Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ideen aus China für die Doppelstadt
Eine Delegation aus der Region will sich im Reich der Mitte Anregungen holen
ULM/ZHUHAI - Mit Vergleichbarkeit ist das so eine Sache. Wie viele Einwohner muss eine Stadt in China haben, um auf der gleichen Ebene wie Ulm zu stehen? In Zhuhai im Südosten des riesigen Reichs leben 3,5 Millionen Menschen. „In der eigenen Wahrnehmung befinden sie sich auf Augenhöhe mit Ulm“, sagt Ulrike Hudelmaier. Die Geschäftsführerin des Start-Up- und Innovationszentrum Ulm/Neu-Ulm TFU GmbH betreut die Partnerschaft zwischen den Städten schon seit mehreren Jahren. Die Regionen in Schwaben und China könnten bei Wirtschaftsprojekten zusammenarbeiten. Denn es gibt Gemeinsamkeiten: Hier wie dort spielen Medizintechnik, Biotechnologie und Logistik eine wichtige Rolle. Aktuellstes Gesprächsthema ist die EMobilität im öffentlichen Nahverkehr.
Seit dem Wochenende ist Hudelmaier wieder im Südosten Chinas – gemeinsam mit einer Delegation aus Ulm, dem Kreis Neu-Ulm und dem Alb-Donau-Kreis. Oberbürgermeister Gunter Czisch und die Landräte Thorsten Freudenberger und Heiner Scheffold sind gemeinsam mit den Bundestagsabgeordneten Ronja Kemmer (CDU) und Alexander Kulitz (FDP) sowie IHK-Mann Peter Kulitz dabei.
Enge Kontakte pflegen
Zhuhai ist nur eins der Ziele, die die Delegation in lediglich drei Tagen besuchen will. Auf dem Plan stehen auch Besuche in Hongkong und Shenzhen. Auch zu letzterer, einer Zwölfeinhalb-Millionen-Stadt Shenzhen, pflegen die Ulmer und Neu-Ulmer enge Kontakte. Am genauen Zeitplan für den Besuch tüfteln die Gastgeber bis auf den letzten Drücker. Ulrike Hudelmaier ist das gewöhnt. Ein Besuch steht schon fest: In Shenzhen fahren 16 000 Elektrobusse – und mit dem Unternehmen BYD hat einer der weltweit größten Hersteller für solche Fahrzeuge dort seinen Sitz. „Wir werden uns Hersteller anschauen und sehen, wie das läuft“, kündigt Hudelmaier an.
Die chinesischen Firmen, sagt die Geschäftsführerin, hätten großes Interesse, mit Mittelständlern aus dem Raum Ulm zusammenzuarbeiten: „Die Strukturen sind ähnlich.“Branchen, die hier stark sind, spielen auch dort eine wichtige Rolle. Konkrete Entscheidungen werden bei dem Besuch wohl noch nicht fallen. Hudelmaier sieht in der Reise vor allem eine Absichtserklärung der Wirtschaft und der Politik: Die Partnerschaft ist den Entscheidern aus der Doppelstadt und den beiden benachbarten Landkreisen wichtig. „Es soll unser ernsthaftes Interesse zeigen“, betont Ulrike Hudelmaier. Es sei auch wichtig, dass Vertreter aus Politik und Wirtschaft erfahren, wie ihre jeweiligen Partner ticken.
Die Delegation will auch Einblicke in die Organisation der kommunalen Verwaltung und die Technologiezentren im Südosten Chinas bekommen. „Sondierungsgespräche auf höchster kommunaler Ebene“, nennt Hudelmaier den Besuch.
Partnerschaft auf Augenhöhe
Schwaben will von chinesischer Technologie profitieren, doch die Partnerschaft funktioniert auch umgekehrt, wie ein aktuelles Beispiel zeigt. Erst vor kurzem hat ein regionales Unternehmen bei einem gigantischen Projekt im Südosten Chinas kräftig mitgearbeitet: Der Weißenhorner Schalungs- und Gerüstbauer Peri fertigte Elemente für den längsten Unterwasser-Straßentunnels der Welt. Der Tunnel ist Teil der Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke – einer gewaltigen Verkehrsader aus Brücken, Tunneln und künstlichen Inseln, die das Spielerparadies Macau und die Sonderwirtschaftszonen Hongkong und Zhuhai verbindet. Die Route ist im Oktober für den Verkehr freigegeben worden.
Die Einladung nach Zhuhai und Shenzhen hat eine chinesische Delegation ausgesprochen, die Ende November in Ulm und Stuttgart zu Gast war. Programmpunkte damals: Besuche im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium, bei der Stuttgarter Steinbeis-Stiftung, die sich für Wissens- und Technologietransfer einsetzt, beim Start-Up- und Innovationszentrum Ulm/Neu-Ulm – und auf dem Weihnachtsmarkt am Münsterplatz.