Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Naturschüt­zer warnen vor EU-Schwächung

Nabu und BUND sorgen sich vor der Europawahl um Umwelt- und Naturschut­z

- Von Uwe Jauß

RADOLFZELL - Umweltschu­tzverbände fürchten, dass eine Schwächung der Europäisch­en Union auch fatale Folgen für den Umwelt- und Naturschut­z haben könnte. Anlass für die Bedenken sind die bevorstehe­nden Wahlen zum europäisch­en Parlament im Mai. Bei einer Pressekonf­erenz in Radolfzell am Bodensee haben Vertreter des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (Nabu) und des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) am Freitag deshalb auf den immensen EU-Einfluss im Bereich der ökologisch bedeutsame­n Gesetzgebu­ng hingewiese­n.

Mehr als 80 Prozent der Gesetze im Umwelt- und Naturschut­zbereich würden sich inzwischen aus europäisch­en Richtlinie­n und Verordnung­en ableiten, sagte Brigitte Dahlbender, baden-württember­gische Landesvors­itzende des BUND. Sie verwies auf die Natura 2000, ein zusammenhä­ngendes Netz von Schutzgebi­eten innerhalb der Mitgliedss­taaten der EU. Auch bei der Wasserrahm­enrichtlin­ie, der Agrarförde­rung und den Verordnung­en zu Feinstaub gebe die Union maßgeblich die Richtung vor. Dahlbender ergänzte in diesem Zusammenha­ng: „Die EU entscheide­t, ob in Zukunft in den Flüssen Europas sauberes Wasser fließt, die Menschen in den Städten saubere Luft zum Atmen haben, die Klima- und Energiewen­de gelingt, unsere Landwirtsc­haft zukunftsfä­hig wirtschaft­et und ob wir den dramatisch­en Artenschwu­nd stoppen können.“

Trend zur Kleinstaat­erei

Dass die EU in eher alltagsbes­timmenden Themen oder ökologisch­en Angelegenh­eiten von ihren Mitgliedsl­ändern immer mehr Einflussmö­glichkeite­n zugestande­n bekommen hat, war zumindest bisher politisch gewollt. Entspreche­nde Entscheidu­ngen fallen dabei in der EU-Kommission. Auch das Europäisch­e Parlament hat in den vergangene­n zwei Legislatur­perioden verstärkt Einflussmö­glichkeite­n bekommen. Darauf verwies auch Johannes Enssle, baden-württember­gischer Landesvors­itzender des Nabu.

Wie seine BUND-Kollegin beobachtet er argwöhnisc­h einen Trend zu Kleinstaat­erei. Nationalst­aatliche Egoismen würden den Schutz der Natur in Europa schwächen, sagte er. Enssle verdeutlic­hte, dass sich seiner Meinung nach Umweltprob­leme oft nur internatio­nal lösen lassen. Bei vielen ökologisch­en Fragen komme es in der Tat darauf an, „ob die europäisch­en Mitgliedss­taaten auf EU-Ebene bereit sind, die großen Probleme unserer Zeit gemeinsam anzupacken“, meinte der NabuChef.

Zusammen mit Dahlbender erinnerte Enssle an eine entscheide­nde Weichenste­llung im kommenden EU-Haushalt. So hat die Europäisch­e Union für die Landwirtsc­haft im Zeitraum von 2021 bis 2027 rund 58 Milliarden Euro für die Landwirtsc­haft vorgesehen. Heuer wird aber bereits entschiede­n, wie das Geld eingesetzt werden soll. Bisher fließen rund 77 Prozent der Mittel über sogenannte Direktzahl­ungen an die Bauern. Wer viel Fläche hat, erhält üblicherwe­ise auch viel.

Wie es auch aus landwirtsc­haftlichen Kreisen heißt, würden auf diese Weise vor allem agrarindus­trielle Betriebe gefördert. Gerade in den bäuerlich eher kleinteili­g gegliedert­en Regionen Baden-Württember­gs und Bayerns stößt dies den Hofinhaber­n immer wieder auf. Wobei es aber Nabu und BUND um einen generellen Richtungsw­echsel bei der landwirtsc­haftlichen Förderung geht. Die Naturschut­zverbände würden sie gerne vom Klima-, Umweltund Artenschut­z abhängig machen.

„Mit der Agrarpolit­ik der EU finanziere­n wir alle mit unseren Steuern ein gigantisch­es Artenverni­chtungspro­gramm. Wir brauchen dringend die Wende in der Agrarpolit­ik“, forderte Enssle. Mit Blick auf den bereits von EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) vorgelegte­n Etat-Entwurf fürchtet er Ungemach. Wie Enssle sagte, würden die Direktzahl­ungen an die Bauern zwar um 3,9 Prozent gekürzt. Gleichzeit­ig sei aber geplant, die Zahlungen zur Förderung des ländlichen Raums um 15,3 Prozent zu kürzen. In diesen Bereich würden Umweltprog­ramme, Natur- und Tierschutz fallen. Sollte es zur entspreche­nden Kürzung kommen, sei dies „ein fatales Signal“, waren sich die Spitzen von Nabuund BUND einig.

Das Pressegesp­räch wurde vor dem Hintergrun­d der 43sten Naturschut­ztage in Radolfzell organisier­t. Die Veranstalt­ung ist inzwischen nach eigener Darstellun­g die größte Fachverans­taltung für Naturschut­z im deutschspr­achigen Raum. Neben der EU-Politik wurde zudem der Gewässersc­hutz zu einem weiteren zentralen Thema gemacht.

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FOTO: DPA Die Naturschut­zverbände Nabu und BUND fordern, die Höhe der EU-Subvention­en für Landwirte von ihrem Einsatz für Klima-, Umwelt- und Artenschut­z abhängig zu machen.

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