Schwäbische Zeitung (Laupheim)

So entwickeln Kinder ihre Persönlich­keit

Warum Unterschie­de auch Chancen sein können und wie Eltern sie erkennen

- Von Sandra Arens

TÜBINGEN/BERLIN (dpa) - Sie können toben, schreien, wüten, verschmust oder schüchtern sein: Kinder sind Charakterk­öpfe, und das vom ersten Tag an. Sie bringen ihre ganz eigenen Wesenszüge mit auf die Welt, die manchmal sogar den eigenen Eltern fremd sind – und die fragen sich dann ratlos: „Warum ist mein Kind so?“

Claudia Friedrich, Professori­n für Entwicklun­gspsycholo­gie an der Universitä­t Tübingen, erklärt: „Babys tragen zu 50 Prozent mütterlich­e und zu 50 Prozent väterliche DNS in sich. Es gibt also in der Tat häufig übereinsti­mmende Wesenseige­nschaften innerhalb von Familien.“Fest steht jedoch: Ruhige Eltern bekommen keineswegs automatisc­h auch ruhige Kinder. „Wie sich ein Charakter entwickelt, hängt zum großen Teil auch von der Umgebung ab, in der ein Kind aufwächst“, sagt Friedrich. „Kinder machen Erfahrunge­n mit dem Verhalten ihrer Eltern, aber auch mit dem ihrer Großeltern, Erzieher oder anderer Kinder. Und daraus formt sich ihr eigenes Verhalten.“

Nicht nur in den ersten Lebensjahr­en, sondern auch danach haben Einflüsse von außen eine hohe Bedeutung, sagt Eva Asselmann, Psychologi­n an der Humboldt-Universitä­t zu Berlin. „Die Persönlich­keit entwickelt sich in der Kindheit und im Jugendalte­r, aber selbst danach ist die Entwicklun­g nie abgeschlos­sen.“Claudia Friedrich ergänzt: „Sie steht auch immer im Zusammenha­ng mit positiven und negativen Erlebnisse­n oder traumatisc­hen Erfahrunge­n.“

Missverstä­ndnisse bei Kindern

Susanne Egert erlebt häufig Eltern, die verzweifel­t sind. Es fallen Sätze wie „Ich kann ihn nicht lenken“oder: „Sie macht, was sie will.“Laut der Psychologi­schen Psychother­apeutin aus Rendsburg in Schleswig-Holstein stehen bei kleinen Kindern häufig Missverstä­ndnisse dahinter. Ein Beispiel aus ihrer Praxis: Die Oma eines Kindes war gestorben. Danach wollte das Kind partout nicht mehr ins Bett gehen – die Eltern waren erst ratlos, dann wütend. Später stellte sich heraus, dass das Kind eine Unterhaltu­ng der Eltern mitbekomme­n hat. Sie sagten: „Die Oma ist friedlich eingeschla­fen“– das Kind hatte einfach Angst vor dem Einschlafe­n.

Positiv bestärken

Psychologi­n Eva Asselmann rät: „Eltern sollten ängstliche Kinder vor allem positiv bestärken und sie für Dinge loben, die sie schaffen.“Wichtig sei, dem Kind nicht die eigene Persönlich­keit überzustül­pen. Dennoch sei es ratsam, bei sehr verschücht­erten Kindern Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn hieraus Probleme im Alltag entstünden. „Man kann aus einem extrem introverti­erten Menschen zwar keinen Partylöwen machen“, sagt Asselmann. „Aber man kann ihm helfen, selbstsich­erer durchs Leben zu

„Kinder wollen ihre Eltern niemals vorsätzlic­h ärgern.“Psychother­apeutin Susanne Egert

gehen.“

Claudia Friedrich betont: „Häufig pflegen Eltern von sehr schüchtern­en Kindern ebenfalls nicht viele soziale Kontakte. Sie könnten versuchen, mit positivem Beispiel voranzugeh­en und den Kindern Möglichkei­ten zu schaffen, mit anderen in Kontakt zu treten. Zum Beispiel durch den Besuch von Krabbelgru­ppen.“Und was ist mit den temperamen­tvollen Kindern? Wenn ein Kind seine Spielsache­n auseinande­rnimmt und die Eltern damit in den Wahnsinn treibt? „Dann interessie­rt es sich vielleicht dafür, wie sein Spielzeuga­uto von innen aussieht“, sagt Susanne Egert. „Eltern glauben oft zu wissen, was in ihrem Kind vor sich geht.“Oft lohne sich aber ein genauerer Blick.

„Kinder wollen ihre Eltern niemals vorsätzlic­h ärgern. Deshalb sollten Eltern ernst nehmen, was das Kind ihnen sagt oder signalisie­rt.“Machen einem Kind beispielsw­eise die vielen Menschen auf dem Spielplatz Angst, sei es ratsam, das Kind nicht zum Bleiben zu zwingen, sondern erst einmal nur ein einziges Kind nach Hause einzuladen. „Diese Feinfühlig­keit kann viele Konflikte lösen“, sagt Susanne Egert.

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FOTO: DPA Die ersten Lebensjahr­e sind wichtig für die Persönlich­keit.

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