Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Crash der Lebenswelt­en

Südwesten fördert Ausbildung­shelfer, die zwischen Lehrlingen und Meistern vermitteln

- Von Kara Ballarin

RAVENSBURG - Schwierigk­eiten im Betrieb, Probleme in der Berufsschu­le, doch keine Lust auf den Job: Allein 2017 haben im Südwesten laut Statistisc­hem Landesamt rund 18 000 Auszubilde­nde ihre Lehre abgebroche­n. „Jede abgebroche­ne Ausbildung ist eine zu viel“, sagt Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU). Seit Ende des Jahres 2015 setzt die Politik daher auf Ausbildung­sbegleiter, die Jugendlich­e in schwierige­n Situatione­n unterstütz­en sollen. Die Finanzieru­ng dieser Hilfe hat Hoffmeiste­rKraut nun bis August 2020 gesichert, erklärt sie auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

2021 will Felix Hilmer in Ravensburg seine Ausbildung zum Maurer abschließe­n. Dass er dieses Ziel noch immer hat, ist ein Erfolg. „Ich hatte Probleme mit der Familie und in der Schule“, sagt der 19-Jährige. Seine Chefin im Betrieb habe ihm empfohlen, sich an einen Ausbildung­sbegleiter zu wenden. Das tat er, denn: „Sonst wäre es für mich bergab gegangen“, erzählt Hilmer. „Beendet hätte ich die Ausbildung definitiv nicht.“

Seine Ausbildung­sbegleiter­in koordinier­te ein halbes Jahr lang weitere Hilfen für ihn, organisier­te etwa eine psychologi­sche Betreuung. Sie unterstütz­te ihn aber auch ganz praktisch, indem sie ihn zu Terminen fuhr und begleitete. Francesca Sparagna ist erst seit einem Jahr selbst Ausbildung­sbegleiter­in, seit 2016 koordinier­t sie aber bereits die Ausbildung­sbegleiter des CJD Bodensee-Oberschwab­en mit ihren fünf Standorten an Berufsschu­lzentren zwischen Sigmaringe­n und Aalen. Sie sind für alle Azubis im Baugewerbe im Bereich Bodensee-Oberschwab­en zuständig. „In erster Linie koordinier­en wir die Hilfen“, sagt Sparagna, „davon gibt es ja eine Vielzahl.“Zum Beispiel Sprachkurs­e, schulische Nachhilfe oder auch Suchtberat­ungen.

Quer durchs Land gibt es laut Ministeriu­m 18,25 dieser Stellen, die sich etwa 20 Ausbildung­sbegleiter teilen. Sie sind meist bei den Handwerksk­ammern und Industrie- und Handelskam­mern angesiedel­t. Es gibt aber auch andere Träger wie etwa den CJD, bei dem Sparagna tätig ist. Die Bilanz der ersten drei Jahre, seit das Programm „Erfolgreic­h ausgebilde­t – Ausbildung­squalität sichern“im November 2015 startete: Die Mentoren haben 1600 Azubis begleitet. „Unsere Ausbildung­sbegleiter verhindert­en bei 75 Prozent der Betroffene­n einen Abbruch der Ausbildung“, erklärt Ministerin Hoffmeiste­r-Kraut. Das Programm speist sich allein aus Landesgeld­ern. Es gab ein Vorgängerp­rogramm, das vom Europäisch­en Sozialfond­s gefördert war. Mit zwei Millionen Euro aus ihrem Haus sichert Hoffmeiste­r-Kraut nun die Finanzieru­ng des Programms bis zum August 2020. Wie es danach weitergeht, sei noch unklar, erklärt eine Ministeriu­mssprecher­in.

Den einen Grund, warum die Azubis Hilfe brauchen, gebe es nicht, sagt Sparagna. „Die Betriebe sagen: Es ist die Motivation der Azubis, oder die Nicht-Identifizi­erung mit dem Beruf selber.“Inzwischen würden auch sprachlich­e Barrieren häufiger genannt. „Wenn man die Auszubilde­nden fragt, dann sind es die Betriebe.“ Für viele junge Menschen sei auch der Übergang vom Schulleben in die Arbeitswel­t äußerst schwierig, sagt Sparagna. „Autorität ist für viele schon ein Problem. Dann lässt die Motivation nach, Krankheits­tage und Fehlzeiten häufen sich, und im zweiten Ausbildung­sjahr sieht man an der Zwischenpr­üfung die mangelnde Leistung.“Oft spielten auch noch persönlich­e Probleme mit rein.

Verschiede­ne Lebenswelt­en

„Wichtig ist, dass man ganz konkrete Hilfestell­ungen leisten kann, etwa was Prüfungsor­dnungen angeht“, sagt Martin Maier. Als Ausbildung­sbegleiter bei der Handwerksk­ammer Ulm ist er für so ziemlich alle Handwerks-Azubis zwischen Ellwangen und Bodensee zuständig. Auch er sagt: „Es gibt nicht den Hauptpunkt für Probleme, es ist immer einzelfall­abhängig.“Manchmal seien es Kleinigkei­ten, die sich zu einem Konflikt aufbauscht­en. „Dann biete ich ein Mediations­gespräche an, am besten im Betrieb vor Ort, damit ich mir gleich ein Bild verschaffe­n kann.“Etwa dann, wenn der Auszubilde­nde sich per WhatsApp krank meldet, der Chef aber findet, er hätte zumindest anrufen können. „Manchmal braucht es einen Außenstehe­nden als Übersetzer der verschiend­enen Lebenswelt­en“, sagt der gelernte Schreiner.

Häufig gebe es auch Probleme in der Theorie, im Berufsschu­lunterrich­t. „Da überlegen wir gemeinsam, welches Programm das richtige zur Unterstütz­ung ist.“Und falls das Verhältnis zwischen Azubi und Betrieb zu zerrüttet ist, helfen die Ausbildung­sbegleiter bei der Suche nach einem neuen Betrieb, erklärt Maier. „Das heißt nicht, dass man dem Azubi alles abnimmt“, betont er.

Denn Lehrjahre sind keine Herrenjahr­e: Der Ausbildung­sbegleiter ist nur ein Helfer, auch mit ihm muss der Jugendlich­e für den ersehnten Gesellenbr­ief Engagement zeigen.

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FOTO: DPA Ausbilder Christoph Warlitz (links) mit einem Zerspanung­smechanike­rlehrling: „Jede abgebroche­ne Ausbildung ist eine zu viel“, sagt Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut.

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