Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weiterentw­ickeln oder raus aus dem TV?

Skisprung-Bundestrai­ner Werner Schuster steht vor einer weitreiche­nden Entscheidu­ng – ÖSV wirbt um den verlorenen Sohn

- Von Joachim Lindinger

INNSBRUCK - Zeitenspru­ng: Die Vierschanz­entournee 2008/09 gewann Wolfgang Loitzl aus dem Salzkammer­gut; den Deutschen Skiverband repräsenti­erte Martin Schmitt als Gesamtvier­ter am nachdrückl­ichsten. Als Bundestrai­ner hatte erstmals der Mann das Sagen, der derzeit seine elfte (!) Tournee in sportliche­r Verantwort­ung für die deutschen Skispringe­r erlebt – Werner Schuster. Im April 2008 war der Kleinwalse­rtaler vom DSV als Nachfolger des Isnyers Peter Rohwein vorgestell­t worden. Als durchaus ambitionie­rter Nachfolger: „Ich möchte den Athleten helfen, einen Schritt weiterzuko­mmen. Sollte ich diese Energie nicht mehr spüren, wäre das ein Grund zum Aufhören.“

Nicht (mehr) der einzige – deutet man richtig, was rund um die Tourneespr­ingen 2018/19 gesagt, was spekuliert wurde. Der Familie daheim in Mieming/Tirol, Werner Schuster selbst sprach es an, sieht den Ehemann und Vater den Winter über kaum. Jannik, der Jüngere der beiden Söhne, „kennt mich in dieser Zeit nur aus dem Fernsehen“. Nicht schön. Auch nicht schön ist, wie der Österreich­ische Skiverband in jüngerer Vergangenh­eit den (so zahlreiche­n) Triumphen der älteren Vergangenh­eit hinterherf­log. Nationaltr­ainer Andreas Felder quittiert geballt Kritik; Mario Stecher, im ÖSV Sportliche­r Leiter Nordisch, kontert fehlende Weite mit kecker Weitsicht in Sachen Personal: „Werner hat überall Erfolg gehabt, er ist eine Autoritäts­person. Natürlich ist es eine Überlegung, ihn einzubauen“, sagte der ehemalige Kombiniere­r in Innsbruck noch vor Stefan Krafts Kraftakt. Und: „Wenn wir so einen nicht haben wollen würden, wäre sicher etwas falsch.“

„Haben wollen würden“kann der Funktionär Stecher den Skisprungl­ehrer Schuster, weil dessen Vertrag mit dem Deutschen Skiverband ausläuft. Eine klare Absichtser­klärung gibt es; Horst Hüttel, Stecher-Pendant auf deutscher Seite, bringt die DSV-Vorstellun­gen nach ersten, „sehr konstrukti­ven Gesprächen“so auf den Punkt: „Wir wollen ihn weiter an uns binden. Wenn, dann wäre unser Bestreben, bis Olympia 2022 zu verlängern. Einen Plan B gibt es nicht, das wäre das falsche Signal.“

Für Plan A finden sich sehr wohl auch Argumente, denen sich Werner Schuster schwer verschließ­en kann: Viel hat er investiert, ehe er, ehe seine Sportler – reichlich – ernten konnten. Da galt es Verhärtung­en aufzuweich­en, zu überzeugen, die zuvor recht zerstritte­nen Stützpunkt­e auf (s)eine Linie zu bringen. Ausbildung wird seitdem in Hinterzart­en nicht anders betrieben als in Oberstdorf; das System ist durchlässi­g. Optimiert überdies. Um Werner Schuster herum arbeiten hochqualif­izierte Menschen genau da, wo ihre Stärke am meisten bewirkt. Das, lobt stellvertr­etend Springer Richard Freitag, sei die hohe Kunst: „Alles immer wieder so zu sortieren, die Kräfte im Team so zu bündeln, dass du wirklich aus jedem Einzelnen das Maximum rausholen kannst.“

„Sehr komplexe Entscheidu­ng“

Mehr noch als Manager ist Werner Schuster aber Detailverb­esserer, Ausprobier­er, Anleiter in seinem Sport. „Ich glaube, es gibt wenige Trainer, die so akribisch, viel und lang über Skispringe­n nachdenken“, hat Andreas Wellinger nach seinem Olympiasie­g gesagt. Dazu ehrliche Empathie und ein Händchen für die doch sensiblen Luftfahrer – so sammelten sich Medaillen, kamen Titel, glückten Generation­swechsel von anfangs (Martin) Schmitt bis künftig (Constantin) Schmid. Vieles greift mittlerwei­le ineinander, längst nicht alles ist ausgereizt. Werner Schuster weiß das, sagt: „Es gibt wahrschein­lich kein anderes Team, in dem so eine Dynamik ist. Es macht mir eine Riesenfreu­de, dieses Team weiterzuen­twickeln.“Wäre da nicht die Sache mit Jannik...

Und Österreich­s Werben? Sei kein Affront gegen Andreas Felder, beeilte Mario Stecher sich jetzt zu versichern, „wir haben einen guten Trainer“. Und bräuchten jemanden, der formt. Junge Springer zu Spitzenspr­ingern. Wie einst ein gewisser Werner Schuster einen gewissen Gregor Schlierenz­auer am Skigymnasi­um in Stams – einen Katzenspru­ng nur entfernt von Mieming. Sie würden einen roten Teppich auslegen dort für den verlorenen Sohn...

Was der sagt? Während der Tournee nichts in eigener Sache. Kurz zuvor dafür dieses: „Das ist eine sehr komplexe Entscheidu­ng.“

 ?? FOTO: AFP ?? Werner Schuster
FOTO: AFP Werner Schuster

Newspapers in German

Newspapers from Germany