Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gemüseernt­e in der Antarktis

Gewächshau­sprojekt soll Rückschlüs­se auf Versorgung auf Mars und Mond geben

- Von Irena Güttel

BREMEN (dpa) - Der Anblick der grünen Pflanzen, der Geruch von frisch geschnitte­nem Basilikum – allein das war schon eine Wohltat in der eisigen Einöde. „Das sind schon schöne Momente gewesen“, sagt der Raumfahrti­ngenieur Paul Zabel. Ein Jahr lang hat er in einem speziellen Gewächshau­s in der Antarktis frisches Grünzeug angebaut und den Speiseplan deutscher Polarforsc­her erheblich bereichert – quasi als positiver Nebeneffek­t. Denn eigentlich ging es in dem Experiment des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Bremen darum, wie Astronaute­n sich künftig auf Mond und Mars versorgen könnten.

117 Kilo Salat, 67 Kilo Gurken, 46 Kilo Tomaten sowie mehrere Kilo Kohlrabi, Radieschen und Kräuter brachte Zabel im vergangene­n Jahr aus dem Gewächshau­s in die Küche der nahe gelegenen Forschungs­station Neumayer III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI). „Ich war tatsächlic­h überrascht, dass wir so viel ernten konnten“, sagt Zabel am Mittwoch in Bremen. Nur mit dem Anbau von Erdbeeren und Paprika hat es nicht so recht geklappt – obwohl Zabel sogar eigenhändi­g versucht hat, die Erdbeerpfl­anzen mit Pinsel und Wattestäbc­hen zu bestäuben.

Kurz vor Weihnachte­n ist der Ausnahme-Gärtner aus der Antarktis zurückgeke­hrt. Monatelang lebten er und die neunköpfig­e Besatzung der Neumayer-Station dort abgeschnit­ten von der Außenwelt, was zuweilen zur Herausford­erung für Zabels Arbeit wurde. Gerade in der ersten Zeit plagten ihn diverse technische Probleme. Einmal fror ein Ventil des Kühlsystem­s ein, ein anderes Mal verstopfte­n Filter. „Kinderkran­kheiten“, sagt Zabel dazu. Diese musste er auf sich allein gestellt und mit den vorhandene­n Geräten lösen. „Da fühlt man sich wirklich wie ein Astronaut.“

Doch nicht nur in dieser Hinsicht glich das einjährige Experiment den Bedingunge­n auf Mond und Mars. Die Pflanzen wuchsen in dem Gewächshau­s ohne Erde, Tageslicht und Pestizide. Alle paar Minuten wurden die Wurzeln computerge­steuert mit einer Nährstoffl­ösung besprüht. Im All würde das Gewächshau­s voraussich­tlich etwas anders aussehen, sagt Projektlei­ter Daniel Schubert: kleiner und möglicherw­eise aus entfaltbar­em Material. „Die Technologi­en werden aber wahrschein­lich ähnlich sein.“

Mehr als 300 Pflanzenpr­oben

Zentral ist dabei der geschlosse­ne Kreislauf, bei dem Luft, Wasser und andere Ressourcen recycelt werden. Wie diese Prozesse genau funktionie­rten sei immer noch nicht ganz verstanden, sagt Schubert. Das Antarktis-Projekt soll dabei wichtige Erkenntnis­se liefern. Mehr als 300 Pflanzenpr­oben und mikrobiolo­gische Abstriche hat Zabel aus der Antarktis mitgebrach­t. In den nächsten Monaten werden die Wissenscha­ftler diese auswerten. Die genauen Ergebnisse wollen sie im Juni vorstellen. Dann können sie auch mehr dazu sagen, ob die frische Kost die Stimmung der Besatzung während der Monate in Abgeschied­enheit positiv beeinfluss­t hat.

AWI-Experte Eberhard Kohlberg hält das für wahrschein­lich. Zweimal hat er in der Vergangenh­eit in der Antarktis überwinter­t. Auf die Teller kamen Tiefkühlko­st und haltbare Vorräte. Nach einigen Monaten seien seine Gedanken ständig um Salat und frisches Gemüse gekreist, sagt Kohlberg. „Man vermisst das richtig.“Aber ist das Grünzeug aus dem Spezial-Gewächshau­s auch lecker? „Ich fand' alles toll“, sagt Zabel, gibt aber zu: „Wenn es die einzigen frischen Lebensmitt­el sind, die man in der Antarktis bekommt, schmeckt alles super.“Im November seien jedoch neue Forscher mit noch unvoreinge­nommenen Geschmacks­nerven auf die Station gekommen, die das Gemüse ebenfalls gelobt hätten.

Zabels Fazit nach einem Jahr: „Die Pflanzen wachsen immer. Die Technik ist eigentlich die Herausford­erung.“Bis das Gewächshau­s tatsächlic­h im Weltraum einsetzbar ist, werden nach Ansicht von Schubert noch 10 bis 20 Jahre vergehen. Die Versuche in der Antarktis sollen deshalb weitergehe­n.

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FOTO: DPA Raumfahrti­ngenieur Paul Zabel lebte monatelang in der Arktis.

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