Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Maria kam nur bis Carmarthen­shire und Lengenwang

Die Geburtssta­dt Jesu hat viele Doppelgäng­er – unter anderem in Wales und im Ostallgäu

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BETHLEHEM (KNA) - „Gyrrwch yn ofalus“steht am Ortsschild. „Bitte fahren Sie vorsichtig!“Wo der Westen von Wales am walisischs­ten ist, da liegt Bethlehem. Am Rande des Brecon Beacons Nationalpa­rks, unweit von Carmarthen, der ältesten Stadt des Landes. „Weil in der Herberge kein Platz für sie war“– das hätte Maria und Josef auch hier zwischen Llandeilo und Llangadog passieren können. Denn in diesem Bethlehem leben nur rund 150 Menschen.

Damit gehört das Exemplar in der historisch­en Grafschaft Carmarthen­shire zu den kleinsten der rund zwei Dutzend Bethlehems weltweit. Wesentlich kleiner jedenfalls als die wahre Geburtssta­dt Jesu in den Palästinen­sischen Gebieten, die heute gut 30 000 Menschen hat.

Kapelle als Namensgebe­r

Benannt ist der kleine Weiler im Westen von Wales nach seiner Kapelle, die unscheinba­r in einer Seitenstra­ße liegt – und die Jesus vielleicht gefreut, wahrschein­lich aber doch ziemlich irritiert hätte. Denn die Begründer, irgendwann zwischen dem 16. und 18. Jahrhunder­t, waren „Nonkonform­isten“, auch „Dissenters“genannt: sogenannte Abspalter von der „römisch-katholisch­en“Kirche, die ja wiederum auch nur ein Teil der „einen Kirche Jesu Christi“ist.

Als sich die englische Kirche in den Jahren 1533/34 von Rom abwandte und eine Staatskirc­he mit König Heinrich VIII. als Kirchenobe­rhaupt gründete, ging das bestimmten protestant­ischen Strömungen nicht weit genug. Sie gründeten selbststän­dig eigene Gemeinden. Aber wenn auch Jesus selbst ein „Dissenter“, ein Abweichler gewesen sein mag: Wie sollte er das verstehen, was da in seinem Namen an Spaltungsl­inien verläuft?

Über dem Ort thronen die steinernen Überreste von Garn Goch, einer befestigte­n Siedlung aus der Eisenzeit. Die allermeist­e Zeit des Jahres geht es sehr gemächlich zu in Bethlehem. Doch nicht im Dezember: Dann fallen im Dorf Tausende Besucher aus dem ganzen Land ein; selbst aus den USA und Deutschlan­d, zum alljährlic­hen, typisch britischen Weihnachts­markt. Der Clou seit 1965: Wer hier eine der in Großbritan­nien so unausweich­lichen Weihnachts­karten abschickt, bekommt den unbezwingb­aren Ortsstempe­l: Post aus Bethlehem!

Im Zuge von Wirtschaft­skrise und Thatcher-Sparzwang wurde zwar im Jahr 1985 die örtliche Postfilial­e geschlosse­n. Doch 17 Jahre später, 2002, geschah das Weihnachts­wunder: die Neueröffnu­ng in der – ebenfalls geschlosse­nen – Dorfschule. Mince Jelly, Lemon Curd, Minztörtch­en: Hausgemach­tes ist im Weihnachts­Run nach Bethlehem rasch ausverkauf­t.

Was noch dazukommt und etwas bizarr ist: Das walisische Bethlehem liegt 190 Kilometer südlich von Nasareth, ebenfalls in Wales natürlich, Grafschaft Caernarvon­shire. Zwischen denselben beiden Orten im Heiligen Land liegen 110 Kilometer, in ziemlich gleicher Nord-Süd-Ausrichtun­g. Nur schneit es dort seltener. Eine Gemeinsamk­eit: Beide Bethlehems liegen im Hirtenland. Die walisische­n Schüler dürften für die Geschichte von der Krippe und den Hirten auf dem Felde zumindest ansprechba­r sein.

Amerikanis­che Variante

Eher industriel­l sieht es in Bethlehem im Osten Pennsylvan­ias aus. Mit knapp 75 000 Einwohnern ist das Städtchen am Rande der Appalachen das mit Abstand größte von insgesamt 16 Bethlehems allein in den USA. Südafrika hat dagegen nur ein Bethlehem. Es hat gut 16 000 Einwohner, liegt 1700 Meter hoch am Fuß der Rooiberge, einem Vorgebirge der Drakensber­ge in der Provinz Freistaat. Die Stadt, 1864 von streng religiösen burischen „Voortrekke­rn“(Pionieren) gegründet, ist ein Agrarzentr­um für Weizen und Schafzucht. Jedes Jahr im Frühsommer finden hier die nationalen Heißluftba­llonMeiste­rschaften statt.

Und auch im Ostallgäu liegt Bethlehem: seit 2001 ein Ortsteil der 400Einwohn­er-Gemeinde Lengenwang. Hier tragen die Kirchen Zwiebeltur­m; als Kulisse dienen die Alpengipfe­l des Aggenstein­s, Säulings und Tegelbergs. Der Legende nach hieß der Flecken mit seinen heute 25 Einwohnern früher „Bettelheim“, und der Sitz im Leben war die damals extreme Armut, die sort unter den Tagelöhner­n herrschte.

Die Anwohner kommen heute gerne aus „Bethlehem“; einen Zusatz wie -straße oder -weg lehnen sie ab. „O Little Town of Bethlehem“– am Heiligaben­d haben Millionen Anglikaner weltweit in ihren Kirchen wieder ihr wunderbare­s Weihnachts­lied gesungen; im Heiligen Land, in Wales, Südafrika und den USA.

 ??  ?? In Lengenwang im Landkreis Ostallgäu stehen Sternsinge­r vor dem Ortsteilsc­hild – hier geht es weit beschaulic­her zu als in der wahren Geburtssta­dt Jesu in den palästinen­sischen Gebieten.
In Lengenwang im Landkreis Ostallgäu stehen Sternsinge­r vor dem Ortsteilsc­hild – hier geht es weit beschaulic­her zu als in der wahren Geburtssta­dt Jesu in den palästinen­sischen Gebieten.

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