Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Nintendo spielt wieder ganz oben mit
Markt für Spielkonsolen wandelt sich – Mehr Mädchen und Erwachsene zocken – Mario feiert großes Comeback
BERLIN - Während die Eltern manchmal etwas ratlos im Elektroladen stehen, wissen ihre Sprösslinge meist genau, was für ein Gerät es sein muss: Nintendo, Sony oder Microsoft? Diese drei Konzerne beharken sich im Markt für Videospielkonsolen. Manager wie Analysten betrachten die Gründe für die Kaufentscheidungen dabei sehr genau. „Von der Wahl der Konsole hängt zum Teil ab, wer hinterher an den vergleichsweise teuren Spielen weiterverdient“, sagt Branchenexperte Lewis Ward von der USMarktforschungsfirma IDC.
Die „Games“sind zu einem ernst zu nehmenden Wirtschaftsfaktor geworden. Der Markt für Spiele stellt mit weltweit 120 Milliarden Euro beispielsweise die Filmindustrie mit ihren 40 Milliarden Euro Umsatz weit in den Schatten. Derzeit feiert hier das neueste Angebot von Nintendo den größten Erfolg: die Switch. Damit zeigt nicht der technisch am höchsten aufgerüstete, sondern der raffinierteste Wettbewerber die stärksten Verkaufszahlen. Die Herstellerfirma aus dem japanischen Kyoto feiert damit eine Rückkehr auf die Erfolgsspur, nachdem sie lange Zeit Marktanteile an Sonys Playstation verloren hat.
So sah die Verteilung in den vergangenen Monaten aus: Die Playstation 4 liegt mit rund 45 Prozent der verkauften Geräte vorne, dann kommt die Switch mit knappen 40 Prozent, der Rest in Höhe von rund 15 Prozent entfällt auf die Xbox von Microsoft. Doch Nintendo könnte in den kommenden Monaten überholen, wenn die Auswahl an Spielen stimmt. In diesem Weihnachtsgeschäft hat die Konsole jedenfalls einen sehr guten Lauf gehabt und schob sich bereits an Sony vorbei, wie aus dem Elektrohandel zu hören ist. Mehrere Analysehäuser sahen die Nintendo-Konsole bis Jahresende 2019 auf Platz eins der Verkaufsrangliste. Der Marktbeobachter Strategy Analytics aus den USA erwartet, dass Nintendo mit 17,3 Millionen Geräten knapp mehr verkauft als Sony. Zu größeren Verschiebungen komme es erst bis 2023, wenn alle Herstellern eine neue Generation von Konsolen auf den Markt gebracht haben.
Viele treue Kunden
Die Switch kommt gut an, weil sie vielseitig ist – wie der Name schon suggerieren soll. „Die Switch spricht eine große Bandbreite von Alters- und Interessengruppen an“, sagt IDCAnalyst Ward. Das Gerät ist grundsätzlich nicht größer als ein Tablet. Dadurch passt es auch in seiner Standstation unauffällig im Wohnzimmer hinter den Fernseher. Dank zwei eingebauten Controllern lässt es sich jedoch auch nach draußen mitnehmen. Die Spieler können den gleichen Titel daher abends und am Wochenende auf ihrem TV-Gerät in groß genießen und auf dem Weg zur Arbeit in der UBahn nahtlos weiterzocken.
Für die Switch gibt es viele niedliche Titel wie den über Jahrzehnte erfolgreichen Fahrspaß Mario Kart, die der Hersteller Nintendo selbst herstellt. Diese familienfreundlichen Angebote verschrecken auch die jüngsten Neueinsteiger nicht und lassen sich meist gemeinsam am geteilten Bildschirm spielen. Dazu gehört auch der Weihnachtshit dieses Jahres, „Super Smash Bros“, eine Prügelsimulation mit Comicfiguren. Das Produkt hatte einen fulminanten Start hingelegt: Es ist das am schnellsten verkaufte Spiel aller Zeiten im NintendoShop und für viele Kunden überhaupt der Grund, eine Switch zu kaufen. Doch die tragbare Konsole ist nicht nur etwas für jüngere Kids. Drittanbieter offerieren auch gewaltsamere Spiele für ältere Jugendliche wie „Doom“oder „Wolfenstein“. Auch das als Ablenkung von den Hausaufgaben berüchtigte Schießspiel Fortnite gibt es für die Switch.
Die Nintendo-Konsole mit ihren Mini-Abmessungen ohne großen Lüfter schafft zwar nur ein Viertel der Bildschirmauflösung der neuen Playstation. „Doch Nintendo gelingt es, die Spieler dauerhaft an sich zu binden“, sagt Ward. Titel wie „Mario Kart 8“oder „Legend of Zelda: Breath of the Wild“sind zwar 2017 herausgekommen, verkauften sich aber im Weihnachtsgeschäft unbeirrt zum vollen Preis. Andere Anbieter hätten da längst Rabatte einräumen müssen, um von den „alten“Spielen überhaupt noch Exemplare loszuwerden.
Sony reagiert auf den Erfolg der Switch unter anderen durch seine Modellpolitik. Die Playstation 4 gibt es je nach Ausstattung zum Teil schon unter 200 Euro – immerhin handelt es sich um die Gerätegeneration von 2013. Damit ist sie deutlich günstiger als die Switch, die rund 290 Euro kostet. Um dem Ruf des Technikführers weiter gerecht zu werden, hat Sony zugleich eine aufgemotzte Version, die PS4 Pro, auf den Markt gebracht, die für 100 Euro mehr Bildpunkte und Geschwindigkeit bringt.
Die Xbox vom amerikanischen Anbieter Microsoft hinkt den beiden japanischen Angeboten dabei hoffnungslos hinterher. „Sie spricht eine eher männliche, junge Zielgruppe an, die harte Spiele bevorzugt“, sagt Ward. Dabei bewege sich der Markt vom Klischee-Spieler weg. Heute spielen ebenso viele Frauen wie Männer, auch wenn diese meist eher am Handy daddeln als an einer Xbox.
Manchmal sind die Eltern dann eben doch gar nicht so ratlos, wenn sie sich erstaunlich willig vom Nachwuchs in die Spiele-Ecke zerren lassen. „Games werden mehr und mehr zu einem Artikel für Erwachsene“, beobachtet Ward. Als Zeitvertreib auch für die Großen seien sie gesellschaftlich deutlich akzeptierter als früher – was letztlich auch die Milliardenumsätze erklärt, schließlich können die Großen mehr Geld ausgeben.