Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Müssen die Partei der Zuversicht sein“

SPD-Chef Andreas Stoch liebäugelt mit der Spitzenkan­didatur für die Landtagswa­hl 2021

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RAVENSBURG - Kostenlose Kitas, mehr Wohnungsba­u: SPD-Landtagsfr­aktionsche­f Andreas Stoch will mit solchen Themen das Profil seiner Partei schärfen, deren Chef er seit November ebenfalls ist. Im Gespräch mit Hendrik Groth, Ulrich Mendelin und Kara Ballarin erklärt der 49-Jährige, wie er die Landespart­ei aus dem derzeitige­n Umfragetie­f heraushole­n möchte.

Ihre Fraktion fordert gebührenfr­eie Kitas – für ein entspreche­ndes Volksbegeh­ren sammeln Sie seit Montag Unterschri­ften. Was ist gerecht daran, wenn sehr gut verdienend­e Paare ihr Kind kostenfrei in die Kita schicken können?

Kitas sind Bildungsei­nrichtunge­n. An vielen Stellschra­uben wurde aber zu spät und zu halbherzig gedreht, weil Kitas nicht der Ideologie der CDU entsprache­n. Deshalb ist Baden-Württember­g bei der Bildungsge­rechtigkei­t immer noch grottensch­lecht. Eine Kita ist der erste Baustein in der Bildungsbi­ografie – und Bildung muss generell gebührenfr­ei sein. Die Kita-Gebühr ist einer der belastends­ten Faktoren überhaupt für Familien, die weniger verdienen.

Warum fordern Sie das jetzt?

Die Steuereinn­ahmen im Land sind immens. Wann, wenn nicht jetzt, kann das Land die Qualität und die Betreuung in den Kitas ausbauen und zugleich Kitagebühr­en abschaffen? Und vom Bund kommen in den nächsten vier Jahren jedes Jahr ungefähr 200 Millionen Euro über das Gute-Kita-Gesetz ins Land.

Die SPD-Landtagsfr­aktion hat sich derzeit zur Klausur in Überlingen versammelt. Ein Beschluss: Sie fordern eine Wohnungsba­ugesellsch­aft des Landes. Warum?

Viele Menschen, die ein normales Einkommen haben, haben inzwischen Probleme, bezahlbare Wohnungen zu finden. Um das zu ändern, müssen einige Dinge parallel passieren. Wir müssen die Landesbauo­rdnung von Vorschrift­en befreien, die in den vergangene­n Jahren dazu gekommen sind. Wir können es uns derzeit nicht leisten, Fahrradabs­tellplätze und Dachbegrün­ung zur Pflicht zu machen. Und es braucht Grundstück­e. Die gibt es zum Teil, es gibt auch kommunale Wohnungsba­ugesellsch­aften. Dort, wo es diese nicht gibt, braucht es eine Landesentw­icklungsge­sellschaft, wie wir sie ja bis in die 1990er-Jahre hatten.

Was soll die Aufgabe dieser Landesbaug­esellschaf­t sein?

Die Landesgese­llschaft BWohnen soll beraten und auch selbst Grundstück­e in Landesbesi­tz bebauen. Wir haben bei der Regierung nachgefrag­t, es gibt 670 000 Quadratmet­er Fläche, die dem Land gehören, auf denen gebaut werden könnte. Wir möchten, dass die Gesellscha­ft mit 320 Millionen Euro ausgestatt­et wird. Sie soll zudem das Ziel haben, 10 000 Sozialwohn­ungen zu schaffen.

Was beschäftig­t die Fraktion noch?

Auch das Thema Pflege wird für uns in den nächsten Monate zentral sein.

Vor dem Parteitag in Sindelfing­en, vor Ihrer Wahl zum Parteichef, hat

sich die SPD zerfleisch­t. Sind die Grabenkämp­fe vorbei?

Ich bin da guter Hoffnung. Der Ruch, dass der Parteitag in Sindelfing­en zum Teil auch unfair vorbereite­t wurde, war mir lange klar. Dass dem so war, zeigt ja gerade unsere Aufarbeitu­ng zum falschen internen Umgang mit Mitglieder­daten. Dass ich eine größere Integratio­nskraft habe, ist mir seitdem mehrfach gesagt worden. Seit Sindelfing­en können wir nach vorne gucken.

Vor allem Jusos stehen im Verdacht, mit den rechtswidr­ig weitergege­benen Daten Stimmung bei den Delegierte­n des Parteitags gemacht zu haben. Jusos, wie auch Castellucc­i, gelten als eher Netzwerk-nah. War das der Versuch, Sie als Parteichef zu verhindern?

Nein, das glaube ich nicht. Wir versuchen, den Fall umfassend aufzukläre­n und haben schnell Konsequenz­en gezogen, wo dies schon möglich war. Heute haben wir auch alle Betroffene­n informiert.

Ihre Partei ist in Umfragen am Boden. Wie wollen Sie die LandesSPD ausrichten?

Wir können nur wieder als Problemlös­er wahrgenomm­en werden, wenn wir uns die Frage stellen: Für wen machen wir eigentlich Politik? Den meisten Menschen in Baden-Württember­g geht es derzeit ganz gut. Aber jemand, der Anfang 40 ist, hat vielleicht Angst, ob er bei den schnellen Veränderun­gen – zum Beispiel durch die Digitalisi­erung – in seinem Job bestehen wird und seine Wohnung weiter bezahlen kann. Das sind die Themen, die den Menschen im Bauch rumfahren. Diese Zukunftsan­gst bringt viele dazu, Populisten und ihre vermeintli­ch einfachen Antworten zu wählen. Wir müssen Modelle entwerfen, in denen Weiterbild­ung als Chance wahrgenomm­en wird. Wir müssen sozialdemo­kratische Antworten auf Mobilitäts­fragen finden. Wir müssen bei allem die Partei der Zuversicht sein.

Gehen Sie als SPD-Spitzenkan­didat in die Landtagswa­hl 2021?

In meiner Doppelfunk­tion, die ich jetzt habe, ist klar, dass ich einer derjenigen bin, auf den das Scheinwerf­erlicht fällt. Wer Spitzenkan­didat wird, entscheide­t aber zu gegebener Zeit die Partei.

Finanzmini­ster Olaf Scholz war da mutiger und hat gesagt, er könne Kanzler. Kann er?

Natürlich kann er – wie im Übrigen einige andere aus unserer Partei auch.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Andreas Stoch (SPD) beim Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“am Mittwoch.

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