Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vergewaltigungsvorwurf bleibt dubios
Viele offene Fragen bei Verhandlung vor Biberacher Amtsgericht
BIBERACH - Mit einem Vergewaltigungsvorwurf hat sich das Biberacher Amtsgericht unter Richter Ralf Bürglen am Dienstag befasst. Es galt, die Frage zu klären, ob ein 28-jähriger Mann aus Biberach seine frühere Frau und die Mutter seiner beiden Kinder im September 2017 vergewaltigt und anschließend öffentlich beleidigt hat. Die Verhandlung offenbarte Überraschendes, mehrere Fragen sind aber noch offen.
Die Vergewaltigung soll in der Wohnung des Angeklagten vorgefallen sein, in der sich zu dieser Zeit auch beide Kinder aufgehalten haben sollen. Ob der Akt einvernehmlich geschah oder ob die Frau zum Sex gezwungen wurde – beide Thesen standen im Raum. Richter, Staatsanwältin und der Rechtsanwalt mühten sich einen Tag lang um Aufklärung.
Das ehemalige Paar lebt seit einigen Jahren getrennt. Die Frau hatte den Mann nach eigenen Aussagen aufgrund wiederholter häuslicher Gewalt verlassen, das Sorgerecht für die Kinder teilen sie sich jedoch. Wegen dieser Regelung gab es weiterhin regelmäßige Treffen: Die Kinder wurden zum Vater gebracht oder bei der Mutter abgeholt. Diese Kontakte habe die Mutter häufig als bedrohlich erlebt. Sie beschrieb ihren ehemaligen Mann vor Gericht als impulsiv und unbeherrscht. Der Angeklagte, der bis heute in verschiedenen Hilfsjobs tätig oder arbeitslos ist, leistet keine Unterhaltszahlungen, sagt aber, wenn die Kinder etwas brauchen, gebe er schon Geld.
Vergewaltigung als Sprachnachricht?
Um herauszufinden, was bei der angezeigten Vergewaltigung vor rund 16 Monaten passiert ist, hörte das Gericht die Zeugenaussagen von Polizei, Bekannten und die Betroffene selbst. Ihr Handy wurde ausgelesen sowie eine Sprachaufnahme gehört, die angeblich während der Vergewaltigung aufgenommen worden sein soll. Das Tatgeschehen blieb dennoch unscharf.
Die Frau schilderte zum einen die Angst vor ihrem ehemaligen Partner, trotzdem ging sie mit ihm ins Schlafzimmer, um dort etwas am PC zu bestellen. Bei der Befragung durch den Richter ergaben sich erhebliche Abweichungen gegenüber der Erstaussage sowie ungeklärte Fragen: Wie war es dem Opfer möglich, während der Vergewaltigung eine WhatsApp-Verbindung zu einem Bekannten aufzubauen? Haben die Kinder etwas von der Vergewaltigung mitbekommen? Was ist danach geschehen?
Richter, Staatsanwältin und Rechtsanwalt versuchten mit Nachfragen, den Sachverhalt aufzuklären. Mit begrenztem Erfolg, zu lange liegen die Vorfälle zurück, so die Aussage der Ex-Frau. Richter Bürglen suchte Unterstützung im Opferbericht der Bewährungs- und Gerichtshilfe Ravensburg. Dort war die Rede von einer lang andauernden Gewaltandrohung und häufigem sexuellen Missbrauch, dem die Frau durch den Angeklagten ausgesetzt gewesen sei.
Überraschende Information
Der Anwalt des 28-Jährigen verwahrte sich gegen diese Darstellung und monierte die fehlende professionelle Distanz dieser Beurteilung. Er brachte einen neuen Aspekt zur Bewertung der Umstände ins Spiel: So habe die ExFrau in den vergangenen Jahren wiederholt versucht, das Sorgerecht des Mannes für die beiden Kinder einzuschränken. „Ist der Vorwurf der Vergewaltigung möglicherweise ein Mittel, einen Sorgerechtsentzug in Gang zu setzen?“, fragte der Anwalt des Angeklagten. Am Ende der Zeugenaussage der Ex-Frau kam eine bis dato nicht bekannte, überraschende Information auf den Tisch: So hatte die Frau mit 17 Jahren einen Mann der Vergewaltigung bezichtigt. Eine Falschaussage, wie heute bekannt ist.