertigt, in die Höhe zu gehen.“Jon Steinfeld, Vorsitzender der Karlsruher Architektenkammer