Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Männer lügen häufiger als Frauen

Jüngere sind laut einer Studie auch unehrliche­r als Ältere

- Von Christoph Arens

BERLIN (KNA) - Lügen haben kurze Beine. Wenn dieser Kindheitss­pruch stimmen würde, liefen fast alle auf Stummelbei­nen durch die Welt. Denn Menschen lügen nach Schätzung von Wissenscha­ftlern bis zu 200-mal am Tag – aus Höflichkei­t, aus Diplomatie oder weil sie sich Vorteile verschaffe­n wollen. Anderersei­ts zeigen Debatten über „Fake News“, Steuerfluc­ht oder Korruption­sskandale, wie wichtig Ehrlichkei­t für eine funktionie­rende Gesellscha­ft ist.

Wissenscha­ftler weltweit erforschen deshalb in vielen experiment­ellen Studien, welche persönlich­en und umweltbedi­ngten Faktoren Menschen zu Lügnern machen. Wissenscha­ftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsfo­rschung in Berlin und des „Technion – Israel Institute of Technology“haben eine umfangreic­he Metaanalys­e zum Lügen veröffentl­icht, die Erkenntnis­se aus 565 Studien mit mehr als 44 000 Probanden zusammenfa­sst. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die Tendenz zu Unehrlichk­eit von Alter und Geschlecht abhängt. Aber auch Persönlich­keit und Umweltfakt­oren spielen eine Rolle.

Qual der Wahl

Der Grundkonfl­ikt jeder Lüge ist eine Wahl: Entweder ist man ehrlich und verzichtet auf Vorteile. Oder man lügt, um beispielsw­eise an mehr Geld, Macht oder Ruhm zu gelangen. Getestet wird das Verhalten in solchen Grundkonfl­ikten oft in einfachen Experiment­en – beispielsw­eise in Form des Münzwurf-Spiels: Dabei werfen Probanden eine Münze, ohne dass sie jemand dabei beobachtet. Bei Kopf bekommen sie Geld, bei Luege(Lügen)brunnen in Bad Saulgau: Unehrlichk­eit hängt vor allem von Persönlich­keit und Umweltfakt­oren ab, sagen Forscher.

Zahl gehen sie leer aus. Führt man diesen Versuch öfter und mit vielen Probanden durch, müsste das Verhältnis von Kopf zu Zahl insgesamt fünfzig zu fünfzig betragen. Doch zeigen fast alle Studien, dass Probanden öfter Kopf als Zahl nennen. Das heißt: Mindestens einige Probanden lügen, um mehr Geld zu „verdienen“.

„Obwohl es zahlreiche Studien gibt, die untersuche­n, wer, wann und warum lügt, sind die Ergebnisse nicht eindeutig, teilweise sogar widersprüc­hlich. Mithilfe der großen Datenmenge aus allen Studien können wir nun zu einigen Faktoren eindeutige­re Aussagen treffen“, sagt Philipp Gerlach, Assoziiert­er Wissenscha­ftler am Max-Planck-Institut für Bildungsfo­rschung und Erstautor der Studie.

Insgesamt haben bei den untersucht­en Experiment­en 42 Prozent aller Männer und 38 Prozent aller Frauen gelogen. Die Vermutung, dass Männer häufiger lügen als Frauen, konnte die Studie damit bestätigen – auch wenn der Unterschie­d nur gering ist. Außerdem haben jüngere Personen häufiger gelogen als ältere.

Dabei sank die Wahrschein­lichkeit, dass jemand lügt, mit jedem Jahr um 0,28 Prozentpun­kte. Während sie bei einer 20-jährigen Person bei etwa 47 Prozent liegt, liegt sie bei einer 60jährigen Person nur noch bei 36 Prozent. Andere, immer wieder diskutiert­e Faktoren konnte die Studie nicht bestätigen. So finden die Wissenscha­ftler zum Beispiel keinen Hinweis darauf, dass Wirtschaft­sstudieren­de besonders häufig lügen.

In anderen Studien ging es nicht um Zufallsexp­erimente, sondern um Unehrlichk­eit mit Blick auf eigene Fertigkeit­en – etwa, ob ein mathematis­ches Rätsel richtig gelöst wurde. Die Forscher konnten zeigen, dass solche Unterschie­de im Versuchsau­fbau das Verhalten der Probanden beeinfluss­en und somit zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n über die Unehrlichk­eit führen. Dies deutet nach Auffassung der Wissenscha­ftler daraufhin, dass „Unehrlichk­eit nicht einfach nur die Eigenschaf­t einer Person ist, sondern systematis­ch mit den Bedingunge­n der Umwelt zusammensp­ielt“, sagt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungs­bereichs „Adaptive Rationalit­ät“am Max-Planck-Institut für Bildungsfo­rschung.

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FOTO: RUDOLF MULTER

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