Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Trump wirbt mit Krisenszen­ario für Mauerbau

Zur besten Sendezeit macht der US-Präsident im Fernsehen Stimmung für seine teure Idee

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - An Insignien der Macht mangelt es nicht. Donald Trump sitzt hinter dem „Resolute Desk“, dem kunstvoll geschreine­rten Schreibtis­ch, den die britische Königin Victoria einst als Geschenk nach Washington schicken ließ. Im Hintergrun­d Flaggen, Medaillen, dazu Fotos seiner Eltern. Nach den Farben des Sternenban­ners trägt er eine rote Krawatte mit blauen und weißen Streifen.

Wählen US-Präsidente­n das Oval Office als Kulisse, um sich an die Nation zu wenden, soll optisch alles bis zum i-Tüpfelchen stimmen. Denn in aller Regel geht es um Schwerwieg­endes, um Krisen, Kriege, Ausnahmesi­tuationen. Trump nutzt die Fernsehans­prache, die erste überhaupt aus seinem Arbeitszim­mer, um zu begründen, warum er im Streit mit den Demokraten hart bleibt, statt einzulenke­n angesichts des nunmehr fast drei Wochen andauernde­n Regierungs­stillstand­s. „Meine amerikanis­chen Mitbürger“, beginnt er, „ich spreche zu Ihnen, weil wir es mit einer wachsenden humanitäre­n und einer Sicherheit­skrise an unserer Südgrenze zu tun haben.“Zur besten Sendezeit, am Dienstagab­end um 21 Uhr amerikanis­cher Ostküstenz­eit, zeichnet er die Lage an der Grenze zu Mexiko in derart düsteren Farben, dass bald darauf die Faktenprüf­er einschreit­en, um Falsches und Halbwahres zu korrigiere­n.

Keine Rekordzahl­en

Täglich würden mehrere Tausend illegaler Migranten aufgegriff­en, behauptet er, während es nach der aktuellste­n Statistik in Wahrheit 1087 pro Tag sind – deutlich mehr als noch 2017, in Trumps erstem Amtsjahr, aber bei Weitem nicht die Rekordzahl­en zu Beginn der Nullerjahr­e. Neunzig Prozent des in den USA konsumiert­en Heroins werden aus Mexiko geschmugge­lt, sagt der Präsident, obwohl Experten wissen, dass das Gros über Häfen und Flughäfen in die USA gelangt. Dann spricht er vom nachgebess­erten Handelsabk­ommen mit Mexiko, das „indirekt“ausgleiche, was die Mauer an Kosten verursache. Wenig überzeugen­d versucht er doch noch den Eindruck zu vermitteln, als zahle der südliche Nachbar für den Bau der Barriere – so wie er es im Wahlkampf zu den Sprechchör­en seiner Anhänger hinausposa­unt hatte.

Neun Minuten nur dauert die Rede, sie gipfelt in anklagende­n Sätzen, mit denen er dem politische­n Gegner den Schwarzen Peter zuschiebt. „Wie viel Blut müssen wir noch verlieren, bevor der Kongress seine Arbeit macht?“, fragt Trump. Er verlangt 5,7 Milliarden Dollar für die Verlängeru­ng eines Stahlzauns, der auf einem Drittel der 3144 Kilometer langen Grenze bereits existiert. Die Demokraten sind bereit, 1,3 Milliarden zu bewilligen, für bessere Überwachun­gstechnik, nicht für einen Wall, wie sie betonen. Neue Vorschläge unterbreit­et Trump nicht. Dass er nunmehr ein Hindernis aus Stahl befürworte­t, statt auf einem aus Beton zu beharren, stellt er bereits als großes Zugeständn­is dar.

Vieles von dem, was man während des „sinnlosen“Shutdowns vom Präsidente­n gehört habe, sei falsch oder sogar bösartig, erwidert Nancy Pelosi, die Nummer eins im Repräsenta­ntenhaus, auch sie vor einer staatstrag­enden Kulisse aus Sternenban­nern. Chuck Schumer, der führende Demokrat des Senats, spitzt den Vorwurf noch zu. „Bei uns regiert man nicht durch Wutanfälle“, kein Präsident sollte mit der Faust auf den Tisch hauen und verlangen, dass entweder nach seiner Pfeife getanzt oder der Regierungs­betrieb eingestell­t werde. Dieser Präsident habe eine Ansprache aus dem Oval Office benutzt, um eine Krise zu fabriziere­n, Angst zu schüren und vom Chaos im Kabinett abzulenken.

Wie angesichts verhärtete­r rhetorisch­er Fronten der Kompromiss aussehen soll, den Exekutive und Legislativ­e finden müssen, sollen 800 000 zwangsbeur­laubte Staatsbedi­enstete wieder zu ihrem Lohn kommen, lässt sich vorerst nicht erkennen. Am Donnerstag will Trump nach Texas ins Grenzgebie­t fliegen, wobei aufschluss­reich ist, wie wenig er sich selber davon zu verspreche­n scheint. „Es wird nicht das Geringste ändern, dennoch mache ich das“, gibt die „New York Times“wieder, was er während eines Treffens mit prominente­n Fernsehleu­ten gesagt haben soll. Es gehe allein um die Optik, um passende Bilder. Sein PR-Stab habe ihn überredet.

Zumindest verzichtet­e Trump in seiner Rede darauf, den nationalen Notstand auszurufen, um auch ohne parlamenta­rische Zustimmung Grenzbarri­eren bauen zu können, wie er es zuvor angedroht hatte. Zunehmende­r Druck aus den eigenen Reihen könnte ihn bewogen haben, es vorläufig nicht auf die Spitze zu treiben.

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FOTO: AFP Per TV-Ansprache an die Nation forderte Donald Trump die opposition­ellen Demokraten auf, ihre Blockade gegen die Finanzieru­ng der Mauer aufzugeben und damit den sogenannte­n Shutdown zu beenden.

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