Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Das Handwerk des Müllers bewahren
Müllerhandwerk ist Immaterielles Kulturerbe – Gerd Graf erklärt, was das bedeutet
TANNHEIM - Die Liste des UnescoKulturerbes ist seit vergangener Woche um 18 Kulturformen reicher. Als sogenanntes Immaterielles Kulturerbe wurde auch die Handwerksmüllerei aufgenommen. Den Antrag dazu hatte die Müllergilde gestellt, eine Interessengemeinschaft für das traditionelle Müllerhandwerk und historische Mühlen. Der Tannheimer Gerd Graf ist Mitglied dieser Gilde – als Einziger in Süddeutschland. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, das Müllerhandwerk zu bewahren.“Die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes soll ihren Teil dazu beitragen. „Natürlich hat diese Auszeichnung nur einen ideellen Wert, sie unterstreicht aber die Wertigkeit unseres Handwerks“, so Graf.
In der fünften Generation betreibt Gerd Graf die Dinkelmühle in Tannheim. Ein reiner Familienbetrieb, dessen Ursprünge mehr als 900 Jahre zurückreichen. Um 1100 wird die Mühle erstmals erwähnt, das heutige Mühlengebäude wurde vor rund 400 Jahren von Mönchen des Klosters Ochsenhausen gebaut. Damals wie heute wird die Mühle durch die Wasserkraft des Mühlbachs angetrieben.
Allein diese Zahlen lassen erahnen, weshalb dieses Handwerk nun Kulturerbe ist. In einem gemeinsamen Schreiben der Deutschen Unesco-Kommission und der Kultusministerkonferenz heißt es dazu: „Das Expertenkomitee würdigt die Handwerksmüllerei in Wind- oder Wassermühlen als wichtigen Beitrag zur Erhaltung des traditionellen Müllerhandwerks. Die Maßnahmen zur Vermittlung des Handwerks und der damit verbundenen vor- und frühindustriellen mühlentechnischen Kenntnisse sowie Erfahrungswerte überzeugen.“
Eine Auszeichnung, die Gerd Graf durchaus etwas bedeutet. Vor allem deshalb, weil er hofft, dass der Beruf des Müllers nicht ganz in Vergessenheit gerät. Ein Ansinnen, das den Tannheimer schon seit Jahren antreibt. Stichwort Imagepflege. „Ich bin der Meinung, dass wir nach wie vor eine sehr wichtige Arbeit machen“, sagt Graf. Gemeinsam mit Lutz Herbst hat er vor 15 Jahren die Mühlenstraße Oberschwaben ins Leben gerufen, er bietet Führungen durch seine Mühle an, erklärt Groß und Klein, wie die Müller seit Jahrhunderten arbeiten, gibt sein Wissen über Wasserräder weiter. „Ich versuche die Leute wachzurütteln und zu sagen: Passt auf, wir bewahren dieses ursprüngliche Handwerk, es ist immer noch da. Aber das alles könnte es bereits in einigen Jahren nicht mehr geben.“Denn nach Angaben der Müllergilde werden bundesweit noch etwa 50 Mühlen von Windoder Wasserkraft angetrieben – einst waren es rund 50 000. „Das traditionelle Müllerhandwerk hängt am seidenen Faden“, sagt Gerd Graf, schließlich sei „Mühle nicht gleich Mühle.“Er arbeite nach wie vor mit Mühlsteinen, was heute fast keiner mehr mache.
„Weckruf“zur richtigen Zeit
Für den Tannheimer Müller ist die Kulturerbe-Auszeichnung deshalb ein „Weckruf“zur richtigen Zeit. „Vielleicht erfahren wir dadurch wieder etwas mehr Wertschätzung.“Auch die Müllergilde bringt in einer Pressemitteilung die Hoffnung zum Ausdruck, dass durch den Kulturerbe-Status „Respekt und Wertschätzung“gegenüber der Handwerksmüllerei gefördert werden. Weiter heißt es: „Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Bewahrung traditioneller und zugleich zeitgenössischer kultureller Ausdrucksformen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.“Gerd Graf trägt seinen Teil dazu mit Sicherheit bei.