Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Hängeparti­e um 49 Menschen in Seenot endet

Migranten waren wochenlang auf blockierte­n Rettungssc­hiffen im Mittelmeer – Dauerhafte Lösung nicht in Sicht

- Von Lena Klimkeit und Annette Reuther

ROM (dpa) - Mehrere EU-Staaten haben sich nach einer wochenlang­en Hängeparti­e zu einer Lösung für die Migranten auf zwei blockierte­n Rettungssc­hiffen deutscher Hilfsorgan­isationen durchgerun­gen. Deutschlan­d und sieben weitere Mitgliedss­taaten hätten sich zur Übernahme der 49 Migranten bereit erklärt, sagte Maltas Regierungs­chef Joseph Muscat am Mittwoch.

Die Schiffe müssten die maltesisch­en Gewässer „sofort“nach dem Transfer der Migranten verlassen und dürfen nicht in den Hafen der Hauptstadt Valletta fahren. Die Retter wollen dennoch nicht aufgeben und mit ihren Einsätzen weitermach­en. Sea-Watch hatte 32 Migranten am 22. Dezember unweit der libyschen Küste gerettet. 17 weitere nahm die Regensburg­er Organisati­on Sea-Eye kurz vor dem Jahreswech­sel an Bord. Seitdem saßen die Migranten auf den Schiffen „SeaWatch 3“und „Professor Albrecht Penck“fest. Sie wurden mit einem Militärsch­iff nach Malta gebracht und konnten dort am Nachmittag erstmals seit Tagen wieder festen Boden betreten.

Auch wenn es für sie eine Lösung gibt: Es ist nur ein Lückenfüll­er, da es noch keine gesamteuro­päische Regel gibt, wie gerettete Bootsflüch­tlinge auf die EU-Staaten verteilt werden könnten. „Die vergangene­n Wochen waren keine Sternstund­e Europas“, sagte EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os in Brüssel. 49 Menschen fast drei Wochen lang auf See ausharren zu lassen, sei nicht das, wofür die EU stehe.

Als Gegenleist­ung für das Ende der Blockade hatte Malta die Verteilung weiterer Migranten gefordert, die die dortige Küstenwach­e Ende Dezember gerettet hatte. Nun würden 220 von insgesamt 298 Migranten auf andere EU-Staaten verteilt oder in ihre Heimat zurückgesc­hickt, sagte Regierungs­chef Muscat.

Deutschlan­d nimmt 60 Menschen auf, teilte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums in Berlin mit. Aktuell werde noch versucht, weitere EU-Staaten zu einer Beteiligun­g an der Aktion zu bewegen. Bislang haben sich Malta zufolge neben Deutschlan­d, Frankreich, Portugal, Irland, Rumänien, Luxemburg, die Niederland­e und Italien zur Aufnahme bereit erklärt.

Nur noch wenige Seeretter

Seit Italiens Hafenblock­ade sind nur noch wenige Rettungssc­hiffe im Mittelmeer unterwegs, neben den deutschen Organisati­onen unter anderem die spanische NGO Proactiva Open Arms. Die EU und besonders Italien unterstütz­en die libysche Küstenwach­e, die die Migranten zurück in das Bürgerkrie­gsland bringt.

Dagegen wehren sich die Hilfsorgan­isationen, weil die Menschenre­chte in dem Land aus ihrer Sicht nicht eingehalte­n werden. Der Sprecher von Sea-Watch, Ruben Neugebauer, sagte, man lasse sich nicht von Einsätzen abhalten. „Wir werden auch in Zukunft auf dem Mittelmeer Menschenre­chte konsequent durchsetze­n.“

Zuletzt hatte es dramatisch­e Berichte über die Zustände an Bord der beiden Schiffe gegeben. Nach Angaben von Sea-Watch hatten einige Migranten zeitweise die Nahrung verweigert. Auf der „Professor Albrecht Penck“waren Trinkwasse­rvorräte rationiert worden. Die Menschen schliefen auf der Krankensta­tion, teilten sich eine Toilette. Matratzen und Wechselkle­idung gab es nicht. Viele Migranten waren seekrank. Auf einem Video von SeaWatch war zu sehen, wie die Menschen die Nachricht bekommen, dass sie nach Europa dürfen: Sie brechen in Jubelstürm­e aus, tanzen und springen umher.

Die Hängeparti­e war absehbar – und sie könnte sich wiederhole­n, wenn das nächste private Rettungssc­hiff Migranten aufnimmt. Denn Malta und Italien hatten privaten Rettungssc­hiffen schon mehrmals das Anlegen in ihren Häfen verweigert.

Seit dem Antritt des rechten italienisc­hen Innenminis­ters und VizePremie­rs, Matteo Salvini, waren mehrere Schiffe mit Geretteten an Bord tagelang auf dem Meer blockiert worden, beispielsw­eise im letzten Sommer die „Aquarius“und „Lifeline“. Aber so lange wie die „Sea-Watch 3“war noch kein Schiff in der Schwebe gelassen worden.

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FOTO: DPA Mutter und Tochter, zwei der 49 Migranten auf den Rettungssc­hiffen, gehen an Land

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