Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kritik an den Kritikern

Buchpreis-Jury und Schwester stützen Autor Menasse

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FRANKFURT (dpa) - In der Debatte um Robert Menasses Umgang mit Zitaten und Fakten hat die frühere Jury des Deutschen Buchpreise­s dessen 2017 ausgezeich­neten Roman „Die Hauptstadt“verteidigt. Sprecherin Katja Gasser erklärte am Mittwoch auf Anfrage, es sei weder ärgerlich noch gar unredlich, dass Menasse in seinem Buch Fakten und Fiktionen gemischt habe. Dies gehöre zur Literatur. Bedauerlic­h sei allerdings, dass Menasse „die Gesetze des literarisc­hen Arbeitens“offenbar auf andere öffentlich­e Äußerungen übertragen habe.

Vorwurf des Shitstorms

Der Deutsche Buchpreis, die wichtigste Auszeichnu­ng für eine literarisc­he Neuerschei­nung der Branche, wird mit wechselnde­r Jury alljährlic­h vom Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s organisier­t.

Im Roman hatte Menasse die im Jahr 1958 gehaltene Antrittsre­de des ersten Kommission­spräsident­en der Europäisch­en Wirtschaft­sgemeinsch­aft (EWG), Walter Hallstein, ins einstige deutsche Vernichtun­gslager Auschwitz verlegt. Menasse, der lange in Brüssel für seinen Roman recherchie­rte, hielt dies für historisch verbürgt. Das stellte sich als falsch heraus. Dafür und für von ihm öffentlich wiedergebe­ne Zitate, die Hallstein wörtlich so nicht machte, hat sich Menasse inzwischen entschuldi­gt. Der Wiener Autor war im Vorfeld der Verleihung der Carl-Zuckmayer-Medaille am 18. Januar durch das Land Rheinland-Pfalz in die Kritik geraten.

Die Schwester des Schriftste­llers, die ebenfalls als Autorin bekannt gewordene Eva Menasse, warf den Kritikern in einem am Mittwoch veröffentl­ichten Beitrag vor, ihren Bruder „vernichten“zu wollen. Dieser habe Fehler gemacht und diese eingestand­en, schrieb sie in der „Süddeutsch­en Zeitung“.

Eva Menasse schrieb, der zu Recht preisgekrö­nte Bestseller sei eine „schwarze Tragikomöd­ie“über Europa und alles andere als das Produkt einer „Fälschungs­affäre“. Auch die meisten Qualitätsm­edien beherrscht­en inzwischen den Shitstorm, „als hätten sie ihn erfunden“, kritisiert­e die in Berlin lebende Autorin.

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