Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Standort in Gefahr
Für Familienunternehmen sind laut einer ZEW-Studie vor allem die hohen Steuern in Deutschland ein Problem
BERLIN - Nur bei den Finanzierungsbedingungen bekommt Deutschland als Standort für größere Familienunternehmen noch die Note „hervorragend“. Dagegen fällt die Bundesrepublik insbesondere bei der Steuerbelastung immer weiter zurück. Unterm Strich verliert sie im Vergleich mit 21 anderen Industriestaaten weiter an Boden: Sie belegt nur noch Rang 16. Vor zwei Jahren lag sie noch auf Platz zwölf. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim für die Stiftung Familienunternehmen, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt.
Die Stiftung, die von rund 500 großen deutschen Familienunternehmen getragen wird, lässt die Standortfaktoren seit 2006 alle zwei Jahre untersuchen. Die Ergebnisse sollten nach Ansicht ihres Vorstands Rainer Kirchdörfer ein Weckruf für die Bundesregierung sein: „Die Politik muss endlich die Standortbedingungen Deutschlands wieder in den Fokus rücken.“Überfällig seien eine Senkung der effektiven Steuerbelastung von Unternehmen um mindestens fünf Prozentpunkte und der Ausbau der digitalen Infrastruktur auch in ländlichen Regionen.
Deutschland könnte weiter verlieren, wenn die Politik nicht gegensteuert, befürchtet auch der Leiter der Studie beim ZEW, Friedrich Heinemann. Denn die Auswirkungen der umfassenden Steuerreform in den USA wurden bei der neuen Untersuchung noch nicht berücksichtigt. Dadurch könnten die Vereinigten Staaten die Schweiz vom ersten Platz unter den attraktivsten Standorten verdrängen. Auch Frankreich werde sich durch seine geplante Steuerreform verbessern. Allerdings belegt Paris aktuell nur Rang 19.
Drei Länder haben sich in den vergangenen zwölf Jahren besonders positiv entwickelt, zeigt die Analyse der Forscher: Tschechien hat seine Internet-Infrastruktur stark verbessert, die Niederlande haben ihr Steuersystem vereinfacht. Auch Polen entwickelte sich günstig, obwohl die Rechtsstaatlichkeit – wie auch in Ungarn – sehr negativ bewertet wird.
Die ZEW-Forscher haben ihren Index aufgrund objektiv messbarer Daten für sechs Themenfelder errechnet. Sie betrachten diese aus Sicht von Familienunternehmen mit mindestens 100 Millionen Euro Jahresumsatz, weil für sie eine Verlagerung ins Ausland eine realistische Option ist.
„Steuerpolitische Untätigkeit“
Bei den Steuern ist Deutschland ist auf den vorletzten Platz zurückgefallen; 2016 lag die Bundesrepublik noch auf Rang 16. Grund ist die Reform der Erbschaftsteuer, die bei größeren Firmenübertragungen zu einer höheren Belastung führen kann. Zudem ist die Bundesrepublik durch „ein ganzes Jahrzehnt weitgehender steuerpolitischer Untätigkeit“bei der Besteuerung des laufenden Geschäfts ins Hintertreffen geraten: Andere Länder waren „hochgradig handlungsfreudig“. Dadurch sei die Bundesrepublik heute im internationalen Vergleich ein Hochsteuer-Standort.
Als deutsche Schwachstellen benennt das ZEW die Arbeitskosten, die Bildungsausgaben und das Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung. Bei Arbeitsmarkt und Tarifrecht sowie bei der Geschäftsgründung hat die Regulierung abgenommen. Gewonnen hat Deutschland auch im Außenhandel. Stillstand bemängeln die Forscher dagegen bei den Vorschriften im laufenden Geschäftsbetrieb sowie bei der betrieblichen Mitbestimmung. Die Studie bewertet Länder positiv, in den die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Belegschaft geringer sind als in Deutschland.
Die Finanzierung ist der einzige Bereich, bei dem Deutschland einen Spitzenplatz belegt, weil sich die Verschuldung der privaten und öffentlichen Haushalte verbessert hat. Auch die Urteile der internationalen Ratingagenturen fallen besonders positiv aus. Dieser Punkt ist zum „großen Aktivposten des deutschen Standorts geworden“, lobt das ZEW. Zurückgefallen ist Deutschland dagegen in den Bereichen Kriminalität, politische Stabilität und Rechtssicherheit. Ungünstig entwickelte sich auch die Transportinfrastruktur und zwar sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene und im Luftverkehr.
Zudem wirke sich der Anstieg der Strompreise negativ aus. Aber auch beim Erreichen der Klimaziele „muss eher von einem Rückschritt als von einem Fortschritt gesprochen werden“. Positiv entwickelten sich im langfristigen Vergleich die Gasund Kraftstoffpreise.