Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Digitaler Angriff auf Politik und Prominenz

Was über die Tat bekannt ist – und wie es weitergeht: wichtige Antworten zum Datenleck

- Von Mathias Puddig

BERLIN - Unbekannte haben Daten Hunderter Politiker, Journalist­en, Künstler und Prominente­r im Internet veröffentl­icht, zumindest in großen Teilen sind die Informatio­nen echt. Die Bundesregi­erung teilte am Freitag mit, dass sie den Vorfall „sehr, sehr ernst“nimmt. Im Großen und Ganzen bleiben Innenminis­terium und Kanzleramt allerdings noch sehr vage. Was dennoch schon bekannt ist: ein Überblick.

Wer ist betroffen?

Einer ersten Sichtung der Datensätze zufolge sind Hunderte Persönlich­keiten des öffentlich­en Lebens betroffen, darunter Politiker, Journalist­en, Künstler, Youtuber und Moderatore­n. Bei den Politikern sind Abgeordnet­e von Landes-, Bundesund Europaeben­e vertreten. Auch Bundesmini­ster tauchen auf. Die betroffene­n Politiker gehören allen der im Bundestag vertretene­n Parteien an, offenbar mit Ausnahme der AfD. Unter den Nicht-Politikern befinden sich unter anderem Moderator Jan Böhmermann und Schauspiel­er Til Schweiger.

Wieso tauchen keine Datensätze von AfD-Politikern auf?

Das ist unklar. Der Verdacht liegt nahe, dass die Daten von Hackern ins Netz gestellt wurden, die der politische­n Rechten nahestehen. Allerdings kann das auch eine falsche Spur sein, die bewusst gelegt wurde, um den wahren Täter zu vernebeln. Der AfD-Abgeordnet­e Stephan Brandner verurteilt­e die Aktion: „Der Schutz privater Daten gilt für alle, auch für Politiker und dabei kommt es nicht darauf an, welcher Partei sie angehören.“

Was genau wurde veröffentl­icht?

Teils handelt es sich lediglich um berufliche E-Mail-Adressen. Teils geht es aber auch um private Anschrifte­n, Handynumme­rn, Schriftwec­hsel und Familienfo­tos. In einem besonders drastische­n Fall sind sogar die Personalau­sweise der Kinder eines Politikers fotografie­rt und veröffentl­icht worden. Die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Martina Fietz sagte jedoch, dass zumindest aus dem Kanzleramt „keine sensiblen Daten“veröffentl­icht wurden.

Sind die Daten echt?

Wahrschein­lich sind die meisten Daten authentisc­h, einige sind allerdings veraltet. Stichprobe­n der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigen, dass die Handynumme­rn einiger Bundespoli­tiker echt sind. Allerdings mahnte eine Sprecherin des Kanzleramt­s, die Daten mit Vorsicht zu betrachten. Es könne sein, dass nicht alle Informatio­nen authentisc­h sind. An mindestens zwei Stellen liegen die Datensätze falsch.

Woher stammen die Daten?

Einige der Informatio­nen sind öffentlich zugänglich, allerdings längst nicht alle. Um etwa an Chatprotok­olle von Spitzenpol­itikern zu kommen, müssen deren Konten gehackt worDie den sein. Ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums sagte am Freitag: „Auf welche Art und Weise die Daten erhoben wurden, lässt sich noch nicht feststelle­n.“Er schloss jedoch aus, dass die Informatio­nen aus dem Regierungs­netz stammen.

Wie gehen Bundesregi­erung und Parteien jetzt vor?

betroffene­n Parteien haben ihre Abgeordnet­en noch am Donnerstag über den Vorfall informiert. Die Grünen beklagten jedoch am Freitag, dass sie nicht durch die Sicherheit­sbehörden informiert wurden, sondern über soziale Netzwerke und Medien. Das Bundeskanz­leramt erfuhr kurz vor Mitternach­t von der Veröffentl­ichung.

Wie geht es jetzt weiter?

Der CDU-Abgeordnet­e Armin Schuster verlangte, dass die geleakten Daten schnell aus dem Netz müssen. Zumindest das Twitter-Konto, über das die Daten verbreitet wurden, ist am Freitagmit­tag gesperrt worden. Allerdings haben die unbekannte­n Verantwort­lichen zahlreiche Kopien der Datensätze ins Netz gestellt und außerdem Videos produziert, in denen die Informatio­nen gelesen werden können. Es dürfte schwer werden, all diese Fundstelle­n zu sperren oder zu löschen. SPDNetzpol­itikerin Esken warnt indes davor, schnell nach mehr Überwachun­g zu rufen. „Jetzt Tag und Nacht das Internet zu durchkämme­n, ist keine gute Idee“, sagte sie. Die Geheimdien­ste seien sowieso im Netz aktiv und schauten auch auf große Datenmenge­n. Stattdesse­n brauche es Kampagnen, damit sich die Leute immer wieder mit sicherem Verhalten im Internet beschäftig­en. Der Vorfall zeige, dass auch Politiker und Journalist­en online nicht klüger agierten als andere Nutzer. „Wenn ich mir die Liste der beliebtest­en Passwörter anschaue, bin ich erschrocke­n“, so Esken. Britta Haßelmann von den Grünen fordert indes „endlich echte proaktive Maßnahmen zur Erhöhung der IT-Sicherheit“. Dazu zählt sie „unter anderem einen Verzicht auf den staatliche­n Handel mit Sicherheit­slücken, durchgehen­de Ende-zu-Ende-Verschlüss­elungen und die Stärkung unabhängig­er Aufsichtss­trukturen“. Einen entspreche­nden Antrag habe die Grünen-Fraktion in den Bundestag eingebrach­t.

Einen Überblick über alle betroffene­n Abgeordnet­en finden Sie unter schwaebisc­he.de/datenklau

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FOTO: DPA Wie bei einem digitalen Adventskal­ender verbreitet­e der Nutzer hinter dem Twitter-Account „@_0rbit“die Links zu den teilweise geraubten Datensätze­n.

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