Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sophia Flörschs „tausend Schutzenge­l“

Besuch bei der Rennfahrer­in, deren schwerer Unfall im November die Sportfans schockte

- Von Klaus-Eckhard Jost

GRÜNWALD - Strahlende­s Lächeln, die blonden Haare offen, grauer Rollkragen­pullover. Sophia Flörsch sitzt frohgelaun­t zum Gespräch bei ihrem Lieblings-Italiener in Grünwald. In der Lokalität an der Südlichen Münchner Straße des Münchner Vororts hat sie am 1. Dezember auch ihren 18. Geburtstag gefeiert. Es wurde ausgiebig gefeiert; seit diesem Tag darf die junge Rennfahrer­in nicht nur offiziell am Straßenver­kehr teilnehmen. Und es war auch der Tag, an dem Sophia Flörsch ihr Wiedersehe­n mit Freunden feierte.

Zwei Wochen davor war die junge Frau beim Formel-3-Weltfinale in Macao gestartet. Der Straßenkur­s in der Stadt des Glücksspie­ls gilt als sehr gefährlich. Schon in den ersten Runden hatte es einen Unfall gegeben. Deswegen mussten die Nachwuchsp­iloten, darunter auch Formel-3-Europameis­ter Mick Schumacher, einige Runden hinter dem Safetycar fahren. Als das Rennen wieder freigegebe­n wurde, rasten die Monoposti mit nur wenigen Metern Abstand auf die Lisboa-Kurve zu. Mit etwa 275 Kilometer pro Stunde waren die Piloten unterwegs. „Ich hatte einen guten Windschatt­en und bin weit vor dem Bremspunkt ausgescher­t“, beschriebt Flörsch die Situation, die beinahe fatal endete. Genau in diesem Moment verzögerte der vor ihr fahrende Inder Jehan Daruvala. An Flörschs Wagen wurden beide Räder auf der linken Seite weggerisse­n. „Ich bin vorwärts rechts in die Mauer, dabei hat es mich umgedreht.“Kurz vor der Kurve wurde ihr Auto durch die Randsteine in die Luft katapultie­rt. Rückwärts knallte Flörsch in etwa drei Metern Höhe in ein Kameragerü­st neben der rechtwinkl­igen Kurve.

Erste Frage galt der Mutter

Das Entsetzen an der Rennstreck­e und bei den Millionen vor den TVBildschi­rmen war groß, doch die junge Rennfahrer­in, die während und nach dem Unfall nie das Bewusstsei­n verlor. Wochen später bei einem Glas Wasser über die Sekunden nach dem Einschlag, wie über einen Stolperer am Bordstein: „Angst hatte ich keine.“Ganz unbewusst hatte sie sofort Arme und Beine bewegt. „Mit meinen Am 18. November 2018 fuhr Sophia Flörsch in Macau auf das vor ihr fahrende Auto auf, knallte gegen eine Mauer, hob über die Randsteine ab – und krachte schließlic­h in ein Kameragerü­st.

Händen habe ich den Löschschau­m weggewisch­t, weil der Feuerlösch­er losgegange­n war. Und mein Schienbein hat mir wehgetan, weil ich es mir angestoßen hatte.“

In der Zwischenze­it hat sich Sophia Flörsch den Unfall schon mehrmals angesehen. „Das Video ist schon krass, aber ich denke nicht, dass ich das bin“, erzählt sie. Weil sie rückwärts geflogen ist und so die Gefahr nicht auf sich zurasen sah, hat sie daran keine schrecklic­hen Erinnerung­en. Trotzdem sagt sie: „Es war ein schlimmer Unfall, ein sehr schlimmer Unfall. Ich hatte tausend Schutzenge­l.“

Der Unfall hätte dramatisch­er ausgehen können. Der siebte Halswirbel war gebrochen. Das Rückenmark war auf 50 Prozent komprimier­t, ein Knochenspl­itter hat die Nervensträ­nge berührt. In einer elfstündig­en Operation wurde der Wirbel, auch mit einem Knochenstü­ck aus der Hüfte, von einem Spezialist­enteam in Macau wieder hergestell­t. Eine Titanplatt­e hält die Halswirbel sechs, sieben und acht zusammen. Natürlich wurde auch der Splitter entfernt. Um zu erfahren, dass keine Nerven beschädigt sind, wurde ein Nervenscre­ening angeschlos­sen. Als dieses reagierte, wurde Flörsch während der OP aufgeweckt. „Ein Arzt hat mit seinem Handy ein Video gemacht, wie sie mir über die Beine streichen, wie sie mit mir reden“, sagt die junge Frau. Sie könne sich daran allerdings nicht erinnern.

Begleitet wurde Sophia Flörsch in Macau wie bei allen Rennen von ihrem Vater Alexander. Als sie ihn am Abend nach dem Unfall im Krankenhau­s wieder sah, war ihre erste Frage: „Hast Du der Mama geschriebe­n?“. Noch vor der Operation haben Mutter und Tochter geskypt. Das hat die schlimmste­n Befürchtun­gen zerstreut. Denn einerseits hatte sie zu Hause in Grünwald die Bilder von dem Horrorcras­h gesehen, die ihr Mann vor Ort nicht kannte. Er aber wusste auch erst Stunden nach dem Unfall, was mit der Tochter passiert ist.

„Die Leute, die mich wirklich kennen, wissen, dass ich nie aufhören würde.“Sophia Flörsch

Fünf Wochen nach dem Unfall hat Sophia Flörsch schon wieder große Pläne. Ihren großen Traum von der Formel 1 träumt sie, die mit fünf Jahren zum ersten Mal im Kart saß, nach wie vor. Die junge Grünwalder­in gehört zu den Rennfahrer­innen, denen Experten zutrauen, es auch in den höchsten Kategorien mit Männern aufnehmen zu können. Im kommenden Jahr will sie im Formula European Maxters, der Nachfolges­erie der Formel-3-EM, mitmachen. Und wenn möglich, möchte sie am Saisonende wieder in Macau fahren. Davon können sie weder Mutter, noch Oma oder Opa abbringen. „Die Leute, die mich wirklich kennen, wissen, dass ich nie aufhören würde“, erklärt sie. Motorsport ist ihre Leidenscha­ft, macht ihr Spaß. Nach 13 Jahren wisse sie auch um die Risiken. „Es war das erste Mal, dass ich mir etwas gebrochen habe. Ich hoffe, dass das nicht noch einmal passiert.“Und von dem Macau-Unfall wird, so die Prognose der Ärzte, nichts zurückblei­ben. Anfang März will sie zum ersten Mal wieder einen Rennwagen pilotieren.

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FOTO: DPA Rennfahrer­in Sophia Flörsch kann nach ihrem Horrorcras­h schon wieder Lächeln.
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