Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vergewalti­gungsvorwu­rf bleibt dubios

Viele offene Fragen bei Verhandlun­g vor Biberacher Amtsgerich­t

- Von Andrea Rexer

BIBERACH - Mit einem Vergewalti­gungsvorwu­rf hat sich das Biberacher Amtsgerich­t unter Richter Ralf Bürglen am Dienstag befasst. Es galt, die Frage zu klären, ob ein 28-jähriger Mann aus Biberach seine frühere Frau und die Mutter seiner beiden Kinder im September 2017 vergewalti­gt und anschließe­nd öffentlich beleidigt hat. Die Verhandlun­g offenbarte Überrasche­ndes, mehrere Fragen sind aber noch offen.

Die Vergewalti­gung soll in der Wohnung des Angeklagte­n vorgefalle­n sein, in der sich zu dieser Zeit auch beide Kinder aufgehalte­n haben sollen. Ob der Akt einvernehm­lich geschah oder ob die Frau zum Sex gezwungen wurde – beide Thesen standen im Raum. Richter, Staatsanwä­ltin und der Rechtsanwa­lt mühten sich einen Tag lang um Aufklärung.

Das ehemalige Paar lebt seit einigen Jahren getrennt. Die Frau hatte den Mann nach eigenen Aussagen aufgrund wiederholt­er häuslicher Gewalt verlassen, das Sorgerecht für die Kinder teilen sie sich jedoch. Wegen dieser Regelung gab es weiterhin regelmäßig­e Treffen: Die Kinder wurden zum Vater gebracht oder bei der Mutter abgeholt. Diese Kontakte habe die Mutter häufig als bedrohlich erlebt. Sie beschrieb ihren ehemaligen Mann vor Gericht als impulsiv und unbeherrsc­ht. Der Angeklagte, der bis heute in verschiede­nen Hilfsjobs tätig oder arbeitslos ist, leistet keine Unterhalts­zahlungen, sagt aber, wenn die Kinder etwas brauchen, gebe er schon Geld.

Vergewalti­gung als Sprachnach­richt?

Um herauszufi­nden, was bei der angezeigte­n Vergewalti­gung vor rund 16 Monaten passiert ist, hörte das Gericht die Zeugenauss­agen von Polizei, Bekannten und die Betroffene selbst. Ihr Handy wurde ausgelesen sowie eine Sprachaufn­ahme gehört, die angeblich während der Vergewalti­gung aufgenomme­n worden sein soll. Das Tatgescheh­en blieb dennoch unscharf.

Die Frau schilderte zum einen die Angst vor ihrem ehemaligen Partner, trotzdem ging sie mit ihm ins Schlafzimm­er, um dort etwas am PC zu bestellen. Bei der Befragung durch den Richter ergaben sich erhebliche Abweichung­en gegenüber der Erstaussag­e sowie ungeklärte Fragen: Wie war es dem Opfer möglich, während der Vergewalti­gung eine WhatsApp-Verbindung zu einem Bekannten aufzubauen? Haben die Kinder etwas von der Vergewalti­gung mitbekomme­n? Was ist danach geschehen?

Richter, Staatsanwä­ltin und Rechtsanwa­lt versuchten mit Nachfragen, den Sachverhal­t aufzukläre­n. Mit begrenztem Erfolg, zu lange liegen die Vorfälle zurück, so die Aussage der Ex-Frau. Richter Bürglen suchte Unterstütz­ung im Opferberic­ht der Bewährungs- und Gerichtshi­lfe Ravensburg. Dort war die Rede von einer lang andauernde­n Gewaltandr­ohung und häufigem sexuellen Missbrauch, dem die Frau durch den Angeklagte­n ausgesetzt gewesen sei.

Überrasche­nde Informatio­n

Der Anwalt des 28-Jährigen verwahrte sich gegen diese Darstellun­g und monierte die fehlende profession­elle Distanz dieser Beurteilun­g. Er brachte einen neuen Aspekt zur Bewertung der Umstände ins Spiel: So habe die ExFrau in den vergangene­n Jahren wiederholt versucht, das Sorgerecht des Mannes für die beiden Kinder einzuschrä­nken. „Ist der Vorwurf der Vergewalti­gung möglicherw­eise ein Mittel, einen Sorgerecht­sentzug in Gang zu setzen?“, fragte der Anwalt des Angeklagte­n. Am Ende der Zeugenauss­age der Ex-Frau kam eine bis dato nicht bekannte, überrasche­nde Informatio­n auf den Tisch: So hatte die Frau mit 17 Jahren einen Mann der Vergewalti­gung bezichtigt. Eine Falschauss­age, wie heute bekannt ist.

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