Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Papstkritiker
Am Samstag wird er 90 Jahre alt – doch von Altersmilde ist bei Walter Brandmüller keine Spur. Brandmüller ist einer der sichtbarsten Kritiker von Papst Franziskus. Zu seinem Geburtstag spricht der im fränkischen Ansbach geborene Geistliche über seine Sicht zum Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche erschüttert – und er sieht einen Zusammenhang zwischen Missbrauch und Homosexualität.
Brandmüller relativiert den sexuellen Missbrauch in kirchlichen Institutionen. „Was in der Kirche an Missbrauch passiert ist, ist nichts anderes, als was in der Gesellschaft überhaupt geschieht“, sagt er. Der eigentliche Skandal sei, dass sich die Kirchenvertreter in diesem Punkt nicht von der gesamten Gesellschaft unterschieden. Und überhaupt: die meisten Opfer seien ja keine Kinder gewesen, sondern „männliche Jugendliche“. Das zu vergessen oder zu verschweigen sei „wirklichkeitsfremd“, kritisiert Brandmüller. Es sei zudem „statistisch erwiesen“, dass es einen Zusammenhang zwischen Missbrauch und Homosexualität gebe.
Allgemein sieht Brandmüller die Kirche in einer „vitalen Krise“. Die Stellungnahmen der Kirche sieht er zu nah am „gesellschaftlichen Mainstream“. Und verantwortlich dafür sind seiner Meinung nach die höchsten Vertreter der Kirche – der Papst eingeschlossen. Spätestens seit dem sogenannten „Dubia-Brief“gehört Brandmüller zum Kreis der Kardinäle, die Äußerungen des Papstes auch in der Öffentlichkeit ernsthaft hinterfragen. In dem Schreiben forderten Brandmüller, der mittlerweile verstorbene Joachim Meisner und zwei weitere Kardinäle den Pontifex im Jahr 2016 auf, Zweifel an dessen Position gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen auszuräumen.
Ein Papst-Gegner sei er aber „auf gar keinen Fall“, sagt Brandmüller – aber ein Kritiker. „Dass ich einem Papst gegenüber kritisch sein kann, ist doch ganz normal“, sagt er. „Der Papst ist ja nicht der liebe Gott.“(dpa)