Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gefangene IS-Kämpfer in Syrien werden zum Problem

- Von Thomas Seibert, Istanbul

Beim „Islamische­n Staat“nennt er sich Abu Ibrahim al-Almani: Ein 31-jähriger Deutscher mit dem bürgerlich­en Namen Lucas Glaß ist als IS-Kämpfer von kurdischen Milizionär­en in Syrien gefasst worden, wie die Kurdengrup­pe YPG am Mittwoch mitteilte. Ein Bild auf Twitter zeigt einen jungen Mann mit hellen Augen und einem rötlich schimmernd­en Bart.

Zusammen mit ihm kamen sieben ausländisc­he IS-Kämpfer in Haft. In Lagern bewachen Milizionär­e bis zu 1100 IS-Soldaten und 2000 Familienmi­tglieder, darunter etliche Extremiste­n aus dem Westen. Europa und die USA wollen IS-Mitglieder wie alAlmani nicht wieder in ihren Ländern sehen, doch die Kurden drohen damit, die Gefangenen im Fall einer türkischen Militärint­ervention in Syrien freizulass­en.

Ende Dezember erklärte die kurdische Selbstverw­altung in Nordsyrien, sie werde nicht in der Lage sein, die IS-Häftlinge zu bewachen, wenn die Türkei angreifen sollte. Das Schicksal der gefangenen IS-Mitglieder in den Internieru­ngslagern sei eines der wichtigste­n Themen bei der Vorbereitu­ng des amerikanis­chen Truppenrüc­kzuges aus Syrien, sagte ein hochrangig­er US-Regierungs­vertreter diese Woche. Eine Massenfrei­lassung sei „unakzeptab­el“, weil sich viele der Häftlinge wieder dem IS anschließe­n würden.

Der amerikanis­che Geheimdien­st CIA schätzte die Zahl westlicher ISKämpfer in den vergangene­n Jahren auf etwa 2000; auch mehrere tausend Extremiste­n aus den USA, Russland, der Ukraine, Russland, Usbekistan, Kasachstan und Tadschikis­tan haben sich den Dschihadis­ten angeschlos­sen. Die Kämpfer stammen demnach aus 31 Ländern außerhalb von Syrien. Unter den inhaftiert­en IS-Kämpfern sollen einige der berüchtigs­ten ISSchergen sein, etwa zwei britische Extremiste­n, die wegen ihrer Teilnahme an der brutalen Hinrichtun­g von Geiseln bekannt wurden und von der Presse die „Beatles“genannt werden.

Die Extremiste­n sind in den vergangene­n Jahren von der YPG und den USA so weit zurückgedr­ängt worden, dass sie nur noch eine Gegend von etwa 50 Quadratkil­ometern im Osten von Syrien kontrollie­ren. Eine Verstärkun­g durch freigelass­ene und kampferpro­bte Mitglieder könnte dem IS neue Schlagkraf­t verleihen.

Rückkehr in die Heimat

Aus westlicher Sicht wesentlich gefährlich­er wäre eine Rückkehr von ausländisc­hen IS-Kämpfern in ihre Heimatländ­er. Das wissen auch die syrischen Kurden. Sie setzen den Hinweis auf die drohende Gefahr für das Ausland deshalb ein, um eine türkische Interventi­on zu verhindern. Sollte in Nordsyrien Chaos ausbrechen, könnten die IS-Mitglieder fliehen und in Europa zu einer ernsten Terrorbedr­ohung werden, warnte Abdulkarim Omar, Chef des Auswärtige­n Ausschusse­s der kurdischen Selbstverw­altung in Syrien, bereits im Oktober. Ankara betrachtet die YPG als Terrororga­nisation und will sich auch durch amerikanis­che Einwände nicht von einem militärisc­hen Vorgehen gegen die kurdische Autonomiez­one abbringen lassen. Bisher haben die rund 2000 amerikanis­chen Soldaten in Syrien den türkischen Einmarsch verhindert und der kurdischen YPG den Rücken gestärkt. Doch der von Präsident Donald Trump befohlene US-Rückzug lässt die Frage nach dem Umgang mit den interniert­en IS-Kämpfern dringender werden.

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