Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Jena aus dem Schatten Weimars befreit

Peter Neumann zeigt die Stadt als Zentrum des geistigen Aufbruchs um 1800

- Von Rolf Dieterich

In der Geistesges­chichte des späten 18. und frühen 19. Jahrhunder­ts stand Jena immer etwas im Schatten Weimars, der thüringisc­hen Nachbarsta­dt, die mit den Namen Goethe und Schiller, Wieland und Herder untrennbar verbunden ist. Als Philosophi­e-Dozent der Universitä­t Jena empfand Peter Neumann dies offenbar als ungerecht und machte es sich deshalb zur Aufgabe, die Dinge ein wenig geradezurü­cken. In seinem Buch „Jena 1800. Die Republik der freien Geister“beschreibt er anschaulic­h jene – freilich nur wenigen – Jahre, in denen das kleine Jena ein Zentrum des geistigen Aufbruchs war.

Die wichtigste­n Denker der Zeit

Mit Ausnahme von Immanuel Kant, der Königsberg nie verlassen hatte, waren sie praktisch alle da, die wichtigste­n Denker dieser Zeit: die Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, die Dichter Ludwig Tieck, Clemens Brentano und Novalis. Friedrich Schiller, damals Professor an der heute nach ihm benannten Universitä­t, schrieb in Jena sein berühmtest­es dramatisch­es Werk, die Wallenstei­nTrilogie. Auch Goethe war oft zu Besuch. Er suchte den Austausch mit den Philosophe­n und Dichterkol­legen, aber auch heitere Geselligke­it. Die Freundscha­ft mit Schiller hatte ebenfalls in Jena ihren Ursprung.

Dem von den Ideen der Aufklärung und den Idealen der Französisc­hen Revolution beseelten Jenaer Kreis war es vor allem um die Freiheit des Denkens gegangen, die Freiheit der Wissenscha­ft und der Kunst. Neumann macht aber zudem deutlich, dass auch die Emanzipati­on der Frau ein wichtiges Kapitel in der Geschichte Jenas ums Jahr 1800 ist. Caroline und Dorothea Schlegel, die zentralen Frauengest­alten des Buches, sind den männlichen Geistesgrö­ßen kompetente und akzeptiert­e Gesprächsp­artnerinne­n, und sie demonstrie­ren in ihrer für damalige Verhältnis­se recht unorthodox­en Lebensweis­e, dass man über Freiheit nicht nur reden, sondern sie auch leben kann. Dorothea ließ sich für Friedrich Schlegel von dem Kaufmann Simon Veit scheiden, Caroline trennte sich von August Wilhelm Schlegel, um Friedrich Wilhelm Joseph Schelling zu heiraten.

„Jena 1800“ist flüssig und unterhalts­am geschriebe­n. Dass der Autor manchmal fast den Eindruck erweckt, er sei damals selbst dabei gewesen, mag ein bisschen übertriebe­n sein. Aber sei’s drum. So macht Geistesges­chichte auf jeden Fall Spaß.

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FOTO: DPA In Jena trafen sich einst Goethe (links) und Schiller (rechts) mit den Gebrüdern Humboldt, Alexander ist der Zweite von rechts, Wilhelm links.

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