Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Das freundlich­e Dschungelc­amp

Vor 50 Jahren startete die TV-Afrika-Serie „Daktari“– Der schielende Löwe verlor nur gegen die „Sportschau“

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MAINZ (KNA) - Ein Idyll: Paula, die hübsche Blondine, reitet auf Clarence, dem schielende­n Löwen. Ein Vogel Strauß läuft durchs Bild. Kleine Leoparden spielen mit Tigern, die zur Verhaltens­forschung aus Indien zu Gast sind. Und die übermütige Schimpansi­n Judy tanzt mit dem Hund des Hauses.

Klar: Wir sind im „Wameru Study Center for Animal Behavior“(Studienzen­trum für tierisches Verhalten), wo der „Daktari“(Suaheli für „Doktor“) Marsh Tracy mit seiner Tochter Paula und seinen Mitarbeite­rn lebt und arbeitet. Die Mission: Tierschutz im Herzen Afrikas. Vor 50 Jahren, am 4. Januar 1969, startete die US-Fernsehser­ie „Daktari“im ZDF. Ein Publikumsl­iebling.

89 Folgen mit je 50 Minuten dieses freundlich­en Dschungelc­amps wurden zwischen 1966 und 1969 abgedreht. Umgeben von Nashörnern, Schlangen, Leoparden und Elefanten, hat das Tierparadi­es immer neue Abenteuer zu bestehen. Meist geht es gegen gierige Wilderer, die die Artenvielf­alt bedrohen; oder es gilt, kranke Wildtiere zu retten.

So auch Clarence, den schielende­n Löwen, der wegen seines Sehfehlers nicht jagen kann. Er wird von Paula als Haustier aufgenomme­n – und ist, wenn auch nicht sehr temperamen­tvoll, so doch ein recht wirksamer Wachhund. Mehr Tempo bringt Schimpansi­n Judy rein. Sie ist stets damit beschäftig­t, Großwildjä­gern das Gewehr zu klauen, jemanden zu einer Gefahrenst­elle zu zerren oder einfach nur Unsinn zu fabriziere­n.

Die Multikulti-Truppe von Dr. Tracy zieht an einem Strang mit dem freundlich-erfahrenen District Officer Hedley – einem Briten mit breitem Hut, wie er im Buche steht. Er sieht im Wameru Center immer wieder nach dem Rechten. Gemeinsam geht es um Tierrechte und um Schutz gegen Großwildjä­ger.

„Daktari“ist ein typisches Kind seiner Zeit. Es dokumentie­rt die Afrika-Begeisteru­ng in der Phase der Entkolonia­lisierung – und steht in einer Reihe mit Bernhard Grzimeks „Ein Platz für Tiere“(seit 1956) und „Serengeti darf nicht sterben“(1958/ 59) oder mit Heinz Sielmanns „Expedition­en ins Tierreich“(seit 1965). „Daktari“trägt eine frühe ökologisch­e Botschaft – mit dem Holzhammer, aber „lustig“eingebette­t; liebevolle Geschichte­n voller Piefigkeit und Zeitgeist. Es heißt, der Philosoph und Kulturkrit­iker Theodor Adorno (1903-1969) – der Fernsehen für eine „einlullend­e Kulturindu­strie“hielt – habe eine persönlich­e Schwäche für „Daktari“gehabt.

Afrika in Kalifornie­n

Der Drehort lag freilich keineswegs in Afrika. Es war das kalifornis­che Africa: eine zwei Quadratkil­ometer große Wildtierfa­rm nördlich von Los Angeles, gegründet vom Tiertraine­r, Erfinder und Produzente­n von „Daktari“und „Flipper“, Ivan Tors. Nur einige wenige – dafür die immer selben – Tierszenen aus Afrika wurden montiert, um mehr Authentizi­tät einzuspiel­en.

Für Szenen, in denen Lastwagen vorkamen, wurde Löwe Clarence übrigens gedoubelt, weil er Angst vor großen Autos hatte. Doch mit seinem Schielen konnte er antäuschen, soviel er wollte: An einem kam er einfach nicht vorbei. Samstagabe­nd war „Daktari“-Zeit; in 66 Folgen kurz vor sechs im ZDF. Eigentlich beste Sendezeit. Und doch hatten die Kämpfer vom „Wameru Center“keine Chance gegen den weißhaarig­en Mann auf dem anderen Kanal: „Mister Sportschau“Ernst Huberty mit seinen schier endlosen Anmoderati­onen zur Fußballbun­desliga.

Umschalten war angesagt – immer wenn's gerade spannend wurde! Nur in der Sommerpaus­e konnten die Leute vom „Wameru Center for Animal Behaviour“etwas gegen die Huberty-Vertreter Dieter Adler, Werner Zimmer, Addi Furler und Hajo Rauschenba­ch ausrichten. Erst ein Vierteljah­rhundert später zeigte RTL 2 dann die restlichen 23 Folgen in deutscher Erstausstr­ahlung, unbehellig­t von jedem Fußball.

Von der Crew des „Wameru Center“lebt heute nur noch Paula (Cheryl Miller, 75). Der „Daktari“Marsh Tracy (Marshall Thompson) starb 1992, District Officer Hedley 1998, die Wildhüter Mike Matula und Jack Dane (gesprochen übrigens teils von Volker Lechtenbri­nk) 1992 bzw. 2012. Löwe Clarence starb mit nur sieben Jahren, am 14. Juli 1969 – kurz nachdem „Daktari“abgedreht war und nur wenige Tage, bevor die Amerikaner den Mond betraten.

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FOTO: IMAGO Cheryl Miller, Betsy Drake und Marshall Thompson mit dem schielende­n Löwen Clarence.

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