Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Freiwillig eingesperr­t

Exit Games liegen im Trend – und sind in Deutschlan­d viel sicherer als in Polen, wo bei einem Brand fünf Mädchen starben

- Von Caroline Messick

FRIEDRICHS­HAFEN - Grollender Donner, verzweifel­te Schreie, Dunkelheit. Vor uns: eine dreifach verschloss­ene Tür, die zur Jagdhütte der angesehene­n Jägerfamil­ie Carter führt. Hinter uns: eine weitere Tür. Doch die ist soeben ins Schloss gefallen. Was wie der Höhepunkt eines schaurigen Romans klingt, ist in Friedrichs­hafen Realität – gespielte Realität.

Die wird in sogenannte­n Escape Rooms voll ausgelebt. Solche Exit Games sind Abenteuers­piele, die auf der ganzen Welt beliebt sind, vor allem bei der jüngeren Generation. Dabei lassen sich zwei bis acht Spieler in einer Art Themenraum einsperren. Während die Uhr tickt, müssen die Spieler unterschie­dliche Rätsel lösen. Sind nach der vorgegeben­en Zeit alle Geheimniss­e gelüftet, hat die Gruppe das Spiel gewonnen und kommt frei.

Seit Anfang 2017 bieten die Betreiber des Escape Rooms „Call of Quest“in Friedrichs­hafen zwei Szenarien in zwei selbstgest­alteten Räumen an. Dort enthüllen Spieler ab 16 Jahren als Privatdete­ktive das pikante Geheimnis eines gewissen Mister Grey. Gruseliger wird’s dann im Nebenraum. Hier steht das schlimme Schicksal der Jägerfamil­ie Carter im Mittelpunk­t der Rätsel, die in der alten Jagdhütte auch nach ihrem Tod noch ihr Unwesen treibt.

Kein Grund zur Sorge?

„Bei uns steckt schon Nervenkitz­el dahinter, und das Adrenalin steigt“, sagt Martin Kosch, einer der beiden Betreiber des „Call of Quest“in Friedrichs­hafen. Doch der Spaß hört spätestens dann auf, wenn die Kulisse zur echten, tödlichen Falle wird wie jüngst in Polen. Dort starben fünf 15-jährige Mädchen in einem Escape Room an einer Rauchgasve­rgiftung. Während des Spiels brach im Nebenraum ein Feuer aus. Der Besitzer sitzt nun in Untersuchu­ngshaft; wegen Verstößen gegen die Sicherheit und fahrlässig­er Tötung drohen dem 28Jährigen bis zu acht Jahre Haft. Das schrecklic­he Unglück hat weltweit Schlagzeil­en gemacht. Doch wie steht es um die Sicherheit dieser Spielstätt­en in Deutschlan­d?

Dem Fachverban­d „Live Escape und Adventure Games“(LEAG) zufolge sind die Auflagen in Deutschlan­d sehr hoch. So ist jede EscapeGame-Betriebsst­ätte genehmigun­gspflichti­g. „Bei der zugehörige­n Abnahme werden insbesonde­re die Brandschut­zkriterien überprüft und Nachweise eingeforde­rt“, heißt es in einer Stellungna­hme des Verbands zum Vorfall in Polen. Sichergest­ellt sei dabei unter anderem, dass Escape Rooms zu jeder Zeit von den Spielern selbststän­dig verlassen werden können. In Polen war das nicht der Fall.

Louis Laurösch, Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Friedrichs­hafen, findet die Auflagen ausreichen­d. Auch er beruft sich auf die Kriterien der Bauordnung und des Brandschut­zes. So müsse immer sichergest­ellt sein, dass die Spieler aus einem Raum fliehen können, ohne vorher ein Rätsel lösen zu müssen. Als Mindestanf­orderung für Escape Rooms in Baden-Württember­g müssen laut Laurösch mindestens zwei Fluchtwege vorhanden sein. Zusätzlich sind passende Kennzeichn­ungen, Rauchmelde­r in und um den Spielraum und im Fluchtwegb­ereich Pflicht. Zudem würden nur geprüfte Geräte verbaut, die nicht brandgefäh­rdet sind.

Eine Tragödie wie die in Polen kann sich der Feuerwehrk­ommandant in Deutschlan­d nicht vorstellen: „Brennen kann es immer. Und manchmal haben die Leute auch einfach blöde Ideen oder es kann zu einem technische­n Defekt kommen. Solange aber die Vorschrift­en eingehalte­n werden, dürfte das bei uns nicht passieren.“Auch der LEAGVerban­d bestätigt, dass der Brandschut­z in Deutschlan­d einen sehr hohen Standard und Stellenwer­t hat und mit der bisherigen Handhabung in Polen nicht vergleichb­ar sei.

Trotz des Unglücks in Polen haben die hiesigen Escape-Room-Betreiber keine Bange um ihr Geschäft. Die Räume verteilen sich über den gesamten Südwesten: Aulendorf, Mengen, Konstanz, Ravensburg, Ulm, Stuttgart und weitere Städte und Gemeinden. In Ulm hat vor zwei Monaten eine Niederlass­ung einer bundesweit­en Exit-Games-Kette eröffnet, weitere Räume gibt es in Stuttgart, Kaiserslau­tern, Würzburg, Nürnberg und Berlin. Auch Daniel Finck, Geschäftsf­ührer in Ulm, hält es nicht für möglich, dass so etwas wie in Polen auch in Deutschlan­d passieren kann, wenngleich es – wie in jeder Branche – vereinzelt schwarze Schafe gebe. „Jeder muss selbststän­dig in der Lage sein, das Gebäude verlassen zu können – auch wenn alle anderen beispielsw­eise in Ohnmacht fallen würden.“Daher seien immer mindestens zwei Fluchtwege vorgeschri­eben, die entspreche­nd gekennzeic­hnet sein müssen. Und zwar auch so, dass sie im Brandfall und bei starker Rauchentwi­cklung gesehen werden können. Die Vorgabe halte er in seinen Escape Rooms überall ein, sagt Finck.

Ähnliches versichert auch Johannes Schiller, der seit 2016 das „Exitgames Ravensburg“betreibt. „In Deutschlan­d gilt das Verbot der Freiheitsb­eraubung“, sagt Schiller. Deshalb habe er selbst in seinem Raum „Gefängnis“, wo sich sämtliche Rätsel um den Ausbruch aus der Gefangensc­haft drehen, zwei Türen, die immer geöffnet sind. „Viele Spieler würden ansonsten auch gar nicht spielen wollen“, erklärt Schiller.

Besonderes Sicherheit­skonzept

Angst davor, komplett eingesperr­t zu sein, haben auch die Besucher des Escape Rooms in Friedrichs­hafen. Nach dem Unglück in Polen seien sie schon häufiger auf das Team zugekommen und hätten nach den Sicherheit­sbestimmun­gen gefragt, sagt Kosch. Mit einem Hinweis am Empfang haben sich er und sein Geschäftsp­artner Alexander Fischer für künftige Anfragen präpariert. Mit dem Hinweis auf ihr besonderes Sicherheit­skonzept wollen sie ihren Besuchern die Angst nehmen. Es beinhaltet zum einen die Vollzeitbe­treuung ihrer Gruppen. Über WalkieTalk­ies und Kameras in den Räumen hat das Team einen Überblick über alles, was während des Spiels passiert. „Unsere Brandmelde­anlage ist außerdem direkt mit der Feuerwehr hier verbunden. Wenn etwas passieren sollte, stehen die mit vier Einsatzwag­en innerhalb von acht Minuten auf der Matte“, sagt Fischer.

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FOTOS: MICHAEL SCHEYER Zeit und Adrenalin im Nacken: Bei sogenannte­n „Exit Games“lösen Spieler im Team knifflige Rätsel und befreien sich so aus einem Raum.
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Über Kameras und Sprechfunk steht das Team von „Call of Quest“in Friedrichs­hafen in ständiger Verbindung mit den Spielern.

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