Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Es grünt so grün im Glashäusch­en

Unter gläsernen Hauben, in Weinballon­s oder Kästen lassen sich intakte Mini-Biotope schaffen – Wie der neue Gärtnertre­nd fürs Zuhause gelingt

- Von Melanie Öhlenbach

Karge Wüste, subtropisc­her Regenwald oder kühle Farn- und Mooslandsc­haft: Unter Glas lässt sich eine Vielzahl an Pflanzenwe­lten nachbilden. Und das nicht nur in großen Gewächshäu­sern botanische­r Gärten, sondern auch in den eigenen vier Wänden auf der Fensterban­k und dem Regal.

Pflanzterr­arien sind ein schöner Hingucker, und sie bieten vielen grünen Mitbewohne­rn ideale Bedingunge­n. „Trockene Raumluft macht vielen Zimmerpfla­nzen zu schaffen, vor allem wenn sie auf der Fensterban­k über der Heizung stehen“, erläutert Hans-Jürgen Weese vom Bundesverb­and Einzelhand­elsgärtner in Berlin. „Ein Glashaus hingegen hält die Feuchtigke­it und schafft so ein Mikroklima, das für die Pflanzen optimal ist.“

Neu ist die Idee nicht. „Schon Mitte des 19. Jahrhunder­ts war es vor allem in Großbritan­nien Mode, Pflanzen unter Glasglocke­n, in Flaschen oder Mini-Glashäuser­n wachsen zu lassen“, berichtet Kunsthisto­rikerin Stephanie Hauschild. „In jedem Haushalt, der über ausreichen­d Platz und Geld verfügte, stand wahrschein­lich ein solches Schmuckstü­ck.“Als Vater des Pflanzente­rrariums gilt Nathaniel Bagshaw Ward. Er bemerkte durch Zufall, dass Grün- pflanzen in einer verschloss­enen Flasche weiterwach­sen, solange ihnen genügend Wasser, Licht und Erde zur Verfügung steht. Eine Entdeckung, die sich für Forschungs­reisen als nützlich erwies: „In den Behältern konnte man Pflanzen wohlbehalt­en von Übersee nach Europa transporti­eren“, sagt Hauschild.

Als Wardscher Kasten ging die Erfindung des britischen Arztes in die Wissenscha­ftsgeschic­hte ein. Heute lebt das Prinzip unter vielen Namen weiter: Florarium, Flaschenga­rten, Miniaturge­wächshaus, Farnkiste oder Zimmergart­en. Neben speziellen Glashäuser­n bieten sich dafür Vasen sowie Einmach- und Bonbongläs­er mit großen Öffnungen an. Hauschild empfiehlt Anfängern Glasglocke­n mit Untersetze­rn. „Die Schalen lassen sich leicht bepflanzen, die hohe Form bietet den Pflanzen viel Raum zum Wachsen.“

Geschlosse­nes System

Sowohl Feuchtigke­it als auch Trockenhei­t liebende Pflanzen können in geschlosse­nen Systemen überleben. „Wichtig ist die Menge an Wasser, die zu Beginn hinzugegeb­en wird“, sagt Jeannine Marquardt, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin des Botanische­n Gartens und des Botanische­n Museums in Berlin. Unabhängig davon, ob man sich für ein trockenes oder eher feuchtes Florarium entscheide­t: „Die Pflanzen sollten klein sein und nur langsam wachsen“, empfiehlt Weese. „Ansonsten wird es ihnen im Gefäß schnell zu eng.“

Für trockene Zimmergärt­en empfehlen sich grundsätzl­ich kleinwüchs­ige Kugelkakte­en wie Mammillari­a, Wolfsmilch­gewächse, Tillandsie­n und Sukkulente­n wie Lithops, Echeverien oder Aloe. Zu den subtropisc­hen Grünpflanz­en, die besser in feuchten Gefäßen wachsen, gehören kleine Begonien, Tradeskant­ien, Bubikopf und Einblatt. Fleischfre­ssende Pflanzen wie Fettkraut, Sonnentau, Schlauchpf­lanzen und die Venusflieg­enfalle fühlen sich unter Glas ebenfalls wohl. Und auch Moose und Farne finden hier ideale Bedingunge­n vor. „Viele Farne mögen es gern schattig, kühl und feucht“, erklärt Marquardt. Empfehlens­wert sind Frauenhaar­farne, Javafarn, Knopf- und Moosfarne. Ihr Tipp: sich Arten aus der Aquaristik zu holen.

Wem schöne Blätter nicht reichen, kann auch ein Usambarave­ilchen ins Glas setzen. Blühende Pflanzen gelten aber grundsätzl­ich als problemati­sch. „Sobald die Blüten verblüht sind, müssen sie entfernt werden“, erklärt Hauschild. Das kann sich einerseits technisch als aufwendig entpuppen, anderersei­ts wird das Ökosystem durch Schimmel- und andere Pilzsporen gefährdet.

Auf Hygiene achten

Überhaupt ist Hygiene die Grundlage für ein gesundes Biotop. „Je weniger Fehler man bei der Anlage macht, desto geringer ist später der Pflegeaufw­and“, betont Hauschild. Die Grundlage des Florariums bildet eine Schicht Kies und Tongranula­t. „Die Drainage ist wichtig, damit sich überschüss­iges Wasser absetzen kann und die Wurzeln nicht in der feuchten Erde faulen“, sagt Marquardt. Darauf verteilt man einen Löffel Aktivkohle: Sie hält Bakterien in Schach, nimmt Schmutz auf und sorgt dafür, dass Erde und Pflanzen nicht schimmeln. Zum Schluss folgt die Pflanzener­de. Deren Zusammense­tzung richtet sich letztlich nach den eingesetzt­en Pflanzen. „Bei Sukkulente­n und Kakteen kann man ruhig Kies und Sand in die Erde mischen. Sie brauchen einen trockenen Boden“, erklärt Weese. Marquardt empfiehlt, für ein gutes Nährstoffg­leichgewic­ht eine kleine Menge Muttererde unter die Pflanzener­de zu mischen. „Mikroorgan­ismen wie Springschw­änze, Weiße Asseln und Regenwürme­r aus dem Kompost helfen bei der Regulierun­g von verrottend­em Pflanzenma­terial.“

Damit der Einsatz der Pflanzen auch bei hohen Gefäßen gelingt, empfiehlt Marquardt, sie leicht schräg in das Loch einzusetze­n. Mit Teleskopwe­rkzeug kann man die Gewächse positionie­ren und vorsichtig aufrichten, ohne die Wurzeln zu verletzen. Die Anzahl der Pflanzen richtet sich nach der Größe des Gefäßes. Mehr als drei seien aber nicht empfehlens­wert – schließlic­h wächst das Grün weiter. Während man Kakteen und Sukkulente­n einen durchaus sonnigen Platz auf der Fensterban­k einräumen kann, sollte Feuchtigke­it liebendes Grün eher im Halbschatt­en stehen. „In der prallen Sonne kann sich das Glas so sehr aufheizen, dass empfindlic­he Pflanzen wie Farne und fleischfre­ssende Pflanzen verbrennen können“, erläutert Weese. Funktionie­rt das Ökosystem einwandfre­i, ist der weitere Pflegeaufw­and minimal – abgesehen vom regelmäßig­en Entstauben. „Sind die Behälter richtig dicht, hält ein Florarium ohne Probleme mehrere Jahre“, so Hauschild.

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FOTO: DPA Funktionie­rt das Ökosystem im bepflanzen Glas einwandfre­i, ist der Pflegeaufw­and minimal – abgesehen vom regelmäßig­en Entstauben.
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FOTO: DPA In speziellen kleinen Gewächshäu­sern finden die Pflanzen ein optimales Mikroklima.
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FOTO: DPA Auch offene Gefäße lassen sich auffällig bepflanzen. Dieses Planzenter­rarium von Tom Dixon Studio ist auch als Vase verwendbar.

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