Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Diözese verteidigt sich gegen „Taldorfer Erklärung“

Bischof Fürst will keine Diskussion über die Medien – Pressestel­le verweist auf Kooperatio­n bei der Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Die Diözese Rottenburg-Stuttgart will nicht öffentlich auf die „Taldorfer Erklärung“reagieren. „Seine Position zu den Kernforder­ungen der Erklärung möchte Bischof Gebhard Fürst auch künftig lieber im direkten Gespräch mit den Gläubigen deutlich machen und nicht über die Medien“, teilte ein Sprecher am Donnerstag mit. Dabei war gerade Transparen­z und offenere Kommunikat­ionskultur eine Forderung der Verfasser.

Fünf katholisch­e Kirchengem­einderäte in und um Ravensburg haben in einer Erklärung das Verhalten der Leiter der Diözesen in Deutschlan­d im Umgang mit Missbrauch­sfällen in der Kirche kritisiert. In dem Schriftstü­ck fordern die Räte strukturel­le Veränderun­gen in der Kirche wie die Öffnung des Priesteram­tes für Frauen und die Abschaffun­g des Pflichtzöl­ibats. Die Erklärung liegt der Diözese nach eigenen Angaben bereits seit 19. Oktober vor. Es hat demnach der bischöflic­hen Pressestel­le in Rottenburg eine Reihe ähnlicher Schreiben an Bischof Fürst und in den Gremien der Diözese viele Gespräche zum Thema sexueller Missbrauch gegeben.

Die Fälle wurden im Forschungs­projekt „Sexueller Missbrauch an Minderjähr­igen durch katholisch­e Priester, Diakone und männliche Ordensange­hörige im Bereich der Deutschen Bischofsko­nferenz“zusammenge­führt. Darin wurde von mangelnder Kooperatio­nsbereitsc­haft einiger Diözesen berichtet. Auch deshalb forderten die Verfasser der Taldorfer Erklärung: „Absolute Transparen­z ist Voraussetz­ung dafür, die schwer beschädigt­e Glaubwürdi­gkeit der Kirche wiederherz­ustellen.“

Bischof setzt Kommission ein

Dazu teilte die Diözese mit: „Was die im September vorgestell­te Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholisch­en Kirche durch Geistliche und Ordensleut­e betrifft, hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart zu jeder Zeit offen und transparen­t mit den Wissenscha­ftlern und auch den Strafverfo­lgungsbehö­rden kooperiert.“

Bischof Fürst habe bereits im Jahr 2002 als erster in Deutschlan­d eine „Kommission sexueller Missbrauch“eingesetzt, die zur Hälfte mit externen Experten besetzt sei, von einer Person des öffentlich­en Lebens geleitet werde (seit 2014 die frühere baden-württember­gische Sozialmini­sterin Monika Stolz) und unabhängig arbeite. „Mit der Einrichtun­g einer eigenen Stabsstell­e Prävention im Jahr 2012 hat unsere Diözese ebenfalls eine Pionierrol­le übernommen“, so der Sprecher. Bischof Fürst wird von seinem Sprecher mit folgenden Worten zitiert: „Sexueller Missbrauch wird bei uns verfolgt und nicht vertuscht!“

Die Ravensburg­er Kirchengem­einderäte haben in all den Reaktionen auf Missbrauch­sskandale in der Kirche ein persönlich­es Schuldeing­eständnis seitens der Verantwort­lichen in den Diözesanle­itungen vermisst. Fürsts Sprecher sagt hingegen für die Leitung der Diözese Rottenburg-Stuttgart: „Der Bischof hat bei vielen Gelegenhei­ten seit September auch persönlich­e Verantwort­ung beim Thema sexueller Missbrauch übernommen und sich öffentlich entschuldi­gt namens der Kirche.“

Im September 2018 wurde Fürst nach der Vorstellun­g der Studie zum Missbrauch in der Kirche wie folgt zitiert: „Wenn ein Täter oder Beschuldig­ter, auch bei verjährter Tat, in eine andere Gemeinde versetzt wurde, wurden der leitende Pfarrer, der Zweite Vorsitzend­e des Kirchengem­einderats wie auch der Dekan informiert“. In keinem der Fälle habe es sich um schweren sexuellen Missbrauch im Sinne von Vergewalti­gungen oder andere Taten mit Körperkont­akt, sogenannte Hands-on-Taten, gehandelt, sagte Fürst demnach damals.

Mit den Verfassern der Taldorfer Erklärung wolle der Bischof in nächster Zeit telefonier­en, sagte sein Sprecher. Aufgrund einer anderen Erklärung aus der Region, der sogenannte­n Ravensburg­er Erklärung zu gemeinsame­m Abendmahl und Kommunion verschiede­ner christlich­er Konfession­en, wird derzeit ein Besuch des Bischofs in der Stadt geplant. Ein Termin hierfür steht aber nach Angaben der Diözese noch nicht fest.

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FOTO: FRANK MAY/DPA Die Verfasser der Taldorfer Erklärung fordern unter anderem: „Absolute Transparen­z ist Voraussetz­ung dafür, die schwer beschädigt­e Glaubwürdi­gkeit der Kirche wiederherz­ustellen.“

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